Künstliche Intelligenz Teil 2: KI für die Baustelle
Die Künstliche Intelligenz (KI) ist im Baubereich angekommen – und beeinflusst damit auch den Planeralltag. Was gibt es schon und was kommt morgen? Dieser zweite Teil stellt KI-Werkzeuge und Projekte für das Management von Bauprojekten und die Bauausführung vor.
Die Künstliche Intelligenz (KI) ist im Baubereich angekommen – und beeinflusst damit auch den Planeralltag. Was gibt es schon und was kommt morgen? Dieser zweite Teil stellt KI-Werkzeuge und Projekte für das Management von Bauprojekten und die Bauausführung vor.
Die Potenziale der KI für das Management von Bauprojekten und die Bauausführung sind vielversprechend, sie setzt aber auch eine gute Daten-Infrastruktur voraus. © Microsoft
Künstliche Intelligenz ermöglicht im Zusammenspiel mit mobilen Cloud-Anwendungen, dem Internet der Dinge (IoT) oder BIM-Modellen innovative Funktionen und Anwendungen in der Bauausführung. Beispiele sind die Echtzeit-Erkennung von Ist-Zuständen und ein automatisierter Abgleich mit Soll-Planungsdaten oder Risikovorhersagen für zeitkritische Prozesse. Mit Hilfe KI-gestützter Bilderkennungs-Algorithmen werden zeitraubende Arbeiten für den Abgleich oder die Dokumentation automatisiert. Durch die Kombination von Internet- und Mobil-Anwendungen sind alle wichtigen Informationen und Funktionalitäten stets und überall verfügbar. Das Internet der Dinge ermöglicht ferner eine Echtzeitverfolgung von Bauprodukten – von der Bestellung, über die Lieferung, Lagerung und die Montage auf der Baustelle, bis zum Gebäude-Rückbau. Dreh- und Angelpunkt ist dabei stets das BIM-Modell. Es ist die Datenbasis der innovativen Anwendungen, wird kontinuierlich mit neuen Informationen angereichert und bildet dadurch eine wertvolle Datengrundlage für die spätere Bauwerksnutzung.
Mit KI-basierenden Analysemethoden lassen sich auch aus 3D-Scans automatisiert Bauteile wie Wände, Böden und Decken, Öffnungen extrahieren. © Aurivus
KI in der Bestandserfassung
Bei der Planung von Neubauvorhaben und erst recht von Projekten im Bestand müssen vorhandene Geländeprofile, Gebäude, Räume oder Objekte berücksichtigt und datentechnisch erfasst werden. Dafür ist eine fotografische und geometrische Erfassung erforderlich – etwa mithilfe von 3D-Laserscannern, 360° Panorama- oder Smartphone-Kameras mit LiDAR-Sensor (Light Detection and Ranging). Das ist ein auf der Laufzeitmessung von Lasersignalen beruhendes Verfahren zur berührungslosen Entfernungsmessung. Ausgewertet werden visuelle Daten über eine spezielle KI-Technologie, Computer Vision genannt, die ein „computerbasiertes Sehen“ ermöglicht. Dabei werden von Kameras aufgenommene Bilder verarbeitet und analysiert, um deren Inhalt zu verstehen oder geometrische Informationen zu extrahieren. KI-basierende Analysemethoden können neben Foto- und Videodaten auch 3D-Punktwolken automatisiert auswerten und so vorstrukturieren, dass sie für die CAD- oder BIM-Planung einfacher und schneller verwertbar sind. Aus den Messdaten extrahierte Informationen über die Art des erkannten Bauteils, z.B. Wand, Stütze, Fenster oder Decke werden mit weiteren Daten – etwa zum Material – verknüpft und daraus ein BIM-Modell generiert. Zu den Anwendungsbeispielen zählt Aurivus. Das Programm erkennt Anhand der Punktwolkenstruktur Architekturobjekte, Einrichtungs- oder Sanitärobjekte, unterscheidet Objektklassen, strukturiert und bereitet Scandaten KI-gestützt so auf, dass BIM-Modelle einfacher und schneller generiert werden können (www.aurivus.com).
Grundlage der verschiedenen KI-Anwendungen auf Baustellen ist beispielsweise die Computer Vision-Technologie, die ein „computerbasiertes Sehen“ ermöglicht und Inhalte erkennt. © Immersight
Das Forschungsprojekt BIMKIT untersucht Möglichkeiten, über Cloud- und KI-Anwendungen, Informationen zu bestehenden Gebäuden und Infrastrukturbauwerken – beispielsweise Pläne, Bilder, Punktwolken oder Textdokumente – auszuwerten, daraus Bauteile und schließlich ein BIM-Bestandsmodell zu generieren. BIM-Daten und KI-Dienste werden dezentral mit Hilfe offener Standards und bestehenden BIM-Systemen auf Basis des europäischen Dateninfrastruktur-Systems GAIA-X zur Verfügung gestellt (www.bimkit.eu).
OpenSpace Capture erfasst und dokumentiert mithilfe handelsüblicher 360°-Kameras den aktuellen Baustellenzustand in einem virtuell begehbaren Modell, das mit Projektbeteiligten online geteilt und mit den Produktvarianten OpenSpace BIM+ und OpenSpace Track ausgewertet werden kann (www.openspace.ai). Weitere KI-Anwendungsbeispiele in der Bestandserfassung sind www.dronedeploy.com, www.imerso.com, www.immersight.com, www.locometric.com, www.navvis.com
Werden aktuelle Baustellendaten mithilfe von KI-Algorithmen interpretiert, analysiert und mit den Planungsdaten abgeglichen, können Unstimmigkeiten automatisiert erkannt werden. © Imerso
KI im Projektmanagement
KI kann auch Projektdaten wie BIM-Modelle, Ausschreibungsdaten oder Bauzeitenpläne auswerten, um potenzielle Verzögerungen oder Ressourcenengpässe im Vorfeld zu erkennen. Darüber hinaus können mögliche Fehler, Konstruktionsmängel oder Montageprobleme erkannt werden, so dass Abhilfemaßnahmen frühzeitig eingeleitet werden können. Das senkt Fehlerquoten, steigert die Ausführungs- und Projektqualität, vermeidet änderungsbedingte Nacharbeiten oder unnötigen Materialverbrauch. Auch Simulationen der Montageablaufplanung können unter Berücksichtigung von Erfahrungen aus vorangegangenen Projekten, Mängel- und Bautagesberichten oder Logistikdaten dabei helfen, Bau- und Montageprozesse zu optimieren. KI-gestützte Risikovorhersagen ermöglichen ferner reibungslosere Abläufe. Dabei werden aktuelle und historische Projektdaten analysiert, um Vorhersagen über zukünftige Ereignisse treffen zu können. Je mehr Daten digital kontrollierter Bauprojekte ausgewertet und vernetzt werden, umso höher ist die Verlässlichkeit der Risikovorhersagen. Maschinelles Lernen und KI-Funktionen verleihen beispielsweise der BIM-Kollaborationsplattform Autodesk Construction Cloud die Fähigkeit, jene risikoreichen Projektmängel frühzeitig zu identifizieren, die sich auf Kosten, Zeitpläne, Qualitäten und die Sicherheit auswirken können. Mit der Erkennung und Minimierung von Risiken soll die KI Planer dabei unterstützen, Verzögerungen, Nacharbeiten und Kosten zu reduzieren (https://construction.autodesk.de).
Fieldwire von Hilti ist eine KI-Baumanagementsoftware, die einen Informationsaustausch zwischen Projektbeteiligten in Echtzeit ermöglicht. Mobile Funktionen wie Aufgabenamangement, Echtzeit-Messaging, Terminplanung oder Bestandserfassung stellen sicher, dass Baustellenmitarbeiter per Mobilgerät auf aktuelle Informationen wie Pläne, Dateien und Aufgaben zugreifen können, auch wenn sie offline sind. KI-Algorithmen fassen Echtzeitdaten aus verschiedenen Quellen zusammen und ermöglichen Einblicke in den Baufortschritt. Smarte Reporting-Werkzeuge visualisieren Trends und Anomalien und erleichtern die Entscheidungsfindung (www.fieldwire.com).
Procore will Baustellenabläufe optimieren und Projektrisiken minimieren. Die cloudbasierte Baumanagement-Plattform bietet einen Projektdatenzugriff für alle Beteiligten, eine einfache mobile Kommunikation sowie Projekt-, Ausschreibungs-, und Ressourcenmanagement-Funktionen für der Verfolgung und Analyse von Baustellen-Aktivitäten. KI-Funktionen optimieren die Informationssuche, Analysen und Risikovorhersagen (www.procore.com). Weitere KI-Anwendungsbeispiele sind www.flexxter.com, https://kyro.ai, www.viact.ai
Individuell einstellbare Toleranzparameter ermöglichen beispielsweise eine Überprüfung von Decken oder Böden auf unzulässige Toleranzen. © Imerso
KI in der Bauausführung
Der Einsatz von KI-Werkzeugen in der Bauausführung zielt vor allem darauf ab, Ausführungsqualitäten, die Termin- und Kostensicherheit zu verbessern, sowie die Bauleitung und das SiGe-Management auf Baustellen oder die Abrechnung zu vereinfachen. Dazu müssen zunächst Ist-Zustände und der Fertigstellungsgrad auf der Baustelle kontinuierlich digital erfasst werden. Das geschieht per Smartphone, Tablet, 3D-Laserscanner, Baustellen-Kamera, per kamerabestücktem Bauhelm, Roboter oder Drohne. So entsteht ein digitales Abbild des aktuellen Zustands vor Ort, das den Baufortschritt, aber auch Abweichungen dokumentiert. Werden die dabei gewonnenen Text-, Foto/Video- oder Messdaten mithilfe von KI-Algorithmen interpretiert, analysiert und mit den Planungsdaten abgeglichen, können insbesondere auf großen Baustellen mit vielen parallel arbeitenden Gewerken Ungenauigkeiten und Planabweichungen, Bauteil- und Ausführungsmängel oder Schäden automatisiert und damit schneller erkannt werden. Abweichungen zwischen dem Bauzeitenplan und dem tatsächlichen Projektfortschritt werden ebenso rasch aufgedeckt. Somit können frühzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet und Probleme behoben werden. Werden smarte, z.B. mit Transpondern für die Nahfeldkommunikation (RFID, NFC etc.) ausgestattete Bauteile eingesetzt, können deren Eigenschaften automatisiert ausgelesen, deren jeweiliger Zustand verfolgt und diese Daten beispielsweise für eine effizientere Bauteilverfolgung und Baulogistik genutzt werden. So lassen sich logistische Prozesse innerhalb und außerhalb von Baustellen optimal steuern. Ein Beispiel für KI-Anwendungen in der Bauausführung ist Imerso. Diese Cloudanwendung setzt auf einfache und schnelle 3D-Scanning-Lösungen, deren Ergebnisse mit dem BIM-Modell abgeglichen und daraus automatisiert Abweichungsanalysen erstellt werden. Individuell einstellbare Parameter ermöglichen eine gewerkspezifische Qualitätskontrolle, beispielsweise bei der Überprüfung von Decken oder Böden auf unzulässige Toleranzen (www.imerso.com).
Der KI-Einsatz auf Baustellen kann Fehlerquoten senken, die Ausführungs- und Projektqualität steigern, änderungsbedingte Nacharbeiten oder unnötigen Materialverbrauch vermeiden. © Hilti, Fieldwire
Auch mit OpenSpace BIM+ können die mit OpenSpace Capture (s.o.) erfassten Baustellendaten mit dem BIM-Modell überlagert und direkt auf der Baustelle verglichen werden. OpenSpace Track verfolgt den Baufortschritt, erkennt automatisiert den Fertigstellungsgrad und hilft so, Bauzeitenpläne einzuhalten (www.openspace.ai). Weitere KI-Anwendungsbeispiele: www.aiclearing.com, www.bimkit.eu, www.buildots.com, www.eskimo-projekt.de, www.contilio.com, www.viact.ai
Werden smarte, z.B. mit NFC-Transpondern ausgestattete Bauteile eingesetzt, lassen sich logistische Baustellenprozesse optimal steuern. © Strabag
KI in der Baurobotik
Bauroboter können in Form von Mauer-, Estrich-, Bohr-, Anstrichrobotern oder 3D-Druckern auf der Grundlage von 3D CAD- oder BIM-Daten Arbeiten ausführen – entweder autonom oder per Fernbedienung unterstützt. Maurer-Roboter können beispielsweise ein komplettes Gebäude in wenigen Tagen mauern. Dabei werden 3D-Baukonstruktionsdaten abgearbeitet, welche die Position der Ziegel vorgeben. Diese werden nacheinander aufgenommen, nach Bedarf auf Maß gebracht, mit Mörtel versehen und einem Teleskoparm präzise an der richtigen Stelle positioniert. Bohrroboter bohren Montagelöcher in der Wand oder Decke und markieren sie anschließend für die verschiedenen Gewerke. Damit entlasten sie Handwerker vor anstrengender Überkopfarbeit, sorgen für mehr Präzision und Sicherheit. Anstrichroboter sind mit einer Reihe von Sensoren und einem 3D-Laserscanner ausgestattet, erfassen ihr Umgebung automatisch, orientieren sich selbstständig und tragen KI-gestützt per Sprühpistole beliebige Oberflächenanstriche auf, wobei Fenster- und Türöffnungen oder andere auszusparende Flächen erkannt und automatisch berücksichtigt werden. Um noch komplexere Tätigkeiten autark ausführen und auch unvorhergesehene Situationen auf der Baustelle meistern zu können, kommen künftig vermehrt KI-gestützte Roboter zum Einsatz, die über mehrere Sensoren und Scanner die Umgebung erfassen und Daten in Echtzeit auswerten. So können auch plötzliche und unvorhergesehene Probleme vor Ort erkannt und in Echtzeit gelöst werden. Beispiele für Robotik-Anwendungen sind www.baubot.com, www.bostondynamics.com, www.cobod.com, www.fischer.de, www.hilti.de, www.kuka.com, www.okibo.com, www.trimble.com
KI-gestützte Bauroboter erfassen über mehrere Sensoren und Scanner die Umgebung, verarbeiten Daten in Echtzeit und können so komplexe Tätigkeiten autark ausführen. © Caparol, Sabine Arndt
Fazit: Chancen und Herausforderungen
Die KI ist auch schon auf der Baustelle angekommen. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielversprechend, die berufsspezifischen, wirtschaftlichen, sozialen oder gesellschaftlichen Folgen sind allerdings noch unüberschaubar. Unklar sind beispielsweise juristische Konsequenzen, wenn eine KI-Anwendung Fehler macht. Auch die dahinterstehende Technik wirft Fragen auf. Als Schwachpunkt kann sich in der Praxis beispielsweise die Qualität der lokal verfügbaren Breitbandnetze erweisen: Da nahezu alle Lösungen Cloud-basiert sind, kann es bei schlechten (mobilen) Internetverbindungen und großen Datenmengen zu Problemen in der Performance kommen. KI-Systeme für die Bestandsdatenerfassung und -analyse oder für das Projektmanagement setzen große Datenmengen voraus, anhand derer sie ihre Algorithmen, etwa zur Mustererkennung, trainieren und optimieren. Je größer diese Datenbasis ist, umso besser sind die KI-Ergebnisse. Welche Quantität und Qualität diese Trainingsdaten allerdings haben, wie sie verknüpft sind und welche Bewertungs- und Entscheidungskriterien herangezogen werden, ist häufig intransparent. Viele der hier vorgestellten Lösungen berücksichtigen zudem nicht immer europäische Standards oder Richtlinien und stammen häufig von Startup-Unternehmen, die sich erst am Markt behaupten müssen.
Link- und Literaturtipps (Auswahl)
www.aecmag.com/ai KI-News vom AECMagazine
www.handwerkdigital.de Themen, Künstliche Intelligenz
Giannakidis, A., Weber-Lewerenz, B., Stolze, D.: KI in der Bauwirtschaft. Einsatzmöglichkeiten für Planung, Realisierung und Betrieb von Bauwerken, Fraunhofer IAO, Eigenverlag, Stuttgart 2021
Haghsheno, S., Satzger, G., Lauble, S., Vössing, M.: Künstliche Intelligenz im Bauwesen. Grundlagen und Anwendungsfälle, Springer-Verlag, Heidelberg 2024
Text: Marian Behaneck