Zurück zum Einfachen

1988 gründeten die Brüder Martin und Christoph Zechner gleich nach ihrem Studium an der TU Graz und dem Diplom bei Günther Domenig das Architekturbüro Zechner / Zechner in Wien und fühlen sich seitdem in der gesamten Bandbreite vom Einfamilienhaus bis zum Büro-Hochhaus und vom Hotel bis zum Bahnhof zuhause. Dabei lassen die Architekten gerne auch einmal die österreichischen Grenzen hinter sich, um im Ausland tätig zu werden.

Zurück zum Einfachen

1988 gründeten die Brüder Martin und Christoph Zechner gleich nach ihrem Studium an der TU Graz und dem Diplom bei Günther Domenig das Architekturbüro Zechner / Zechner in Wien und fühlen sich seitdem in der gesamten Bandbreite vom Einfamilienhaus bis zum Büro-Hochhaus und vom Hotel bis zum Bahnhof zuhause. Dabei lassen die Architekten gerne auch einmal die österreichischen Grenzen hinter sich, um im Ausland tätig zu werden.

 

 

Frühen größeren Aufträgen wie dem Gewinn des ersten Europan Wettbewerbs und des Wettbewerbs für die Bahnhofsverbesserung der ÖBB folgten im Laufe der Jahre zahlreiche Auszeichnungen vom Europäischen Stahlbaupreis über den Brunel Award für außerordentliche Planungen im Bahnbau und die Auszeichnung für vorbildliche Bauten in Niederösterreich bis hin zum „AR-Award for emerging architecture“, dem „Mobilitätspreis Österreich“ oder dem „World Infrastructure Award“. Im Interview spricht Christoph Zechner über die Stadt, Infrastruktur, Mobilität und Verdichtung.

 

Wie müssen wir die Stadt von morgen als Lebensraum Ihrer Meinung nach schon heute denken?

 Ich glaube, es ist wesentlich zu unterscheiden, ob wir von langsam wachsenden Städten sprechen, wie wir sie in Europa haben, oder von explosionsartig wachsenden Städten wie sie in vielen Schwellenländern existieren. In unseren Breiten geht es in erster Linie um eine weitere Steigerung der Lebensqualität unter der Prämisse der Nachhaltigkeit. In rasch wachsenden Megastädten muss zuerst für eine funktionierende Infrastruktur gesorgt werden, um diese nicht kollabieren zu lassen.
Denn viele Probleme unserer heutigen Städte entstanden letztlich durch die räumliche Trennung von Wohn- und Gewerbegebieten. Die Mobilität, die damit mit sich kam, wurde und wird zum großen Teil durch den motorisierten Individualverkehr abgedeckt und resultiert in verstopften Straßen und großem Flächenbedarf für den ruhenden Verkehr. Eine zu geringe Dichte – vor allem in den Speckgürteln der Städte – stellt in meinen Augen ein weiteres Problem dar. Der heterogene Sprawl aus Fachmärkten und Einkaufszentren samt riesigen Parkplätzen frisst Fläche und erzeugt Orte ohne Aufenthaltsqualität.
Die Gebäude einer Stadt sollten dementgegen möglichst flexibel nutzbar sein und einen Mix aus Wohn-, Arbeits-, Einkaufs- und Freizeitflächen ermöglichen. Die Sockelzone muss durch ausreichende Geschosshöhe attraktiv und belebt sein. Bauflächen sind durch höhere Dichten und größere Gebäudehöhen besser auszunutzen. Ein guter Nutzungsmix ermöglicht zudem eine Stadt der kurzen Wege, welche vornehmlich zu Fuß zurückgelegt werden können.
Unterstützt werden kann dies durch eine attraktive Gestaltung des Freiraumes, durch Begrünung und eine attraktive Stadtmöblierung. Längere Wege sollten hingegen vorrangig mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Rad zurückgelegt werden. Auch hier geht es darum, die entsprechende Infrastruktur anzubieten. Dabei ist vor allem die Multimodalität zu unterstützen, um den Wechsel zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln möglichst einfach und angenehm zu organisieren.
Auch die Energieversorgung in den Städten muss verstärkt dezentral aus erneuerbaren Quellen wie Photovoltaik und Geothermie erfolgen und die zentrale Energieversorgung ergänzen. Prinzipiell ist das „Konzept Stadt“ in entsprechender Dichte an sich aber ein sehr nachhaltiges, weil vieles mit geringem Flächenbedarf möglich ist und miteinander verknüpft werden kann.

 


Graz Hauptbahnhof 2020: Im Rahmen des Infrastrukturprojektes erfolgte die Umstrukturierung und Neukonfiguration des Grazer Hauptbahnhofes. Im Zuge der Gleis- und Bahnsteigumbauten wurden ein neuer Personentunnel errichtet und die Bahnsteigüberdachungen erneuert. © PIERER

 

Welche Rolle spielen dabei eine smart geplante Infrastruktur und Mobilität? Wo können wir uns in Österreich da noch etwas abschauen?

 Die Mobilitätsinfrastruktur in Österreichs Städten ist durchaus gut ausgebaut. Nachholbedarf gibt es beim Ausbau der Fahrradinfrastruktur, wo man sich an Städten wie Kopenhagen oder Amsterdam ein Beispiel betreffend Stellenwert, Dimension und des Ausbaus der Radwege und Radabstellanlagen nehmen kann.
Optimierungsmöglichkeiten bestehen auch bei der intermodalen Verknüpfung der Verkehrsmittel. Die betrifft sowohl die räumliche Ausgestaltung und Optimierung von Mobilitätshubs wie auch die Einbindung von Sharing-Diensten. Beim Bau der Nahverkehrsdrehscheibe am Grazer Hauptbahnhof haben wir die unterschiedlichen Verkehrsmittel wie Bahn, Straßenbahn, Busse, Fahrräder, Taxis und Individualverkehr räumlich möglichst nahe verknüpft und durch übersichtliche und attraktive Fußwegrelationen miteinander verbunden. Die barrierefreie Nutzung war dabei selbstverständliche Grundlage.
Eine weitere Optimierung ist durch die Nutzung digitaler Dienste auf der Basis von Echtzeitinformationen möglich. Diverse Apps für Smartphones ermöglichen vereinfachtes Routing und Ticketing und erleichtern so die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. In Zukunft werden On-demand-Systeme, wie beispielsweise die im Rahmen des EU-Projektes FABULOS getesteten autonomen Minibusse in Helsinki in die Mobilitätsketten eingegliedert werden.

 


Marina Tower: Der Wohnturm fungiert als Landmark an der Donau und verbindet durch die Überplattung des Handelskais die Waterfront mit der Stadt. © PIERER

 

Welche Rolle kann und wird die Verdichtung bestehender Strukturen im urbanen wie ländlichen Raum spielen?

 Das Architekturzentrum in Wien zeigte unlängst in der Ausstellung „Boden für Alle“ die Probleme des sorglosen Umgangs mit der wertvollen Ressource Boden auf. Die Auslagerung von Geschäftsflächen aus urbanen Zentren in das billigere Umland frisst den wertvollen Boden und lässt Ortskerne sterben. Dem muss durch konsequente Umsetzung der gesetzlichen Raumordnungsbestimmungen entgegengewirkt werden.
Ein Mittel ist die angesprochene Verdichtung bzw. Umnutzung innerhalb des Bestandes. Auch im Sinne der Nachhaltigkeit ist ein Umbau oder eine Erweiterung eines Bestandes einem Neubau auf der grünen Wiese vorzuziehen. Dabei ist jedoch Bedacht auf historisch gewachsene Strukturen und eine Maßstäblichkeit zum Bestand zu achten. Mit Verdichtungen sollte auch immer ein gemeinschaftlicher Nutzen einhergehen. Dies kann durch Integration von öffentlichen Funktionen oder Verbesserung des angrenzenden Freiraumes geschehen. Im städtischen Raum haben sich dafür die städtebaulichen Verträge zwischen Entwickler und Kommune als probates Mittel bewährt.
Ein wesentliches Instrument zur Verdichtung im städtischen Bereich stellt meiner Meinung nach das Hochhaus dar. Dessen negatives Image in der öffentlichen Meinung, welches man in Zeitungsforen nachlesen kann, ist ungerechtfertigt und rührt wahrscheinlich von Bausünden der jüngeren Vergangenheit her. Die gestalterische Verantwortung bei der Planung eines Hochhauses ist jedoch schon allein aufgrund seiner Größe und starken Präsenz im Stadtgefüge eine höhere als bei Bauten durchschnittlicher Größe. Daher muss die Auswahl der Projekte über Qualitätswettbewerbe erfolgen und in Folge von Fachbeiräten begleitet werden. Ein Beispiel dafür ist unser neues Projekt für die Aspern Seestadt. Wir konnten den Wettbewerb für ein Wohnhochhaus mit Mischnutzung im Sockelbereich gemeinsam mit Vlay Streeruwitz gewinnen. Der Aspern Beirat definiert und überwacht dabei die Qualitätskriterien.
Wichtig ist der begleitende Nutzen für die Allgemeinheit. Beim Marina Tower in Wien geschah dies beispielsweise durch die Überplattung einer stark befahrenen angrenzenden Straße. Dieses öffentliche Deck, welches durch das zentrale Atrium des Towers führt, verbindet nun für Fußgänger das Donauufer mit dem angrenzenden Bezirk und entschärft die ehemalige Barriere.

 


ÖBB Konzernzentrale: Die dynamisch geschwungene Großform des 88 Meter hohen Turms sowie glatte, gerundete Oberflächen sollen Assoziationen an moderne Hochgeschwindigkeitszüge wecken. © PIERER

 

Ein Projekt Ihrer Wahl, das all diese Aspekte vereint oder zumindest wegweisend für einen davon steht?

 Das sich im Bau befindliche Projekt Quadrill auf dem Gelände der Tabakfabrik Linz beinhaltet einige für uns wesentliche Aspekte. Der bereits fertiggestellte Umbau des denkmalgeschützten von Peter Behrens geplanten Kraftwerkes der Tabakfabrik zu einem Veranstaltungszentrum mit Gastronomie und Brauerei zeigt, wie man historisch wertvolle Bausubstanz, deren ursprüngliche Funktion verloren ging, mit neuem Leben füllen kann.
Gleich daneben entsteht anstelle eines nicht mehr genutzten Gebäudes ein Ensemble aus einem Büro- und Hotelhochhaus, Wohn- und Bürohäusern mit Einkaufs-, Dienstleistungs- und Veranstaltungsfunktionen in der Sockelzone. Durch eine hohe Bebauungsdichte wird diese innerstädtische Zone gut genutzt. Alle Bauteile des Ensembles sind jeweils mit mehreren Funktionen gefüllt. Das bedeutet, dass hier Arbeiten, Wohnen, Tourismus, Freizeit und Gastronomie auf kleinem Raum nebeneinander und übereinander stattfinden können. Die höhere Dichte wird mit Grünflächen in mehreren Ebenen und hochwertiger Freiraumgestaltung und der Schaffung autofreier Plätze und Treffpunkte begleitet.
Natürlich ist die gesamte Konzeption von Anfang an auf höchste Nachhaltigkeit ausgelegt. Die Primärenergie für Heizen und Kühlen beziehen wir aus dem Grundwasser, Fernwärme und -kälte werden nur zur Ausfallsicherheit und Spitzenlastabdeckung vorgesehen. Die Beschränkung auf bauphysikalische und energetische Optimierungen greift unserer Meinung nach aber zu kurz. Es geht darum, wie wir in Zukunft arbeiten und wohnen wollen. Wir benötigen Gebäude, die der Gesellschaft und der Umwelt etwas zurückgeben. Unserm architektonischer Anspruch endet daher nicht beim bloßen Erfüllen ökologischer Checklisten. Unsere Häuser müssen Emotionen wecken und Identität bieten. Wir bezeichnen das als emotionale Nachhaltigkeit. Coole Gebäude werden länger genutzt werden als espritlose Häuser.

 


Quadrill Tabakfabrik Linz: Das Projekt soll den Gebäudekomplex der von Peter Behrens entworfenen Tabakfabrik komplettieren. © Zechner / Zechner

 

Wie kann Architektur Ihrer Meinung nach zu einem Umdenken hinsichtlich der Nutzung von nachhaltiger Mobilität beitragen?

 Ein wesentlicher Faktor für eine verbesserte Akzeptanz von öffentlichen Verkehrsmitteln ist die gute Gestaltung von Haltestellen und Mobilitäts-Hubs wie Bahnhöfen. Bereits Anfang der 90er-Jahre haben wir ein erstes Design Manual für die Österreichischen Bundesbahnen entwickelt, in dem prototypische Entwürfe für die wesentlichen Module und Ausstattungselemente beschrieben wurden. Kriterien wie leichte Orientierbarkeit und logische Wegeführung, enge Verknüpfung der Mobilitätskette, barrierefreie Gestaltung sowie Schaffung einer hellen und kundenfreundlichen Atmosphäre wurden definiert und anhand einiger Bahnhofsumbauten wie dem Graz Hauptbahnhof umgesetzt. In weiteren Ausbaustufen konnten wir später den Vorplatz gestalten und die Bahnsteige mit einer Gleishalle überdachen. Peter Koglers Kunstwerke wurden in die Halle und die Bahnsteig unterführung integriert.
Aber auch kleinere Haltestellen wie die S-Bahn-Station Wien Aspern Nord, bei der die Verknüpfung mit der U-Bahnhaltestelle und künftigen P&R-Anlagen wesentliche Themen waren, bedürfen einer gewissenhaften Gestaltung. Die nachhaltigste Art der Mobilität, das Zufußgehen, muss durch qualitätsvolle Freiraumgestaltung und kurze attraktive Wegverbindungen gefördert werden. Das Radwegenetz und die Abstellanlagen für Räder samt Ladeinfrastruktur für E-Bikes sind auszubauen.

 


Tower Flughafen Wien: Der 109 Meter hohe Tower ist an der Haupteinfahrt zum Flughafen situiert und fungiert so als städtebauliches Zeichen mit Signalcharakter. © Härtlein

 

Wenn Sie die Wahl hätten: Neubau oder Verdichtung und warum?

 Das kann nicht pauschal beantwortet werden. Manchmal kann ein Neubau durch die geeignete Wahl der Baustoffe und Haustechnik eine nachhaltigere Lösung über den Lebenszyklus und in Richtung Kreislaufwirtschaft betrachtet bedeuten als ein Um- und Zubau. Das Thema Umbau wird in Zukunft gegenüber dem Neubau aber auf jeden Fall wichtiger werden.

Ein Projekt, das Sie unlängst nachhaltig begeistert hat und warum?

 Der Quay Quarter Tower von 3XN. Die Architekten verwendeten den Kern eines bestehenden Hochhauses aus den 70er-Jahren und erweiterten diesen zu einem neuen Hochhaus. Die Entscheidung für den Umbau statt eines Abrisses sparte über 7.000 Tonnen CO2 ein.

www.zechner.com