Gott sei Dank!
Kocanda geht auf den deutschen Ausdruck Gott sei Dank zurück. Solange die Menschen sich erinnern können, wurde dieses schöne Fleckchen Erde in dem kleinen südmährischen Dorf Kravsko so genannt. Die Geschichte des zentralen Barockgebäudes reicht bis ins Mittelalter zurück. Damals diente es als Posthalterei auf der Verbindungsstrecke zwischen Prag und Wien. Obwohl in scheinbar seelenloser Idylle gelegen, hat das Areal also schon zahlreiche Reisende begrüßen dürfen.
Das Areal kann auf eine lange und bewegte Geschichte blicken. Im Mittelalter diente das Barock-Ensemble als Posthalterei auf dem Weg von Wien nach Prag. Zwischenzeitlich zog eine Keramikfabrik ein und heute will der neue Besitzer nach einsetzendem Verfall den ursprünglichen Gedanken des Herbergsbetriebs wieder aufleben lassen.
Kocanda geht auf den deutschen Ausdruck Gott sei Dank zurück. Solange die Menschen sich erinnern können, wurde dieses schöne Fleckchen Erde in dem kleinen südmährischen Dorf Kravsko so genannt. Die Geschichte des zentralen Barockgebäudes reicht bis ins Mittelalter zurück. Damals diente es als Posthalterei auf der Verbindungsstrecke zwischen Prag und Wien. Obwohl in scheinbar seelenloser Idylle gelegen, hat das Areal also schon zahlreiche Reisende begrüßen dürfen.
Der Postkutschenhof mitsamt mittelalterlichem Barocksaal wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in eine namhafte Keramikfabrik umgewandelt und um einige Industriegebäude erweitert. In den neunziger Jahren wurde die Produktion allerdings eingestellt, das Objekt wechselte schließlich den Besitzer und der Verfall setzte ein. Gott sei Dank fand sich in Kravsko vor einigen Jahren ein mutiger Käufer, der beschloss, das Kleinod zu sanieren und das Objekt für gesellschaftliche Veranstaltungen und Agrartourismus zu nutzen. Der Komplex soll nach Abschluss aller Maßnahmen über mehrere Säle, eine stetig wachsende Anzahl an Betten sowie eine eigene Küche verfügen.
[See image gallery at www.architektur-online.com]
Das Projekt scheint dem Team von ORA (original regional architecture) wie auf den Leib geschneidert. Mit Sitz in der tschechisch-mährischen Peripherie hat sich das junge Kreativteam auf das Bauen im regionalen Umfeld spezialisiert. “Wir reißen nicht unnötig ab. Wir arbeiten immer mit dem Kontext, suchen nach Wegen, das Neue mit dem Alten zu versöhnen, um die Erinnerungsfragmente eines Ortes zu erhalten”, beschreiben sie ihre Herangehensweise an Projekte wie dieses. Der erste Schritt der Wiederbelebung des geschichtsträchtigen Ortes: Der Umbau des Hauptgebäudes zu einem Gästehaus und die Renovierung des Barocksaals, der für gesellschaftliche Veranstaltungen und Hochzeiten genutzt werden soll.
Die Lage und der Ort scheinen dafür wie prädestiniert. Kein Wunder, dass man bereits im Mittelalter die Vorzüge des Areals als Rastpunkt erkannte: Der Komplex befindet sich auf den Hügeln unweit des Dorfes Kravsko bei Znojmo – einer bekannten Weinbaugegend. Das Kocanda-Gebäude sticht dominierend hervor und bietet weite Ausblicke auf die Umgebung. Bei der Ankunft öffnet sich der Blick über eine großzügige Parkanlage hin zu der würdevoll langgestreckten Hauptfassade, die sogleich die Zeiten offenbart, die das Gebäude bereits überdauert hat. Uralte, windschiefe Bäume schmiegen sich an die Ecken des Hauses, als wollten sie es beschützen, als wären sie eins. Und in den angelegten Beeten wächst üppiges Grün. Ein Platz, an dem man sich sofort zuhause fühlt.
[See image gallery at www.architektur-online.com]
Auf den ersten Blick wird deutlich: Kocanda hat im Laufe der Zeit viele Veränderungen und Umgestaltungen erfahren. Gerade das macht den Ort so lebendig und verleiht ihm eine gewisse Würde – und vielleicht auch einen Hauch von Mysterium. Die Architekten zielten mit ihren Maßnahmen darauf ab, das Gebäude von Störungen zu befreien, um letztlich ein harmonisches Ganzes zu schaffen. Sie wollten die Kompaktheit des ursprünglichen Volumens und auch die ursprünglichen Öffnungen wiederherstellen. Zudem sollten die Repliken der ursprünglichen Fenster vervollständigt werden. Gleichzeitig wollten die Planer den Effekt einer übermäßig retuschierten Optik tunlichst vermeiden. Putzausbesserungen wurden daher nur lokal vorgenommen, was sich in wilden Flecken an der Fassade äußert. Diese Optik ist gewollt, sie soll die Geschichte dieses Ortes für den Besucher auf einen Blick greifbar machen.
Nähert man sich nun im weiten Bogen auf dem gepflasterten Weg gehend dem ehemaligen Postkutschenhaus (früher wäre man natürlich stilecht mit einigen PS im gefederten Wagen vorgefahren), zieht einen die großzügig verglaste Öffnung des Rundbogens geradezu ins Innere. Hier wird man ein paar Stufen erhöht von einem gepflasterten Foyer empfangen, das auf der gegenüberliegenden Seite durch einen ebenso verglasten Rundbogen in Richtung Garten wieder verlassen werden kann. Dreht man sich noch einmal um, wird der Springbrunnen in der Rotunde vor dem Haus wie in ein Bild gerahmt perfekt in Szene gesetzt.
[See image gallery at www.architektur-online.com]
Das Interieur der öffentlichen Räume und Zimmer ist bewusst spartanisch gehalten, wobei es ihnen nicht an Charme mangelt. Die ursprünglichen mittelalterlichen und industriellen Elemente wurden so weit möglich erhalten. Die Architekten setzten zudem auf den Einsatz authentischer Materialien – an einigen Stellen kommen sogar die Originalgemälde zum Vorschein. Türen oder die ornamentalen Holzböden wurden – wo möglich – im Original beibehalten. Wo es einer Erneuerung bedurfte, wurde für den Bodenbelag auf Basalt und Zementfliesen zurückgegriffen. “Es zeigt, wie solide alte Häuser gebaut sind und wie leicht sie sich für neue Funktionen adaptieren lassen. Es ist auch ein Beispiel dafür, wie man mit Brachflächen in der Peripherie umgehen kann”, bringen ORA die Besonderheit von Kocanda auf den Punkt.
[See image gallery at www.architektur-online.com]
Die Rekonstruktion von Kocanda erfolgte mit viel Respekt vor der Geschichte des Ortes. So ist jeder Raum anders. Es gibt Mehrbett-Familiensuiten, Vierbett-, Dreibett- und Zweibettzimmer. Alte Möbel wie Tische, Schränke, Stühle, Waschtische oder historische gusseiserne Badewannen stammen von dort oder wurden nach akribischer Suche aus verschiedenen Teilen des Landes hierher geliefert. So wird überall spürbar, dass man sich in einem alten Haus befindet. Die weißen Wände sorgen für den nötigen Kontrast und verleihen den Räumen Ruhe. Sie dienen zugleich als Galerie für die Original-Gipsformen, die früher für die Herstellung von Keramik verwendet wurden. Diese Fundstücke und gewöhnlichen Gebrauchsgegenstände entwickeln so eine ganz eigene ästhetische Qualität, erinnern zugleich an die Geschichte der Gegend und geben dem Besucher einen Einblick, wie Keramikwaren entstehen.
[See image gallery at www.architektur-online.com]
Zu einem solchen Herrenhaus gehört natürlich auch ein entsprechend gestalteter Garten. Dieser ist in mehrere Abschnitte unterteilt. Vor der Kocanda befindet sich ein repräsentativer Park mit jahrhundertealten Douglasien. Die Landschaftsgestaltung sollte aber auch den spezifischen Charakter der einzelnen Orte des Areals widerspiegeln. Im neuesten Teil der ehemaligen Produktionsstätten befindet sich ein Restaurant, zu dem ein kleiner Nutzgarten gehört. Der ältere Teil der Fabrikanlage ist wiederum von einer informelleren, wilderen Gartengestaltung umgeben. Zum Landschaftsareal gehört auch ein kleiner See, der mit Regenwasser gespeist wird.
[See image gallery at www.architektur-online.com]
Der gesamte Komplex der Kocanda besteht aus Gebäuden aus verschiedenen Zeitepochen, die unterschiedlichen Zwecken gedient haben. Für die Zukunft bleibt also noch viel Potenzial für weitere, behutsame Annäherungsversuche und mutige Zukunftsvisionen. Vom Postkutschenhaus zur Keramikfabrik und zurück zum Ursprungsgedanken der Beherbergung Reisender. Dass ein solcher Ort auf eine solche Weise für die Zukunft erhalten bleibt: Gott sei Dank!
“Ich bin überzeugt, dass jedes Haus, das nicht abgerissen und neu gebaut werden muss, im Prinzip ökologisch ist. Das Gebiet von Kocanda hat im Laufe der Geschichte mehrere Umnutzungen erfahren. Vor ein paar Jahren wurde das gesamte Areal dem langsamen Verfall preisgegeben, obwohl es sich um ein denkmalgeschütztes Kulturdenkmal handelt. Wir haben nur ein weiteres kurzes Kapitel im Leben eines Hauses geschrieben, das auch uns überdauern wird.“
Jan Hora
Kocanda Kravsko
Kravsko, Tschechische Republik
Bauherr: ITVV spol. s.r.o.
Planung: ORA
Mitarbeiter: Barbora Hora, Jan Hora, Jan Veisser
Grundstücksfläche: 956 m2
Bebaute Fläche: 704 m2
Nutzfläche: 956 m2
Planungsbeginn: 2018
Bauzeit: 2 Jahre
Fertigstellung: 2020
Text: Linda Pezzei
Fotos: BoysPlayNice