Zurück in die Steinzeit
Die Architekten des Pariser Büros Carl Fredrik Svenstedt Architecte sanierten und erweiterten die Delas Frères Weinkellerei und beweisen eindrucksvoll, dass Innovation im Bauwesen nicht zwingend neu und unbekannt sein muss. Anstatt Hightech setzten sie mit Stein auf ein altbekanntes Material, das dem Ensemble neuen Glanz verleiht und optimale klimatische Bedingungen für die Weinproduktion und -lagerung bietet. Der Beitrag Zurück in die Steinzeit erschien zuerst auf architektur-online.
Die Architekten des Pariser Büros Carl Fredrik Svenstedt Architecte sanierten und erweiterten die Delas Frères Weinkellerei und beweisen eindrucksvoll, dass Innovation im Bauwesen nicht zwingend neu und unbekannt sein muss. Anstatt Hightech setzten sie mit Stein auf ein altbekanntes Material, das dem Ensemble neuen Glanz verleiht und optimale klimatische Bedingungen für die Weinproduktion und -lagerung bietet.
Der Traditionsbetrieb Delas Frères befindet sich in einer beliebten und bekannten französischen Weingegend südlich von Lyon. Dort fügt er sich mitten in die urbane Struktur von Tain-l’Hermitage und damit in einen eher unkonventionellen Kontext für eine Weinkellerei ein. Erst durch die umgebende, terrassierte Landschaft, die die Gemeinde an der Rhône rahmt, erschließt sich die Lage. Carl Fredrik Svenstedt Architecte vereinten für das Unternehmen Exposition, Lager, Produktion und Gästebewirtung in einem baulichen Ensemble aus Alt und Neu.
Das Projekt entwickelt sich rund um ein großes Herrenhaus am westlichen Rand des Grundstücks, das zu einem idyllischen Garten hin orientiert ist. Im Zuge der Sanierung und Erweiterung brachten die Architekten die alten Mauern auf Vordermann und verwandelten das Bestandsgebäude in ein Gästehaus mit Restaurant, Degustationsräumen, einem Weinkeller und Gästezimmern mit Blick ins Grüne.
Das Haupthaus wurde um zwei weitere, neue Bauten ergänzt. Sie sind an der Nord- bzw. der Südseite der Parzelle positioniert und fassen nun den Innenhof ein, der inmitten des Gebäudetrios als kleine, private Ruheoase fungiert. Im kleineren der beiden Trakte ist ein Weinshop untergebracht. Neben seiner pavillonartigen Gestaltung fällt er vor allem durch seine, dem Garten zugewandte, Längsfassade auf. Diese legt sich in Form einer kreisrunden Ausnehmung behutsam um einen bestehenden Baum. Raumhohe Glasflächen lassen Innen und Außen fließend ineinander übergehen und setzen die dahinterliegende Verkaufsfläche in Szene. Im zweiten Neubau im Süden ist der neue Weinkeller untergebracht. Besucher können hier mehr über den Produktionsprozess erfahren und schließlich den Ausblick auf die Weinberge von der Dachterrasse aus genießen.
Mithilfe von Stein fassten die Planer die einzelnen Trakte des Weinbetriebs zu einer stimmigen Einheit zusammen. Er kommt nicht nur als oberflächliche Veredelung zum Einsatz, sondern bestimmt außerdem Konstruktion, Optik und Außenbereiche der Delas Frères Gebäude. Im Shop-Pavillon prägen massive Sandsteinblöcke sowohl die Ansichten als auch die Räume. Sie lenken mit unterschiedlichen Ausrichtungen die Blicke in den Garten hinaus und aus ihm hinein und werden von raumhohen Verglasungen unterbrochen.
Der Hofansicht des neuen Weinkellers setzten die Architekten eine repräsentative Hülle aus 50 cm dickem, hellem Sandstein vor. Diese wird mit rund 80 m Länge zum Aushängeschild und Highlight des Projekts. Die Fassade ist robotergefertigt und besteht aus über 300 Steinblöcken, die über Stahlseile verankert wurden. Sie legen sich, trotz der Massivität des Materials, wie ein weicher Vorhang vor den Bau. Dieser optische Effekt entsteht durch schmale, vertikale Streifen, die sich aneinanderfügen und von oben bis unten durchziehen. Sie sind unterschiedlich geneigt und gekrümmt. Leicht versetzt zueinander positioniert werfen die lamellenartigen Elemente spannende Schatten auf die Ansichten und zeichnen so einen graduellen Verlauf auf die Fassaden, die den Stein fließend und alles andere als schwer wirken lassen.
Zum Garten hin öffnet sich die Fassade in Form von verglasten Streifen. Auch der Eingangsbereich wird von Ausnehmungen im Stein markiert. Durch die Krümmung der Paneele sitzen Fenster und Türen zum Teil tief in den Ansichten und scheinen in den breiten Leibungen fast zu verschwinden. Der Zwischenraum, den die Hülle mit der Lager- und Produktionshalle des Traditionsbetriebs aufspannt, dient als Erschließungszone. Lange Rampen leiten die Besucher durch das Gebäude und gewähren Einblick in die einzelnen Schritte der Weinherstellung. Nach oben hin ist der Bereich verglast. Durch das langgezogene Oberlicht fällt Tageslicht bis nach unten und sorgt für ein angenehmes, helles Ambiente in den Innenräumen. Die geschwungene Steinwand bricht die direkten Sonnenstrahlen und wirft sie indirekt weiter bis in die großflächigen Hallen des Weinbetriebs.
Der poröse Stein verleiht dem Gebäudetrio einen rundum edlen Touch und schafft die idealen klimatischen Bedingungen für die Weinkellerei. Durch seine Masse wirkt der Naturwerkstoff wie ein thermaler Puffer. Er schützt im Winter vor extremer Kälte und hält das Innere in den heißen Sommermonaten angenehm kühl. In Kombination mit Holzoberflächen, Glas und Metall sorgt der Stein in sämtlichen Bereichen für einen funktional schicken Charakter, der die Werte des Traditionsbetriebs authentisch verkörpert.
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Während Beton als sehr beliebter Baustoff bei vielen Projekten nahezu unumgänglich geworden ist, wird Stein oftmals vernachlässigt. In fein gemahlener Form kommt er in der Bauindustrie meist nur in der Betonherstellung zum Einsatz, obwohl er in vielerlei Hinsicht die ökologisch sinnvollere Wahl darstellt. Als Werkstoff ist er in den meisten Fällen nicht nur günstiger und nachhaltiger, sondern zudem feuerbeständig, billig und vielseitig einsetzbar. Stein kann stark und massiv und zugleich leicht und elegant wirken. Während er oft nur als Oberflächenverkleidung Verwendung findet, bietet er speziell als konstruktives Element eine überzeugende Alternative. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass das Naturmaterial im Vergleich zu Beton oder Stahl nicht nachbehandelt werden muss, um witterungs- bzw. feuerbeständig zu sein. Auch zusätzliche Schichten wie Dämmung, Putz oder Fassadenplatten können beim Bau mit Stein eingespart werden. Ein weiteres Plus des Werkstoffs sind seine edle Optik und die gute Performance hinsichtlich des CO2-Fußabdrucks.
Mit dem Projekt machen die Planer rund um Carl Fredrik Svenstedt einmal mehr vor, wie Innovation am Bau einfach gehen kann. Sie beschäftigen sich seit Jahren mit Stein und damit, die Stärken und Qualitäten des altbekannten Materials in eine zeitgemäße Architektursprache zu übersetzen. Statt Hightech heben sie die Vielseitigkeit und Raffinesse des simplen Naturwerkstoffs hervor und weisen damit unter dem Motto „Zurück in die Steinzeit“ den Weg für zukünftige Bauvorhaben.
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Delas Frères Weinkellerei
Tain-l’Hermitage, Frankreich
Bauherr: Champagne Deutz Delas Frères
Planung: Carl Fredrik Svenstedt Architecte
Mitarbeiter: Boris Lefevre, Pauline Seguin, Thomas Dauphant, Marion Autuori, Benoit- Joseph Grange
Landschaft: Christophe Ponceau, Melanie Drevet
Statik: Becamel Mallard
Steinwand: Atelier Graindorge and Stono
Thermische Planung: MAYA
Nutzfläche: 5.000 m2
Planungsbeginn: 5/2015
Bauzeit: 2 Jahre
Fertigstellung: 12/2019
Baukosten: 10.17 Mio €
Text: Edina Obermoser
Fotos: Dan Glasser, Serge Grazia
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