Öffentlicher Innenraum
Öffentlichkeit, Zugänglichkeit, Vielfalt und Respekt vor dem Bestand waren die Paradigmen der Umgestaltung und Erweiterung der Aberdeen Art Gallery durch Hoskins Architects. Sensibel und klar strukturiert helfen sie dem Museum bei seiner Neupositionierung. Der Beitrag Öffentlicher Innenraum erschien zuerst auf architektur-online.
Öffentlichkeit, Zugänglichkeit, Vielfalt und Respekt vor dem Bestand waren die Paradigmen der Umgestaltung und Erweiterung der Aberdeen Art Gallery durch Hoskins Architects. Sensibel und klar strukturiert helfen sie dem Museum bei seiner Neupositionierung.
Aberdeen ist die drittgrößte schottische Stadt mit reichem architektonischen Erbe. Den zahlreichen Granitvorkommen der näheren Umgebung ist es zu verdanken, dass die Stadt in erhabenem Grau erscheint. Gerne wird sie auch als „Silver City“ bezeichnet. Durch den Glimmeranteil im Granit erscheint die Stadt bei Sonnenlicht in silbernem Glanz.
Aus diesem Granitstein ist auch die historische Fassade der Aberdeen Art Gallery, die sich im Herzen der Stadt befindet. An der Union Street gelegen, gehört sie zu dem größten denkmalgeschützten Ensemble Aberdeens. Nicht nur die Architektur im Stil der Neo-Renaissance, entworfen um 1885 vom damals renommiertesten Architekten der Stadt Alexander Marshall Machenzie, zeichnet das Gebäude der Kunstgalerie aus. Auch die Materialwahl der Fassade liefert einen wichtigen Beitrag zum charakteristischen Erscheinungsbild der Stadt – zum grauen Granit gesellt sich hier auch ein rosafarbener.
Die wichtige Stellung des Gebäudes führte 1967 dazu, dass es in die Kategorie A des Schottischen Denkmalschutzes aufgenommen wurde. Die Einteilung erfolgt grundsätzlich in drei Kategorien – A, B und C –, wobei A die höchstbewertete ist. Sie schreibt dem Gebäude eine herausragende architektonische und historische Bedeutung als wichtiges Beispiel einer bestimmten Zeitperiode, eines bestimmten Stils oder eines bestimmten Bautypus zu. Der Zustand der Bausubstanz der Aberdeen Art Gallery entsprach aber leider nicht dem, was man sich für ein Gebäude mit einer derartigen Stellung wünschen und auch erwarten würde. Das Dach war schwer beschädigt, was nicht nur eine Gefährdung der Bausubstanz darstellte, sondern auch für die ausgestellten Exponate im Kunstmuseum. In weiterer Folge war es bei der Organisation von Ausstellungen schwer, Wanderausstellungen und Leihgaben in das Haus zu bekommen. Das Museum benötigte ebenfalls mehr Fläche für Ausstellungen und auch einen dringend notwendigen Personenaufzug, der das obere Geschoss barrierefrei zugänglich machen sollte. In das Gebäude, seine Erhaltung und seine Verbesserung, musste dringend investiert werden.
Vor allem für Kunstmuseen ist es heute äußerst wichtig, sich international zu positionieren, sich durch Leihgaben mit anderen Ausstellungshäusern zu vernetzen und an Wanderausstellungen zu beteiligen. Alleine eine permanente Ausstellung der Sammlung des Museums reicht nicht mehr aus, um genügend Besucherinnen und Besucher anzusprechen. Temporäre Ausstellungen geben die Möglichkeit, sich immer neuen wechselnden Themen zu widmen und so dem Publikum ein immer neues Erlebnis zu bieten. Zu den ursprünglichen Aufgaben des Museums – Sammeln, Bewahren, Forschen und Dokumentieren, Ausstellen und Vermitteln – gesellt sich heute auch das Unterhalten dazu. Außerdem sind nicht alle Aufgaben gleich gewichtet und mit denselben Mitteln ausgestattet.
Bis zur Neueröffnung der Aberdeen Art Gallery 2019 fehlten die Voraussetzungen, sich an diesen internationalen Veränderungen im Museumsbetrieb zu beteiligen. Der schlechte Zustand der Bausubstanz und die fehlenden technischen Ausstattungen machten es unmöglich, die erforderlichen Bedingungen für die Präsentation der Kunstwerke herzustellen. 2009 wurde endlich der Beschluss gefasst, die Modernisierung des Museums in Angriff zu nehmen.
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Durch die Sanierung und Erweiterung sollte nicht nur ein Anziehungspunkt für Kunstinteressierte, sondern auch ein Treffpunkt für die gesamte Öffentlichkeit geschaffen werden. Das Angebot an zusätzlichen Bildungsräumen, einem Veranstaltungssaal, Museumsshop, Cafe und einer Aussichtsterrasse mit herrlichem Blick über die Dächer der Stadt verankern es heute als wichtigen Stadtbaustein von Aberdeen.
Die verschiedenen Bereiche sind nun über separate Erschließungen zugänglich. Sie können zusammen und auch jeder Bereich für sich selbst funktionieren. Dem ursprünglichen Kunstmuseum fehlte es an einem zentralen einladenden Eingangsbereich. Ein solcher wurde von den Architekten direkt beim Eingang geschaffen, indem sie den Raum von dem ehemaligen Hauptstiegenhaus freispielten. Stattdessen wurden mehrere vertikale Erschließungsmöglichkeiten an mehreren Stellen des Gebäudes verteilt, die es erlauben, dass das Kunstmuseum, der Veranstaltungssaal und die Anlieferung für das Museum sich nicht mehr kreuzen und eigenständig funktionieren können. Für die Cowdary Hall, dem Veranstaltungssaal, wurde ein neuer Eingang über den kleinen, kreissegmentförmigen Platz, an dem sich ein Kriegsdenkmal befindet, geschaffen.
Über diese Öffnung des Gebäudes hinaus wurden auch einige Veränderungen in den Räumlichkeiten selbst vorgenommen. Grundlegend war die Aufrüstung der Haustechnik, um in den Innenräumen vor allem die Luftfeuchtigkeit, Raumtemperatur und die Beleuchtungsstärke entsprechend regulieren zu können.
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Für die Besucherinnen und Besucher ist vor allem die stark verbesserte Wegführung durch das Museum relevant. Vom Eingangsbereich gelangt man in einen imposanten Raum in Form eines Peristyls. Die Säulen sind aus verschiedenfarbigen lokalen Granitsorten hergestellt und verweisen auch hier wieder direkt auf den mineralischen Reichtum der Stadt. Präsentiert werden in diesem Raum eine Vielzahl an Skulpturen, was ihm den Namen Skulpturenhof eingebracht hat. Ringförmig um ihn herum sind die Ausstellungsräume des Erdgeschosses und ersten Obergeschosses angeordnet, die alle vom zentralen Skulpturenhof bzw. von dessen Galerie aus betreten werden können. Auch untereinander sind die Ausstellungsräume miteinander verbunden und schaffen so eine Wahlmöglichkeit für die Wegführung durch die Ausstellung. Die Zugänge sind im Bestand durch Portale aus grauem Granit gekennzeichnet. Diese wurden auch für die neu geschaffenen Eingänge und Durchgänge aufgegriffen, sind aber hier aus grau lackiertem Holz interpretiert. Sie sind ein zentrales Element zur Orientierung innerhalb der Ausstellungsräume. Auch die neu geschaffene einläufige Treppe passt sich visuell daran an. Sie befindet sich auf der Rückseite der dem Eingang gegenüberliegenden Wand und führt in die oberen Geschosse. Diese veränderte Position der vertikalen Verbindung ist mehr in den Museumsrundgang integriert, ursprünglich lag sie sehr abgetrennt von diesem direkt beim Museumseingang.
Die Wegführung durch das Museum erfolgt nun auf intuitive Art und Weise, ohne immer wieder nach dem Weg suchen zu müssen. Durch den Einbau eines Personenlifts wurde nun auch Barrierefreiheit im gesamten Gebäude geschaffen.
Der Bestandsbau ist nicht nur auf Vordermann gebracht und verbessert worden, es wurde auch mehr Raum geschaffen. Die früheren zwei Geschosse des Gebäudes wurden jetzt um eine dritte Ebene erweitert. Diese erstreckt sich nicht über die gesamte Fläche des Gebäudes, sondern nimmt hauptsächlich den Bereich über den Museumsräumen ein. Den Ausgangspunkt für die Erweiterung bildete der Skulpturenhof, dessen Volumen nach oben hin erweitert wurde. Eine ovale Öffnung in der Decke schafft eine Sichtbeziehung zum bestehenden Raum und vergrößert ihn gleichzeitig nach oben hin. Sensibel orientieren sich Größe und Proportion des Ovals an der rechteckigen Grundform des Peristyls.
Das neu hinzugefügte oberste Geschoss greift die Anordnung der Galerien des Bestandsgebäudes zwar auf, unterteilt den Raum aber nicht in mehrere kleine, sondern schafft – wie heutzutage üblich – einen großen stützenfreien Raum, in dem nun Wechsel- und Wanderausstellungen Platz finden. Diese Flexibilität der räumlichen Struktur ermöglicht es hier verschiedene Ausstellungsgestaltungen umzusetzen. Über den zentralen Raum der Aufstockung gelangt man auch auf die Aussichtsterrasse, für die alleine es sich lohnt, die Aberdeen Art Gallery zu besichtigen.
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Alles in allem sind das Museum und seine Wegführung nun flexibel und intuitiv geworden. Die Besonderheiten der einzelnen Räume wurden hervorgehoben und gestärkt. Das betrifft vor allem auch den historisch bedeutendsten Raum des gesamten Gebäudes, die Remembrance Hall. Als Pendant im Innenraum zum Kriegsdenkmal in der kreissegmentförmigen Nische im Straßenraum erinnert sie an diejenigen, die in bewaffneten Konflikten ihr Leben verloren haben. Durch die Möglichkeit, diesen atmosphärischen Raum nun von allen vier Seiten zu betreten, wird ihr Charakter als Zentralbau mit der Grundform eines Kreises betont. Auch die ringförmige Galerie im oberen Geschoss wurde zugänglich gemacht. Durch ihre Verbreiterung besitzt sie nun mehr Aufenthaltsqualität.
Den Abschluss des Raumes bildet eine imposante Kuppel, die außen mit grünem Kupfer bekleidet ist. Sie steht in Dialog mit der neuen Aufstockung, die in kupferfarbenes Metall gehüllt ist. Diese steht wiederum in Bezug zum grauen und rosafarbenen Granit der historischen Fassade, passt sich zwar an ihre Farbgebung an, hebt sich durch die Materialwahl aber auch stark von ihr ab.
Die Aberdeen Art Gallery positioniert sich als öffentlicher Innenraum und Ort der Inklusion. So ist das Museum nun barrierefrei zugänglich und bietet im Programm auch Touren in Gebärdensprache und demenzfreundliche Veranstaltungen an. Die Erneuerung der Architektur ermöglicht auch eine Öffnung der Ausstellungspraxis und verfolgt einen Weg in die Richtung, ein Ort für alle zu sein. Sie ist und bleibt ohne Eintrittskosten zugänglich. Als öffentlicher Innenraum nimmt sie somit eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Leben der Stadt ein.
„The rooftop extension establishes an elaborate dialogue with the adjacent Remembrance Hall dome. Its angular plan form and darting roofline are carefully calibrated in key views from nearby streets and from across Union Terrace Gardens, to offer a constantly shifting presence in relation to the granite of the Gallery walls and the green copper of the Remembrance Hall dome for those who move through the city. It is hoped that this new, characterful and enigmatic contribution to the city’s skyline signals the renewal of the institution itself.“
Hoskins Architects, Team in Glasgow
Aberdeen Art Gallery
Aberdeen, Schottland
Bauherr: Aberdeen City Council
Architekt: Hoskins Architects
Mitarbeiter: Alasdair Tooze, Charlotte Collignon, Chris Coleman-Smith, Dan Lowe, Donald Simpson, Douglas Ritchie, Emma Campbell, Gareth Hoskins, Jemma Motaleb, Jerome Wren, Jonathan Middleton, Kirsten Stewart, Lucy Beltran, Mark Kitson, Nick Domminney, Nick Van Jonker, Rory McCoy, Sophie Logan, Thomas Hamilton
Statik: Büro Happold
Grundstücksfläche: 3.152 m²
Bebaute Fläche: 3.002 m²
Nutzfläche: 6.504 m²
Planungsbeginn: 10/2009
Bauzeit: 06/2015 – 02/2019
Fertigstellung: 02/2019
Text: Alexandra Ullmann
Fotos: dapple photography
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