Radikal geöffnet

Pferde, Wagen und Personal waren vor langer Zeit hinter den Mauern einer alten Remise mitten in Basel untergebracht. Während das Haus zuvor lediglich als Nebengebäude diente, sollte es nun als Eigenheim eine neue Funktion bekommen. Andreas Bründler von Buchner Bründler Architekten erwarb den historischen Bestand und widmete sich folglich mit seinem Büro auch dem Umbau. Beherzte Veränderungen und mutige Lösungen brachten dringend benötigtes Tageslicht ins Innere und schufen für den Planer und seine Familie ein zeitgemäßes Zuhause voller Überraschungen.

Radikal geöffnet

Pferde, Wagen und Personal waren vor langer Zeit hinter den Mauern einer alten Remise mitten in Basel untergebracht. Während das Haus zuvor lediglich als Nebengebäude diente, sollte es nun als Eigenheim eine neue Funktion bekommen. Andreas Bründler von Buchner Bründler Architekten erwarb den historischen Bestand und widmete sich folglich mit seinem Büro auch dem Umbau. Beherzte Veränderungen und mutige Lösungen brachten dringend benötigtes Tageslicht ins Innere und schufen für den Planer und seine Familie ein zeitgemäßes Zuhause voller Überraschungen.

 

 

Vom Komparsen zum Protagonisten

In unmittelbarer Nähe der Basler Altstadt zeichnet sich das Projekt in der Missionsstrasse durch seine urbane Ruhelage aus. Es befindet sich in einem grünen Innenhof unweit des mittelalterlichen Spalentors und wird dort von Verkehr und Trubel des Zentrums abgeschirmt – ein seltenes Fundstück. Der 1880 errichtete Bestandsbau ergänzte hier einst eine herrschaftliche Villa. Nachdem das Haupthaus bereits Anfang des 20. Jahrhunderts zugunsten einer neuen Blockrandbebauung weichen musste, folgte nun auch die Umnutzung des ehemaligen Dienstgebäudes, welches zuvor mehrere Besitzerwechsel durchlief und jahrelang als Atelier und Wohnstätte fungierte. Es setzt sich aus einem länglichen Flügel mit Stallungen, Kutschenraum sowie einem Heuboden und einem zweiten Trakt – dessen Giebel zum Garten hin ausgerichtet ist und in dem sich die Wohnbereiche für die Angestellten befanden – zusammen. Eine Bruchsteinmauer trennt die beiden Gebäudeteile voneinander. In südöstlicher und südwestlicher Richtung von den Brandwänden der benachbarten Häuser eingefasst, stellten sich die Nordausrichtung und schlechte Belichtung der Innenräume als größte Herausforderung bei der Revitalisierung dar. Es galt, die vorhandene Struktur bestmöglich zu bewahren und gleichzeitig helle und freundliche Wohnräume zu realisieren.

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Erhalten, ergänzen und ersetzen

Anstatt zimperlich mit der alten Remise umzugehen, wählte das Schweizer Planerteam kühne Maßnahmen und entwickelte so eine abwechslungsreiche Wohnlandschaft, in der es für Groß und Klein jede Menge zu entdecken gibt. In Abstimmung mit der Denkmalschutzbehörde entfernte man Wände, setzte zusätzliche Durchbrüche in Dach und Fassade, erhielt aber zugleich die charakteristischen Merkmale des Bestands. Die historischen Mauern aus Zementstein wurden behutsam saniert und von innen neu gedämmt und verputzt. Sämtliche Öffnungen vergrößerte man und adaptierte sie mit eichengerahmten Fenstern an die zukünftige Nutzung. An der Nordwestseite lässt eine Doppelschiebetüre Innen- und Außenraum fließend ineinander übergehen. Die Führungsschiene der mobilen Verglasung ragt über die Hauptansicht hinaus und führt dazu, dass sich die geöffnete Türe bis in den Garten hinein erstreckt. Auch das Dach stattete man mit zahlreichen Oberlichtern aus und deckte es neu mit Schiefer ein. Erdsonde und Wärmepumpe bilden das Rückgrat des Energiesystems und sollen fortan die nachhaltige Temperierung des Gebäudes garantieren.

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Haus im Haus

Das Innere wurde nach dem Haus-im-Haus-Prinzip transformiert. Dafür behielt man das Tragsystem bei und verstärkte es durch Ortbetonelemente. Die Betonstruktur aus Kalkzement beschreiben die Architekten selbst als überdimensionalen Tisch, der aus vorgespannten Trägern bzw. Unterzügen besteht und auf sechs Stützen lagert. Auf diese Weise ermöglichte man nicht nur große Spannweiten, sondern gestaltete auch die einzelnen Räume des Wohnhauses. Außerdem legte die neue Hybridkonstruktion den Grundstein für geometrische Einschnitte und damit eine offene Raumkomposition: Im Zentrum der Umbauten steht ein gewaltiger, kreisrunder Durchbruch in der massiven Trennwand. Das Loch erstreckt sich über zwei Ebenen und verbindet die zuvor separaten Trakte miteinander. An der Hauptfassade wird das Motiv des Kreises mit einem Bullaugenfenster erneut aufgegriffen.

 

 

Öffnungen für optimale Belichtung

Aufgrund der angrenzenden Brandwände konnte man die geschlossene Südhälfte des Hauses nicht mit Fenstern ausstatten. Abhilfe schaffen dreieckige Ausschnitte in den Geschossdecken des eingestellten Betontisches, die im Bereich der beiden Außenecken des Hauses Platz für zwei Atrien machen. Sie lenken das – von oben durch Dachfenster einfallende – Tageslicht bis ganz nach unten und kreieren eine angenehme Atmosphäre. Auch sonst lockern diverse Durchbrüche in unterschiedlichen Formen die massiven Bauteile auf. Von rund und eckig bis hin zu erkerartig perforieren sie die Betonwände, öffnen die einzelnen Stockwerke zu den beiden Lufträumen und lassen noch mehr natürliches Licht in Schlaf- und Kinderzimmer. Um die alte Holzbalkendecke im Eingangsniveau an die veränderten, strukturellen Anforderungen anzupassen, verwendete man sie als verlorene Schalung für eine Schicht Aufbeton. Zudem wird im ebenerdigen Wohnbereich ein Betonkamin zum besonderen Hingucker, der mitten im Raum wie eine Skulptur von der Decke hängt.

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Wohnlichkeit durch Materialehrlichkeit

Alle drei Etagen des Familiendomizils in der Missionsstrasse werden von der rohen Ästhetik der unverkleideten Materialien geprägt, welche die Geschichte des Bestandsbaus subtil widerspiegeln. Vereinzelt halten auch deutlichere Referenzen an vergangene Tage Einzug, wie z.B. die steinernen Pferdetränken im Badezimmer. Neben hellen Sichtbetonoberflächen in unterschiedlichen Farbtönen sorgen glatt verputzte Wände und geschlämmter Naturstein für haptische Kontraste. Dazu kombinierten Buchner Bründler Architekten warmes Eichen- und Tannenholz – von neuen Einbauten und Details in den unteren Etagen bis hin zu sägerauen Schalungen unter dem Dach. Durch die Lichtschächte und Lücken zwischen der bestehenden Gebäudehülle sowie der tragenden Raumstruktur entstehen unerwartete Blickbezüge und Sichtachsen. Dieser verspielte – und teils radikale – Mix aus Alt und Neu verleiht dem Wohnhaus seinen einzigartigen Charme und schafft für den Planer und seine Familie im Herzen von Basel ideale Voraussetzungen zum Leben.

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Wohnhaus Missionsstrasse
Basel

Bauherr: Privat
Planung: Buchner Bründler Architekten
Statik: Schnetzer Puskas Ingenieure
Bauunternehmen: Mentil Maiorano

Grundstücksfläche: 446 m2
Bebaute Fläche: 114 m2
Nutzfläche: 405.5 m2
Planungsbeginn: 2018
Baubeginn: 2019
Fertigstellung: 2020

www.bbarc.ch

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Text: Edina Obermoser
Fotos: Maris Mezulis