Formgebender Stahl

Wie soll mit aufgelassener Industriearchitektur umgegangen werden? Kokai Studio zeigt einen möglichen Weg und gestaltete den Ausstellungspavillon Baoshan Exhibition Center auf einem Areal einer weiteren Eco-City, die in Zukunft in einem Vorort von Schanghai entstehen soll. Der Beitrag Formgebender Stahl erschien zuerst auf architektur-online.

Formgebender Stahl

Wie soll mit aufgelassener Industriearchitektur umgegangen werden? Kokai Studio zeigt einen möglichen Weg und gestaltete den Ausstellungspavillon Baoshan Exhibition Center auf einem Areal einer weiteren Eco-City, die in Zukunft in einem Vorort von Schanghai entstehen soll.

 

 

Ehemals an den Stadtrand gedrängt, befinden sich Industrieareale heute oft inmitten eines funktionierenden, dichten Stadtgefüges und stellen blinde Flecken dar. Vor allem, wenn die Industrieflächen stillgelegt und noch keiner neuen Nutzung zugeführt wurden, sind sie wichtige Reserveflächen für die Stadt.

Im Falle des Baoshan Exhibition Center handelt es sich um ein stillgelegtes Stahlwerk, das in einem Vor­ort nördlich der chinesischen Megacity eine Fläche von etwa 450.000 m² eingenommen hat. Eine enorm große Fläche mit dem Potenzial, einen gesamten Stadtteil entstehen zu lassen. So lautet jedenfalls der Plan. China verfolgt seit längerem den ambitionierten Ansatz der grünen Öko-Städte. Durch die schnelle Urbanisierung sind Stadtteile und ganze Städte in kürzester Zeit entstanden. Die Notwendigkeit, das städtische Lebensumfeld der Bewohnerinnen und Bewohner zu verbessern und einen ökologischen Beitrag zu leisten, wurde längst erkannt, ebenso das wirtschaftliche Potenzial der Eco-Cities.

 

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Eine derartige grüne Eco-City soll auch am Areal des früheren Stahlwerks in Baoshan entstehen. Eine vielfältige Nutzung innerhalb der Gebäude durch Wohnen, Arbeiten, Kultur- und Freizeiteinrichtungen soll hier umgeben sein von einer weitläufigen Naturlandschaft. Nicht nur Grünflächen und Parks prägen diese, sondern auch Moorgebiete, die ein wichtiger Kohlenstoffspeicher sind. Viele der nun versiegelten Flächen werden der Natur zurückgegeben und sind ein wesentlicher Aspekt, um das Areal ökologisch nachhaltiger zu gestalten. Neben der Gestaltung liegt ein Schwerpunkt auch auf der Waste-to-Energy-Anlage, die in Zukunft ihren Standort auf dem Gelände haben wird. Das Ziel sollte dabei sicherlich auch sein, weniger Abfall zu produzieren. Der unvermeidbare Rest kann dann der Müllverbrennungsanlage zugeführt werden.

 

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Um über alle künftigen Entwicklungen des Areals zu informieren, wurde dort bereits ein Projekt umgesetzt. Im Baoshan Exhibition Center wird die Vision des neuen Stadtteils präsentiert und es fungiert auch als erste Anlaufstelle für zukünftige Mieter, Immobilien­entwickler und an dem Projekt und seinen ökologischen Themen Interessierte. Um Platz für diese neuen Entwicklungen zu schaffen, wurde der Großteil der alten Industriegebäude abgebrochen. Nur einige wenige Bauten wurden als Zeugen der Vergangenheit auf dem Areal belassen. Eines dieser Relikte ist der Standort des Baoshan Exhibition Centers, das in den turmartigen Bauteil des früheren Hochofens des Stahlwerkes eingeschrieben wurde. Die Architekten von Kokai Studio verfolgten den cleveren Ansatz, die neuen Räume komplett von der metallischen Struktur zu trennen. Der Ausstellungspavillon ist dadurch konstruktiv und thermisch komplett unabhängig, lediglich sein Volumen orientiert sich an den vorhandenen Zwischenräumen des stählernen Gebildes und nutzt diese vollends aus. Mit seiner transluzenten Erscheinung durch die Polycarbonatfassade kontrastiert er mit dem industriellen Bestand. Er stellt der Schwere der Stahlrohre Leichtigkeit und Flächigkeit gegenüber. Beide Themen dominieren auch den Innenraum. Er ist auf wenige Materialien reduziert und wirkt sehr klar und zurückhaltend. Licht dringt durch die transluzente Gebäudehülle nach innen und umhüllt den Raum sanft. Bei Dunkelheit strahlt das Licht umgekehrt von innen nach außen und setzt so die Stahlstruktur in Szene.

 

 

Bei den maßgebenden gestalterischen Paradigmen ließen sich die Architekten von der Stahlindustrie leiten: modular, flexibel, vorgefertigt, wiederverwendbar. Als Leichtbau konzipiert gibt es die Möglichkeit, den Pavillon abzubauen und an anderer Stelle wieder aufzubauen oder ihn eben auch komplett zu recyceln. Seine Form wurde für diesem spezifischen Ort geschaffen, vielleicht bleibt er also auch an Ort und Stelle bestehen. Die Zukunft wird zeigen, wie sich der Pavillon und auch das gesamte Areal entwickeln. Anhand von Architekturdarstellungen wird die Vision des Gebietes derzeit schon im Ausstellungspavillon vermittelt. Er zeigt auch vorbildlich, wie mit der bestehenden Industriearchitektur umgegangen werden kann. Die architektonische Gestaltung durch Kokai Studio weist auch hierfür einen möglichen Weg in die Zukunft.

 

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Text: Alexandra Ullmann
Fotos: Terrence Zhang

 

 

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