Mit Sport und Spiel bestückte Fassade

Xaveer De Geyter Architects gestalteten in einem ehemaligen Hafenareal von Gent eine Schule mit außergewöhnlichem Erscheinungsbild. Für die diversen Bildungseinrichtungen, die im Gebäude untergebracht werden sollten, war die Grundstücksfläche ziemlich spärlich bemessen. Das rief einen außergewöhnlichen Lösungsansatz hervor, bei dem die Fassade eine zentrale Rolle spielt.

Mit Sport und Spiel bestückte Fassade

Xaveer De Geyter Architects gestalteten in einem ehemaligen Hafenareal von Gent eine Schule mit außergewöhnlichem Erscheinungsbild. Für die diversen Bildungseinrichtungen, die im Gebäude untergebracht werden sollten, war die Grundstücksfläche ziemlich spärlich bemessen. Das rief einen außergewöhnlichen Lösungsansatz hervor, bei dem die Fassade eine zentrale Rolle spielt.

 

 

Vor mehr als fünfzehn Jahren beschloss die belgische Stadt Gent im alten Hafenareal – den Oude Dokken – einen neuen Stadtteil entstehen zu lassen. Seit sich die Hafenindustrie aufgrund des erhöhten Platzbedarfs weiter nach Norden verlagert hatte, war dieses Areal weitgehend ungenutzt und doch aufgrund seiner Lage prädestiniert: nur fünfzehn Gehminuten trennen es vom historischen Stadtzentrum. Eine innerstädtische Verdichtung erfolgt seitdem auf der Grundlage des Masterplankonzeptes vom OMA. Dieses sieht vor, das Areal als attraktive Verbindung zwischen dem Stadtzentrum südwestlich davon und dem Wohngebiet östlich davon zu gestalten. Es setzt städtebaulich auf Durchlässigkeit und auf einen lebenswerten Mix an dicht bebauten und freien Bereichen. Dementsprechend entsteht im Areal des ehemaligen Hafens nun ein einladender Stadtteil am Wasser, der vielfältige Nutzungen in sich vereint: Wohnen, Arbeiten, Bildung, Kultur und Freizeit.

 

 

Eine besondere Stellung nimmt das Schulgebäude mit dem klingenden Namen „Mélopée“ – französisch für Singsang – ein. An zentraler Stelle im Hafenareal direkt am Wasser gelegen, sind im fünfgeschossigen Gebäude mehrere Stätten der Bildung unter einem Dach vereint. Auf der knapp bemessenen Grundstücksfläche von nur etwas mehr als 2.600 m² befindet sich ein Volumen maximalen Ausmaßes. Der Clou: das Volumen ist zweigeteilt in einen geschlossenen und einen offenen Teil. Der eine funktioniert als Gebäude, der andere als Außenraum. Ein Stahlgerüst vereint beides visuell und auch konstruktiv miteinander. Es teilt die Fassade in rechteckige Felder, die beim geschlossenen Gebäudeteil mit transluzenten Polycarbonatplatten und Glasflächen ausgefüllt sind. Beim offenen Bereich sind sie mit einem Stahlnetz ausgekleidet, an dem sich zukünftig Pflanzen empor ranken werden.

 

 

Die im fünfgeschossigen Gebäude unterzubringenden Einrichtungen sollten alle eigenständig und auch im Zusammenspiel miteinander funktionieren. So findet im ersten Obergeschoss ein Kindergarten Platz, eine Volksschule mit musischem Schwerpunkt ist im ersten und zweiten Obergeschoss untergebracht, ebenso wie der Hort. Die dazugehörige Mensa wird gemeinsam von allen benutzt und befindet sich im Erdgeschoss, der doppelgeschossige Speisesaal im ersten Obergeschoss. Den Gebäudeabschluss in den beiden obersten Stockwerken bildet eine Sporthalle.

Die Einrichtungen sind dabei räumlich nicht strikt voneinander getrennt. Sie teilen sich einen Eingangsbereich, sowie der Kindergarten und die Volksschule auch eine Treppe mit Sitzstufen. Über diese erreicht man die Gruppenräume, die entlang der Fassade ringförmig um den zentralen Speisesaal und die Treppe angeordnet sind.

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Das Prinzip der Stapelung ist grundlegend für die Anordnung der Bildungs- und Sportstätten innerhalb des Gebäudes. Nicht zu vergessen sind die benötigten Außenräume in Form von Spielplätzen, Aufenthaltsbereichen und Sportflächen. Deren Formation im offenen Gebäudeteil funktioniert analog zur Schichtung im Gebäudeinneren. Treppen, Ebenen und Rampen sind dort aneinandergereiht und wirken wie in das Stahlgerüst hineingesteckt. Spiralförmig ziehen sich so Sitzbereiche, Rutschen, ein Kräutergarten, Spielbereiche und ein Sportplatz bis zum obersten Geschoss hoch. Durch diese Schichtung entsteht nicht nur ein kompakter und lebendiger Ort an der frischen Luft, sondern auch überdachte Außenbereiche. Diese erlauben auch bei Wind und Wetter sich draußen zu bewegen und zu spielen, ohne dabei nass zu werden.

 

 

Von jedem Geschoss und jeder Einrichtung im Gebäudeinneren ist ein direkter Zugang zu diesem „gestapelten“ Außenraum möglich. Die Kinder verschiedenen Alters können sich also im Gebäude und auch im Außenbereich treffen, miteinander spielen, sich austauschen und voneinander lernen.

Das raffinierte Konzept des Außenraumes bettet das Schulgebäude als wichtigen Baustein für das neue Stadtquartier ein. Er kann nicht nur an Schultagen genutzt werden, sondern steht an Wochenenden und in den Ferien der Nachbarschaft offen. Die Indoor-Sporthalle kann ebenso mitgenutzt werden, sodass die Melopee School nicht nur mit ihren vielfältigen Bildungseinrichtungen, sondern auch mit ihrem Sport- und Bewegungsangebot maßgebend zur Lebensqualität im Stadtteil beiträgt.

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Sport, Spiel und Bewegung sind ein zentrales Thema der Stadtentwicklung für das Gebiet der Oude Dokken. Mehrere Wander- und Fahrradrouten durchziehen den neuen Stadtteil. Eine davon verläuft als öffentlicher Durchgang im Erdgeschoss direkt durch das Gebäude. In Zukunft wird neben dem Schulgebäude einer der grünen Nachbarschaftsparks angrenzen. Visuell sollen dann auch die Außenflächen der Schule mit ihm erkennbar verbunden werden, indem Grün auch am Stahlgerüst emporwachsen wird. Die unkonventionelle Herangehensweise der Xaveer De Geyter Architects bei der Gestaltung der Melopee School interpretiert das Erscheinungsbild von Fassaden neu. Was vor und hinter der Fassade liegt ist räumlich nicht eindeutig festzustellen. Sicher ist aber, dass durch die Grundprinzipien der Kompaktheit und Flexibilität lebendige Räume entstehen. Diese bilden einen Mehrwert für die Menschen, die das Gebäude nutzen, sowie auch für die gesamte Nachbarschaft.

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Melopee School
Gent, Belgien

Bauherr: SO Gent
Architekt: XDGA – Xaveer De Geyter Architects
Mitarbeiter: Xaveer De Geyter, Doug Allard, Karel Bruyland, Thérese Fritzell, Arie Gruijters, Ingrid Huyghe, Willem Van Besien, Stéphanie Willocx
Statik: Ney&Partners

Grundstücksfläche: 2625 m²
Bebaute Fläche: 4360 m²
Nutzfläche: 4630 m² (innen) + 3050 m² (außen)
Planungsbeginn: 2015
Bauzeit: 09/2017 – 02/2020
Baukosten: ca. 10 Mio. € exkl. MwSt.

www.xdga.be

 

 

Text: Alexandra Ullmann
Fotos: Maxime Delvaux