Symbiose aus Kunst und Architektur

Andreas Gruber versteht das dreistöckige Ensemble „Leander“ als Typus für die Weiterentwicklung der Baukultur – Zuhause und Arbeitsraum für drei Generationen in einem. Entstanden ist das Projekt inmitten einer Enklave im Südtiroler Wald in engem Austausch mit dem Künstler Leander Schwazer. Als Inspiration diente die unendliche Säule des Bildhauers Brancusi, wobei die gen Himmel strebende Fassade scheinbar nur durch ein Satteldach am Erreichen desselbigen gehindert wird.

Symbiose aus Kunst und Architektur

Andreas Gruber versteht das dreistöckige Ensemble „Leander“ als Typus für die Weiterentwicklung der Baukultur – Zuhause und Arbeitsraum für drei Generationen in einem. Entstanden ist das Projekt inmitten einer Enklave im Südtiroler Wald in engem Austausch mit dem Künstler Leander Schwazer. Als Inspiration diente die unendliche Säule des Bildhauers Brancusi, wobei die gen Himmel strebende Fassade scheinbar nur durch ein Satteldach am Erreichen desselbigen gehindert wird.

 

 

Die Kunst …

„Die Zusammenarbeit mit dem Künstler und Bauherren Leander Schwazer war in vielerlei Hinsicht besonders und inspirierend“, erinnert sich Gruber. „Normalerweise ist der Entwurfsprozess in der Architektur stark durch funktionale und technische Anforderungen geprägt. In diesem Fall hat die künstlerische Perspektive jedoch eine neue Dimension in das Projekt eingebracht.“ Funktioniert hätte dieses Experiment laut Gruber dank eines offenen Dialoges von Anfang an: Künstlerische und architektonische Aspekte wurden dabei gleichberechtigt behandelt. „Anstatt einem festgelegten Entwurfsprozess zu folgen, haben wir uns auf einen kreativen Austausch eingelassen, bei dem Ideen frei fließen konnten. Diese iterative und interdisziplinäre Zusammenarbeit führte zu einem Entwurf, der nicht nur die funktionalen Anforderungen erfüllt, sondern auch eine starke ästhetische und emotionale Qualität besitzt.“ Das Ergebnis lässt sich als eine Symbiose aus Kunst und Architektur bezeichnen, bei der beide Disziplinen ineinandergriffen und sich gegenseitig befruchten. „Auf diese Weise konnten wir ein Projekt realisieren, das sowohl den praktischen Bedürfnissen als auch den künstlerischen Visionen gerecht wird – eine Erfahrung, die nicht nur das Projekt, sondern auch unsere eigene Herangehensweise an zukünftige Projekte nachhaltig beeinflusst hat.“

 

 

Die Integration von Kunst in den Bau habe sich laut Gruber aber erst mit der Zeit ergeben – dass das Gebäude heute eine solch einzigartige Identität und Ausstrahlung zeigt, ist also auch dem Prozess zuzuschreiben. Der Wunsch des Bauherrn war es, die Kunst organisch und unaufdringlich in die Architektur zu integrieren, sodass sie einen festen Bestandteil des Gebäudes darstellen würde. So wurden Fassadengestaltungen, Innenrauminstallationen und Materialitäten gemeinsam entwickelt und definiert, sodass sie sowohl ästhetische als auch symbolische Bedeutung tragen. Gruber kann für sich dabei drei starke Themen festmachen: „Die Kunstwerke sind nicht nur visuelle Akzente, sondern interagieren mit dem Raum und den Menschen, die ihn nutzen. Das Gebäude profitiert auf mehreren Ebenen von dieser Integration. Erstens schafft die Kunst eine unverwechselbare Atmosphäre, die das Gebäude von anderen unterscheidet und ihm eine starke Identität verleiht. Zweitens fördert sie eine tiefere Auseinandersetzung der Nutzer mit dem Objekt, da die Kunstwerke Geschichten erzählen, Emotionen hervorrufen und zum Nachdenken anregen. Drittens wird die Architektur durch die künstlerischen Elemente bereichert und erhält zusätzliche Dimensionen, die über das rein Funktionale hinausgehen. Insgesamt entsteht durch die Symbiose von Kunst und Architektur ein harmonisches Ganzes, das den Nutzern und Besuchern ein intensiveres und inspirierenderes Raumerlebnis bietet.“

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… und das Wohnen

Leander ist aber nicht nur eine Skulptur, sondern ein lebendiger Wohn- und Arbeitsraum für drei Generationen. Diesen harmonisch zu gestalten, stellte Gruber vor eine besondere Herausforderung: „Unser Ziel war es, ein Haus zu entwerfen, das den Bedürfnissen der verschiedenen Altersgruppen gerecht wird, gleichzeitig aber auch ausreichend Flexibilität für zukünftige Veränderungen bietet. Als Metapher für das Lebensrad wurden die Generationen auf die drei Geschossebenen verteilt. Selbstverständliche weist das Gebäude sowohl private Rückzugsorte als auch gemeinschaftliche Bereiche auf, in denen man sich treffen und austauschen kann und soll. Der Dialog ist in der Familie stark verankert und ein wichtiger Aspekt des Miteinanders.“ Ein zentraler Aspekt des Konzepts ist daher auch die Flexibilität der Grundrisse: Die Räume sind so angelegt, dass sie sich an veränderte Lebenssituationen anpassen lassen.

 

 

Ein weiterer wichtiger Aspekt bedeutete die Einbettung des Gebäudes in die Landschaft – ein von Beginn an zentrales Anliegen während des Entwurfsprozess. „Wir wollten eine harmonische Beziehung zwischen dem Bauwerk und seiner Umgebung schaffen, sodass das Gebäude sich sowohl visuell als auch funktional in das bestehende Umfeld integriert.“ Eine ausführliche Analyse der örtlichen Gegebenheiten wie Topografie, Vegetation, Sonnenverlauf und Blickachsen ergab die Positionierung des Gebäudes, das sich dadurch von außen betrachtet nahtlos in die natürliche Landschaft fügt und von innen heraus Ausblicke eröffnet und das Sonnenlicht optimal einfängt. Um die natürliche Landschaft so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, wurden Außenräume wie Terrassen und Gärten in die Architektur integriert, fließende Übergänge zwischen Innen- und Außenraum lassen das Gebäude Teil der Landschaft werden, anstatt diese zu dominieren. „Entscheidend hierbei war auch die Wahl der Materialien und Farben, die wir bewusst an die natürliche Umgebung und die bestehenden Strukturen angepasst haben“, sagt Gruber und erklärt, dass die Entscheidung, karbonisierte Holzoberfläche als Schutzhülle des Gebäudes zu verwenden, erst im Laufe des Entwurfsprozesses entstanden ist.

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Die Holzverschalung mittels der ursprünglich aus Japan stammenden Technik Shou Sugi Ban oder Yakisugi auszuführen, hat sich für Gruber als äußerst effektive Methode zur Behandlung von Holz bewährt und fasst gestalterische wie funktionale Überlegungen zusammen: „Ästhetisch bietet die karbonisierte Holzoberfläche eine außergewöhnliche und markante Optik. Die tiefe, dunkle Färbung des Holzes verleiht der Fassade eine zeitlose Eleganz und hebt das Gebäude von herkömmlichen Holzverschalungen ab. Gleichzeitig betont sie die natürliche Maserung des Holzes auch den zeitlichen Faktor, der uns im Leben begleitet. Die Fassade nimmt, je nach Lichteinfall, unterschiedliche Nuancen an. So wird eine subtile, aber eindrucksvolle Präsenz geschaffen.“ Darunter verbirgt sich ein Ziegelbau. Andreas Gruber legt in seiner Arbeit grundsätzlich großen Wert auf die Vereinfachung und Reduktion von Bauelementen: „Die Entscheidung für Ziegel basierte auf deren Langlebigkeit, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Ziegel speichern Wärme, tragen zu einem ausgeglichenen Raumklima bei und reduzieren den Energiebedarf für Heizung und Kühlung. Ihre Herstellung aus lokal verfügbarem Ton minimiert Transportwege und CO2-Emissionen, und am Ende ihrer Lebensdauer sind sie vollständig recycelbar.“

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Wohnhaus Leander
Pfitsch, Italien

Bauherr: Angelika Messner, Michaela Stolte, Leander Schwazer
Planung: Dr. Arch. Andreas Gruber
Team: Michele Cappellotto
Statik: Dr. Ing. Gianluca Cordani

Grundstücksfläche: ca. 1.050 m2
Nutzfläche: 240 m2
Baufläche: 130 m2
Planungsbeginn: 2020
Bauzeit: 15 Monate
Fertigstellung: 2023
Baukosten: 600.000 EUR

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Text: Linda Pezzei
Fotos: Gustav Willeit