Alte Hülle, neue Fülle

Im Hafen von Düsseldorf bewegt sich so einiges: Das Viertel entwickelt sich sukzessive vom historischen Industrie- zum dynamischen Büro- und Gewerbestandort. Bei einer der Landzungen, die sich hier fingerartig in den Rhein strecken, handelt es sich um den Mühlenkomplex Plange Mühle. Als Plange Mühle Campus soll die ehemalige Müllerei mit ihren markanten Industrie­bauten bis 2025 zum neuen Medizin-, Mode- und Kreativstandort der nordrhein-westfälischen Stadt werden. ingenhoven associates komplettierten mit dem neuen Betonsilo nun ein Büro- und Ärztezentrum auf dem Areal.

Alte Hülle, neue Fülle

Im Hafen von Düsseldorf bewegt sich so einiges: Das Viertel entwickelt sich sukzessive vom historischen Industrie- zum dynamischen Büro- und Gewerbestandort. Bei einer der Landzungen, die sich hier fingerartig in den Rhein strecken, handelt es sich um den Mühlenkomplex Plange Mühle. Als Plange Mühle Campus soll die ehemalige Müllerei mit ihren markanten Industrie­bauten bis 2025 zum neuen Medizin-, Mode- und Kreativstandort der nordrhein-westfälischen Stadt werden. ingenhoven associates komplettierten mit dem neuen Betonsilo nun ein Büro- und Ärztezentrum auf dem Areal.

 

Plange Mühle Campus Düsseldorf von ingenhoven associates

 

Der Getreidemühlenkonzern Georg Plange gehörte Anfang des 20. Jahrhunderts zu den Größten Europas. Ab 1906 errichtete das Unternehmen im Düsseldorfer Hafen die Plange Mühle, welche unter anderem aus charakteristischen Backsteingebäuden und einem gewaltigen Getreidesilo mit 12.000 m3 bestand. Einzelne Trakte des Ensembles wurden infolge des Krieges zerstört und wiederaufgebaut. Über die nächsten Jahrzehnte wuchs die Müllerei kontinuierlich um neue Ergänzungen und Anbauten. Einige Komplexe wie das Silo, ein Turm, Werkstätten und ein Kesselhaus überdauerten sämtliche Veränderungen und wurden später unter Denkmalschutz gestellt. Nach der Betriebsaufgabe Ende der 90er-Jahre fasste der Entwickler harbour properties 2001 den Entschluss, das Gelände am Wasser zu sanieren und in einen lebendigen Campus mit Gewerbe-, Büro-, Gastronomie- und Veranstaltungsflächen sowie öffentlichen Parks und Promenaden entlang des Ufers zu verwandeln. Die brachliegenden, industriellen Bauten sollten im Zuge dessen Teil eines neuen Hafenquartiers mit bunter Mischnutzung und höchsten ökologischen Standards werden. 2021 stellten ingenhoven associates ein weiteres Puzzlestück auf dem einstigen Mühlengrundstück fertig: das neue Betonsilo. Bis 2025 soll mit Pier One der finale Bauabschnitt des urbanen Masterplans folgen – ein Stelzenbau mitten im Fluss, der mit vier Brücken die Infrastruktur im Hafen verbessern und für möglichst kurze Wege sorgen soll.

 

Plange Mühle Campus Düsseldorf von ingenhoven associates

 

Mit dem Silo revitalisierten die ebenfalls in Düsseldorf ansässigen Planer den letzten, denkmalgeschützten Bau der Plange Mühle. Er wurde 1929 realisiert und setzt sich aus zehn, paarweise angeordneten Röhren aus Stahlbeton zusammen. Mit seiner Höhe von 30 m überraschte das Gebäude damals mit einer – für seine Zeit innovativen – Ausführung mit einer Freischalung. Während in den Betonröhren früher das Getreide des Mühlenkonzerns gelagert wurde, sollten diese eine neue Funktion ganz im Zeichen der Medizin erhalten. Vorgesehen waren unter anderem eine radiologische Praxis, eine orthopädische Klinik, Operationssäle, Patientenzimmer und Büros mit Rheinblick. Als besondere Herausforderung stellte sich bei der Sanierung die Adaptierung des massiven Bestands an seine neue Nutzung dar. Unter den strengen Augen der Denkmalschutzbehörde entwickelte man schließlich ein Konzept, bei dem die Röhren innen in Längsrichtung aufgeschnitten wurden. Einzelne Zwischenwände des Getreidesilos brach man ab und ergänzte die Betonstruktur dann um neue Zwischendecken. Neun der Röhren öffnete man großzügig und versah diese mit je zwei Fenstern pro Etage, die reichlich Licht und Luft in das medizinische Zentrum bringen. Lediglich eine der Außenhüllen – an der dem Fluss abgewandten Seite – beließ man weitgehend unberührt. Sie erinnert an den Originalzustand des Industriebaus und beinhaltet das Haupttreppenhaus mit Personen- und Bettenaufzügen.

 

Betonsilo Plange Mühle Campus Düsseldorf von ingenhoven associates

 

Oben auf dem Gebäude sitzt ein neu ausgebautes Staffelgeschoss, welches die Architekten liebevoll als „Überflieger“ bezeichnen. Wie eine Brücke verbindet es den Betonkomplex mit einem weiteren, ehemaligen Getreidesilo und dem alten Hauptgebäude der Mühle. Das angrenzende Holzsilo wurde bis 2016 – ebenfalls von ingenhoven associates – zu einem sechsgeschossigen Loftgebäude mit modernen Arbeitsflächen umfunktioniert und spiegelt mit seinen Ziegelfassaden bis heute den industriellen Charakter des Ensembles wider. Der Aufbau führt mit raumhohen Verglasungen hinaus auf die geschwungenen Terrassenflächen auf dem Dach der Röhren und bietet Ausblick auf den Fluss und die Innenstadt. An der zweiten Querseite dockt außen ein historischer Turm an den Baukörper und den Überflieger an. Er nimmt die neue Notfall­treppe auf und passt das Projekt somit an aktuelle Sicherheitsvorschriften für Hochhäuser an.

 

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Als Herausforderung erwies sich auch die Logistik der Sanierungs- und Umbauarbeiten: Da selbst temporäre Eingriffe in die Fassade nicht in Frage kamen, blieb nur der Einstieg von oben. Die Deckel der Betonröhren wurden teilweise entfernt und im Anschluss sämtliche Bauschritte etappenweise im Inneren des Gebäudes durchgeführt. Eine 15 cm dicke Schicht aus Dämmputz garantiert an den Fassaden die energetische Anpassung des Silos an heutige Standards. Die Ansichten sind in dezentem Beige gestaltet, welches dem Ärztezentrum – zusammen mit den filigranen, schwarzen Fensterrahmen, die leicht aus den gekrümmten Röhren hervorragen – einen schlicht-modernen Look verleiht.

 

Plange Mühle Campus Betonsilo

 

Im Inneren verteilen sich die medizinischen Räumlichkeiten nun über sieben Etagen und schließen mit dem Attikageschoss ab. Praxisbereiche, Ärzte- und Patientenzimmer sowie Operations- und Behandlungssäle folgen allesamt der charakteristischen Kubatur des vormaligen Getreidesilos. Kreisförmige Elemente finden sich auch im Design von Ausbau, Lichtkonzept und Einrichtung wieder. Dazu kombinierte man steriles Weiß, Sichtbetonwände und Holzböden. Hie und da geben subtile Referenzen Hinweis auf die frühere Funktion des Industriebaus: Am Boden des zentralen Erschließungsbereichs lassen sich die ursprünglichen Konturen der nach innen gewandten Silowände anhand unterschiedlicher Beläge ablesen.

 

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Lagerhallen und Produktionsgebäude ehemaliger Industrie-, Transport- und Logistikunternehmen verschwinden immer mehr aus dem Düsseldorfer Hafen und machen Platz für neue Büros, Lofts, Clubs und Restaurants. Allzu oft entscheidet man sich dabei für Neubaukomplexe, mit denen die Identität des Ortes zusehends schwindet. Der Plange Mühle Campus ist ein schönes Beispiel dafür, wie historischer Bestand adaptiert und damit ein Stück Stadtgeschichte erhalten werden kann. Ingenhoven associates revitalisierten das Betonsilo behutsam und transformierten es in eine zeitgemäße Klinik mit Büroflächen. Dabei fokussierten sich die Planer auch auf Nachhaltigkeitskriterien: Mit einer klimapositiven Gesamtbilanz strebten sie eine Reihe grüner Zertifikate an und dachten dabei über die Grenzen des Gebäudes hinaus. Selbst der Fisch- und Artenreichtum im Hafenwasser und mit ihm das natürliche Ökosystem werden künftig gefördert. Eingebettet in öffentliche Grünflächen soll der alte Mühlenkomplex mit einem minimalen CO2-Fußabdruck künftig als urbaner Arbeits- und Naherholungsort dienen – ein zukunftsgerichteter Ansatz, von dem alle profitieren.

 

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Betonsilo
Düsseldorf, Deutschland

Bauherr: harbour properties
Planung: ingenhoven associates
Statik: Schüßler Plan
Gebäudetechnik: Walter Maier Ingenieure
Bauphysik: WISSBAU Beratende Ingenieurgesellschaft
Brandschutzplanung: BPK Fire Safety Consultans
Klinikplanung: RISCHKO Praxisarchitektur
Radiologiepraxis: two_space + product

Bruttogrundfläche: 6.000 m2
Bauzeit: 2018 – 2022

www.ingenhovenarchitects.com

 

Text: Edina Obermoser
Fotos: ingenhoven associates / HGEsch