Historische Gebäude mit Neuanstrich

Um die Attraktivität des Gemeindebaus aufrecht zu erhalten, investiert die Stadt Wien seit 2013 verstärkt in die Sanierung der Objekte. Es handelt sich hierbei um ein Unterfangen, das mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden ist und viel Fingerspitzengefühl voraussetzt.

Historische Gebäude mit Neuanstrich

Einen fixen Platz in der Stadt Wien hat zweifelsohne der soziale Wohnbau. Seit Beginn der 1920er-Jahre fanden die charakteristischen Bauten langsam, aber stetig in allen Bezirken Einzug. Heute dominiert der Gemeindebau ganze Bezirksteile und stellt den Bewohnern dort leistbaren Wohnraum zur Verfügung. Viele der mittlerweile historischen Bauten sind aber durchaus in die Jahre gekommen. Bemerkbar macht sich das nicht etwa nur an deren betagtem Äußeren, sondern gleichermaßen an der mangelnden Wohnqualität in den Bauten selbst. Um die Attraktivität des Gemeindebaus aufrecht zu erhalten, investiert die Stadt seit 2013 verstärkt in die Sanierung der Objekte. Es handelt sich hierbei um ein Unterfangen, das mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden ist und Fingerspitzengefühl voraussetzt.

 


Sanierter Gemeindebau am Friedrich-Engels-Platz
© Peter Gugerell

 

Ein Erbe erhalten

Die Stadt Wien ist Besitzerin von über 2.000 Sozialen Wohnbauten und stellt damit die größte Hausverwaltung der Welt dar. Insgesamt 12,9 Millionen Quadratmeter Wohnfläche vermietet sie in Gemeindebauten. Es handelt sich hierbei zum Teil um großflächig angelegte Siedlungen mit zahlreichen Grünräumen und einem entsprechend großen Baumbestand – jeder vierte Wiener bewohnt hier eine Wohnung. Mit der Sanierung soll also die Lebensqualität in und um die Gemeindebauten gesichert werden. Bereits seit einigen Jahren widmet sich die Bundeshauptstadt diesem Vorhaben intensiv. Das Ziel Wiens besteht darin, zwischen 2013 und 2023 bis zu 7.300 Wohnungen zu sanieren.

Vor allem bei den Gemeindebauten der Zwischenkriegszeit – also bei Wohnanlagen wie dem Otta­kringer Sandleitenhof und dem Brigittenauer Engels­platzhof – handelt es sich um geschichtsträchtige Architektur, die sozial und baukulturell ein wichtiger Bestandteil der Stadt ist. Es ist daher ein Anliegen der Stadtverwaltung, dass die Bausubstanz bei der Erneuerung der Wohnbauten weitgehend unversehrt bleibt. Die Herausforderung für die zuständigen Architekten besteht also darin, in einem bestehenden, historischen Bau neuen Wohnraum zu schaffen, der obendrein den heutigen Anforderungen und Wünschen entspricht. Nur so ist es möglich, das Prinzip des Gemeindebaus auch für zukünftige Generationen zu erhalten – gleichzeitig wird die soziale Durchmischung gefördert. 

Dabei ist es nicht nur für die Lebensqualität, sondern auch zum Erreichen der Klimaziele wichtig, die Wohnanlagen auf den neuesten Stand zu bringen. Wohneinheiten sind zu dämmen und bei der Energieversorgung ist auf nachhaltige und zugleich effizientere Systeme zu setzen – so wurde der Hugo-Breitner-Hof im 14. Wiener Gemeindebezirk im Zuge der Generalsanierung mit einer Solaranlage ausgestattet. Die Wahl der richtigen Materialien spielt beim Umbau eine wichtige Rolle.

 


Sanierter Gemeindebau am Friedrich-Engels-Platz
© Peter Gugerell

 

Mit innovativen Baustoffen zu mehr Wohnqualität

Es bestimmt nicht nur die Anlage der Räume, sondern auch die Wahl der Materialien, ob ein Gebäude „wohnbar“ ist. In diesem Kontext ist anzumerken, dass die Wohnungen in den Gemeindebauten oftmals sehr lange am Stück bewohnt werden. Daher ist es keine Seltenheit, dass sich die zu sanierenden Wohneinheiten noch auf dem Stand der 1930er-Jahre befinden. Laut einem Rechnungshofbericht erfolgt die Sanierung einer Wohnung im Durchschnitt sogar nur alle 67 Jahre. Aus diesem Grund fehlt es heute in einigen Wohnbereichen immer noch an einem Bad oder einer richtigen Küche. Die Herausforderungen für Architekten besteht bei der Sanierung darin, in oftmals sehr kleinen Wohnungen zeitgemäße Standards zu implementieren.

 


Sanierung Goethehof
© Wiener Wohnen

 

Bei der Erneuerung der Gemeindebauten handelt es sich um ein aufwändiges Verfahren. Der Prozess kann – von der Bestandsaufnahme bis zum Projektabschluss – bis hin zu zwölf Jahre in Anspruch nehmen. Doch die meisten Sanierungsphasen sind weder für Mieter noch für außenstehende Personen sichtbar. Viele Maßnahmen finden immerhin hinter den Kulissen statt. Der technische Zustand des Bauwerks entscheidet, ob und wann eine Sanierung durchzuführen ist. Wiener Wohnen erfasst die Beschaffenheit der Bauten alle drei Jahre und bewertet diese. Dabei kommen bei einem 50 Jahre alten Bau andere Kriterien, als bei einem frisch sanierten Gebäude zur Anwendung. Heute erfolgen – gemeinsam mit den erforderlichen Sanierungsmaßnahmen – Ausbauten des Dachgeschosses. Auf diese Weise werden mit der Erneuerung neue Dachgeschosswohnungen errichtet, wodurch der Stadt Wien mehr Wohnraum zur Verfügung steht. Allein im Goethehof wurden so im Jahr 2018, 121 neue Dachgeschosswohnungen realisiert. Auch auf die Gestaltung barrierefreier Zugänge zum Gemeindebau wird Wert gelegt.  

Geht es um die Baustoffe für die Erneuerung der Gebäude, so hat Wiener Wohnen eine klare Anforderung an diese. Die verbauten Materialien müssen neben Nachhaltigkeit auch Widerstandsfähigkeit beweisen. Immerhin sollen die sanierten Wohnungen für lange Zeit Bestand haben. Zur thermischen Dämmung der historischen Putzfassaden eignen sich in erster Linie Wärmedämm-Verbundsysteme. Deren thermische Wirkung ist auch nach 45 Jahren noch gegeben, wobei der ursprüngliche Charakter des Baus weitgehend erhalten bleibt.

 


Sanierung Goethehof
© Wiener Wohnen

 

Sanierung als Priorität

Zur Eile treibt der Rechnungshof derzeit die Stadt Wien an – ihm geht die Sanierung zu langsam vonstatten. Als Grund nennt dieser die Leerstandsquote von vier Prozent. Ein Wert, der laut den Prüfern viel zu hoch und auf die große Anzahl der sanierungsbedürftigen Wohneinheiten zurückzuführen ist. Alleine zwischen 2013 und 2017 stieg die Zahl der leerstehenden Gemeindewohnungen von 4.892 auf 8.908 an – es handelt sich hierbei um einen Anstieg von 82 Prozent. Ein ungenutzter Wohnbereich kommt die Stadt letzten Endes auch teuer zu stehen. Denn pro Wohnung bedeutet dies einen Mietentgang von rund 4.500 Euro im Jahr.

Die Empfehlung des Rechnungshofes an die Stadt Wien besteht darin, die Leerstände auf 4.000 – also auf zwei Prozent – abzusenken. Und dies sei nur durch eine umfassende Erneuerung der Gemeindebauten möglich. Gemäß Branchenexperten handelt es sich bei diesem Richtwert nicht um eine strenge Vorgabe: Denn theoretisch ist im gemeinnützigen Wohnbau eine Leerstandsquote von nur einem Prozent möglich, ohne dass es zu Vergabe-Engpässen kommt.

 


Gemeindebau in der Wiedner Petzvalgasse vor der Sanierung
© Dolores Stuttner

 

Eine Investition in den Städtebau

Nicht alleine aus finanzieller Sicht ist eine Sanierung der Wiener Gemeindebauten für die Stadt erstrebenswert. Die Maßnahme stellt gleichermaßen eine Investition in das Ortsbild dar. Insbesondere Siedlungen großen Ausmaßes haben einen großen Einfluss auf die Stadtgestalt. Wahrgenommen werden die Bauwerke schließlich sowohl von den Bewohnern selbst als auch von Außenstehenden. Und kennzeichnen einen großen Wohnbau eine veraltete bis heruntergekommene Baustruktur samt einer brüchigen Fassade, hat dies auf das gesamte Umfeld negative Auswirkungen. Laut der Broken Windows Theorie nach James Wilson und George Kelling, besteht nämlich ein direkter Zusammenhang zwischen einem verfallenen Stadtteil und kriminellen Aktivitäten. Ihre These illustrierten die US-amerikanischen Sozialforscher mit der Aussage, dass ein zerbrochenes Fenster sofort zu reparieren sei – so ließen sich weitere Zerstörungen in der Umgebung und letzten Endes das Auftreten von Kriminalität verhindern.

Ebendiese Theorie lässt sich auch auf den Wiener Gemeindebau anwenden. Bröckelnde Fassaden und beschmierte Wände können auf eine mangelnde soziale Kontrolle hinweisen. Aus städtebaulicher Sicht ist eine kontinuierliche Erneuerung des gemeinnützigen Wohnbaus, der zum Teil große bauliche Dimensionen hat, also unerlässlich. Letzten Endes empfiehlt auch der Wiener Rechnungshof, sich diesbezüglich an einen Sanierungszyklus von 30 Jahren zu halten.

 


Sandleitenhof Wäscherei
© Walter Anton

 

 

Text: Dolores Stuttner