Atmende Wände
Das "Wall House" – ein Haus mit atmenden Wänden und einer grünen Lunge haben die CTA | creative architects in der vietnamesischen Stadt Bien Hoa für einen privaten Auftraggeber entworfen. Die Bausumme ist mit 74.050.- Euro vergleichsweise sehr gering und das Projekt beweist, dass auch mit einfachsten Mitteln und Abfallprodukten der Industrie eine interessante, gesunde und sogar energiesparende Architektur entstehen kann. Der Beitrag Atmende Wände erschien zuerst auf architektur-online.
Das “Wall House” – ein Haus mit atmenden Wänden und einer grünen Lunge haben die CTA | creative architects in der vietnamesischen Stadt Bien Hoa für einen privaten Auftraggeber entworfen. Die Bausumme ist mit 74.050.- Euro vergleichsweise sehr gering und das Projekt beweist, dass auch mit einfachsten Mitteln und Abfallprodukten der Industrie eine interessante, gesunde und sogar energiesparende Architektur entstehen kann.
Nach neuesten Erkenntnissen ist die Luft in Innenräumen oft mehr mit Schadstoffen belastet als im öffentlichen Bereich. Der Wissenschaftler Michael Braungart behauptet zum Beispiel, dass es gesundheitsschädlicher sei, sich in einem Großraumbüro mit all den Teppichen, Farben, Anstrichen und Kunststoffteilen aufzuhalten, als an einer Kreuzung einer Stadtautobahn zu stehen. Also ist es fast schon logisch, ein Haus mit atmenden Wänden zu entwickeln, um so den Bewohnern einen ständigen Austausch der Luft in den Innenräumen zu bieten.
Mit diesem Wunsch waren auch die CTA | creative architects in Vietnam konfrontiert, als sie beauftragt wurden, für einen privaten Kunden ein Wohnhaus zu entwickeln. Während des gesamten Designprozesses drehten sich die Diskussionen mit dem Auftraggeber immer um „atmende Wände“ und eine Architektur, die eben 24/7 selbstständig atmen soll. An das Projekt in der Stadt Bien Hoa gingen sie nun folgendermaßen heran: Mit einer Gesamtnutzfläche von fast 300 m2, über zwei Stockwerke reichend, entwarfen die Planer eine Architektur, die sich aus vier Blöcken, verbunden mit Wänden aus luftdurchströmten Ziegeln und geschützt durch eine Lage üppigen Grüns zusammensetzt.
Die vier Körper – leicht zueinander in ihren Achsen versetzt – sind mit einer „gewöhnlichen“ Mauer verbunden, zu einer Einheit zusammengefasst. Diese Umfassungsmauer wirkt wie eine Klammer oder Verpackung, sie ragt an der Südostseite der Architektur etwas vor, bildet hier einen kleinen Vorhof und die Eingangssituation. Allerdings ist diese Mauer – im Gegensatz zu den weiß verputzten, geschlossenen Fassaden der vier Baukörper – aus in unregelmäßigen Konfigurationen übereinander geschichteten Lochziegeln errichtet. Die Ziegel sind entgegen der üblichen Art, quergelegt und so bewirken die Öffnungen (Löcher) in den Ziegelsteinen ein dauerhaftes Durchströmen von Luft und damit das „Atmen“ des Hauses. Außerdem stellen sie eine semitransparente Schicht zum Außenraum dar, erzeugen so das Gefühl einer Verbundenheit mit dem Umraum, mit der Natur, die Grenzen werden verwischt. Die an und für sich feste Materialität des Ziegels wird also durch das Querlegen konterkariert.
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In der Mitte dieser Baukörper ergibt sich ein geräumiger Innenhof/Garten zur Nutzung für die Bewohner. Alle Beschäftigungen und Lebensabläufe wie auch das Kochen finden meistens unter dem Schatten der Bäume – innerhalb und außerhalb der Architektur – statt, ganz wie es der Tradition der vietnamesischen Gesellschaft und der Großfamilie entspricht. Dort, wo sich die Umschließungsmauer mit den vier – in den Ecken positionierten – Baukörpern überschneidet, lässt ein ca. 15 Zentimeter breiter Spalt eine ungehinderte Sicht nach außen zu. Und überall dringt natürliches Licht durch die waagrecht liegenden Löcher in den Ziegeln von außen ein. Die Ziegel sind übrigens sogenannte Fehlbrände der industriellen Produktion, so wird aus einem Abfall ein nachhaltiges Gestaltungsprodukt, das sich auch harmonisch in die Umwelt einfügt und die erste Ebene des „Atmens“ darstellt.
Als zweite Ebene des „Atmens“ dient der üppige Garten mit vielen Pflanzen. Auch er soll die negativen Umwelteinflüsse filtern und eine bessere Luft für die Bewohner und den Innenbereich bieten. Er reinigt die Luft und bietet eine effektive Pufferzone. Zusammen bilden beide Elemente das Äquivalent zu einer normalen Mauer mit dem wesentlichen Unterschied, dass sie die ständige Luftzirkulation sichern und so zu einem gesünderen Klima in den Innenräumen beitragen. Die Architektur benötigt keinerlei Klimageräte oder Ventilatoren – das erledigt die Natur. Es ist immer kühl, hell und freundlich im Inneren. Die Raum- und Funktionsverteilung in den vier Baukörpern entspricht den traditionellen Mustern der vietnamesischen Architektur und Sozietät. Mit der Ausnahme, dass mehr Gemeinschaftsbereiche und Durchblicke geschaffen wurden, um einen besseren und stärkeren Kontakt der Familienmitglieder zu fördern.
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Das Grundstück liegt übrigens inmitten eines durchgrünten Siedlungsgebietes mit kleinen Wohnbauten in der Nähe des Flusses Dong Nai. Es ist eines der Restgartenstücke der ehemaligen Stadt Bien Hoa. Die CTA | creative architects haben bei der Planung darauf geachtet, die bestehende Gartenlandschaft so wenig wie möglich zu zerstören oder zu verändern. Und so sprießen heute auch innerhalb der Mauern unzählige kleine Bäume, Büsche und es entsteht der Eindruck eines tropischen Paradieses. Die zwei Geschosse hohe Umschließungsmauer bildet an ihrer Oberkante das Auflager für eine horizontale Abdeckung, die wiederum aus Netzen und Pflanzen besteht. Somit entwickelt sich das Innere der Architektur zu einem – zwar nicht hermetisch aber doch – abgeschlossenen Bereich, der wie eine grüne Lunge innerhalb des Hauses wirkt. Ständig strömen Frischluft und Naturlicht durch die diffusen Abgrenzungen dieses atmenden Komplexes.
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Wall House
Bien Hoa, Dong Nai, Vietnam
Bauherr: Mr. Hong Anh
Planung: Bui The Long – CTA | Creative Architects
Statik: Viet Tin Phuc Co., Ltd
Grundstücksfläche: 1013,4 m2
Bebaute Fläche: 200,2 m2
Nutzfläche: 291,2 m2
Planungsbeginn: 2018
Bauzeit: 2018
Fertigstellung: 2018
Baukosten: 74.050 Euro
Text: Peter Reischer
Fotos: Hiroyuki Oki
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