3D-Druck im Bestand: Umbauen und restaurieren mit dem Drucker

Seit 2021 werden auch hierzulande Gebäude gedruckt. Doch nicht nur Neubauten – auch An- oder Umbauten können von 3D-Druckern ausgeführt oder defekte historische Bauteile ausgedruckt und ausgetauscht werden. Was leistet der 3D-Druck im Bestand?

3D-Druck im Bestand: Umbauen und restaurieren mit dem Drucker

Seit 2021 werden auch hierzulande Gebäude gedruckt. Doch nicht nur Neubauten – auch An- oder Umbauten können von 3D-Druckern ausgeführt oder defekte historische Bauteile ausgedruckt und ausgetauscht werden. Was leistet der 3D-Druck im Bestand?

 


Nicht nur für Neubauten, auch für das Bauen im Bestand bietet der 3D-Druck Vorteile: Wohnhausaufstockung in Lindau. © Baldauf Gebäudedruck, Bodensee Architektur

 

Mit mobilen 3D-Druckern gefertigte Gebäude entstehen aktuell meist auf der „grünen Wiese“ (architektur 3/22: Häuser in Schichtarbeit). Dort, wo viel Platz vorhanden und wo es eben ist, lassen sich die dafür notwendigen Portaldrucker-Konstruktionen problemlos aufstellen, die stets etwas größer sein müssen als das zu erstellende Objekt. Doch wie sieht es im beengten städtischen Umfeld aus oder bei unebenen Hanggrundstücken? Kann auch dort ein 3D-Drucker eingesetzt werden, um ein bestehendes Gebäude umzubauen oder zu erweitern? Und wie steht es um den historischen Bestand: Lassen sich zum Beispiel nicht oder nur sehr aufwendig zu rekonstruierende schadhafte oder durch Umwelteinflüsse zerstörte Bauteile besser und schneller digital nachmodellieren, ausdrucken und austauschen als mit konventionellen Methoden? Wie hoch ist der Aufwand und wo liegen die Grenzen des 3D-Druckverfahrens im Bestand?

 


Knickarm-Roboter können aufgrund ihrer meist sechs Freiheitsgrade auch komplexe Formen oder schräge Flächen mit höherer Präzision drucken. © KUKA

 

Bauteile oder komplette Gebäude drucken

Gebäude lassen sich auf verschiedene Weise additiv herstellen: Sie können entweder mit stationären Knickarm-Industrierobotern als einzelne Bauteile in der Werkhalle gedruckt und nach dem Aushärten auf der Baustelle von Montagearbeitern zusammengesetzt werden – ähnlich wie bei einem Fertighaus. Oder der komplette Gebäude-Rohbau wird mithilfe einer Portalroboter-Anlage von zwei bis drei Bedienpersonen in wenigen Wochen an Ort und Stelle fertiggestellt. Dabei werden die Objekte nach dem Extru­sionsverfahren additiv aus fließfähigen, nach dem Erhärten statisch belastbaren Materialien Schicht für Schicht aufgebaut. Während der Knick- oder Faltarm-Roboter nur einen beschränkten Bauraum bietet, weil die Reichweite des Roboter-Arms nur wenige Meter beträgt, ist er andererseits sehr präzise und flexibel. Mit seinen meist sechs Freiheitsgraden (Achsen) kann er auch schiefe Flächen fertigen. Die höhere Präzision erlaubt das Arbeiten mit geringen Schichthöhen und breiten. Das ermöglicht gleichmäßige Flächen, formtreue Bauteile und auch andere Oberflächenstrukturen, als die für den 3D-Druck typische Rillenoptik. Zudem können geringere Toleranzen erzielt werden, was die Arbeit nachfolgender Gewerke vereinfacht. Außerdem kommen Knick- oder Faltarm-Roboter auch mit beengten Platzverhältnissen zurecht und eignen sich damit auch für Projekte im Bestand. Auf einer mobilen Plattform montiert, können sie auch größere Objekte realisieren, indem man sie nach Abschluss eines Arbeitsabschnitts versetzt und mit der Fertigung fortfährt.

 


Viel Platz und ebenes Gelände brauchen für An- oder Umbauten eingesetzte Portaldrucker-Konstruktionen, die stets etwas größer sein müssen als das zu erstellende Objekt. © Strabag, Peri

 

Nahezu beliebig große Objekte können Portaldrucker fertigen. Das sind speziell für den Baubereich konzipierte 3D-Drucker, die einer konventionellen dreiachsigen Portalkran-Konstruktion ähneln. Allerdings ist an der „Laufkatze“ anstelle eines Hakens ein Druckkopf montiert, der über flexible Leitungen mit dem Druckmaterial versorgt wird. Portaldrucker mit Bauformaten von zum Beispiel 15 x 10 Metern (Breite x Höhe, bei nahezu beliebiger Länge) sind in der Lage, komplette Gebäude schichtweise in einem Arbeitsgang zu erstellen. Darüber hinaus gibt es auch nach dem Drehkran-Prinzip arbeitende 3D-Druckroboter, die sich vor allem für runde Objekte mit einem Radius von bis zu etwa 7 Metern eignen. Weitere Lösungen bestehen beispielsweise aus kombinierten Portal- und Knickarmrobotern. Auch mit drohnenbasierten 3D-Drucksystemen wird inzwischen experimentiert. Da Portaldrucker das Material stets nur vertikal von oben extrudieren können, lassen sich keine schiefen oder in allen Raumachsen frei geformten Flächen realisieren. Portaldrucker müssen zudem auf jeder Seite etwa zwei bis drei Meter größer sein als das zu druckende Objekt. Deshalb eignen sie sich für bestimmte Einsätze im Bestand nicht – etwa, um in einer engen städtischen Baulücke einen Neu- oder Umbau zu realisieren.

 


Im historischen Bestand wird der 3D-Druck für Modelle zur Veranschaulichung und Lokalisierung möglicher Problembereiche eingesetzt, … © Formlabs

 

Unterschiedliche Druckmaterialien

Die Oberflächenqualitäten und Fertigungstoleranzen werden von der Druckkopf-Spurbreite (1-10 Zentimeter) und der Schichtdicke (1-3 Zentimeter) bestimmt, aber auch vom Druckmaterial. An dieses werden bei allen additiven Fertigungsverfahren besondere Anforderungen gestellt: Es muss einerseits durch Rohrleitungen und die Druckkopfdüse gepumpt werden können, andererseits aber auch schnell härtend sein, damit es für den nächsten Schichtauftrag stabil genug ist. Außerdem müssen sich die Schichten gut miteinander verbinden und im erhärteten Zustand muss ein gedrucktes Bauteil ebenso belastbar sein, wie herkömmliche Baustoffe. Für den 3D-Druck von Gebäuden werden derzeit vor allem eigens dafür entwickelte Spezialbetone verwendet (z.B. i.tech 3D von Heidelberg Materials). Einige Drucker können auch Lehm und Schlamm, teilweise unter Zugabe von recycelten Materialien verarbeiten (z.B. von Wasp). Armieren lässt sich das Druckmaterial mit einer manuell eingebrachten Eisenbewehrung oder mit beigemengten organischen oder anorganischen Stoffen. Die gedruckten Oberflächen können gleichzeitig auch geglättet und in einem nächsten Arbeitsgang verputzt, gestrichen oder anderweitig bearbeitet werden. Im Zusammenhang mit historischen Druckobjekten sind steinähnliche Druckmaterialien wie Sandstein, Marmor oder Keramik von besonderem Interesse. Sie werden im denkmalpflegerischen Bereich für die Fertigung von Repliken historischer Ornamente oder Skulpturen verwendet. Synthetischer Sandstein kann beispielsweise per Materialextrusion hergestellt werden. Dieser hat ohne eine thermische Nachbehandlung alle für die Anwendung in der Denkmalpflege erforderlichen Eigenschaften. Darüber hinaus soll er die Umwelt weniger belasten als Bauteile aus Keramik oder Zement. Einige Unternehmen haben sich inzwischen auf den 3D-Druck steinähnlicher Materialien spezialisiert, beispielsweise Conct3de, WZR Ceramic Solutions oder Unipor.

 


… ferner für den Ersatz fehlender oder die Ausbesserung komplexer Bauteile, wie etwa des figürlichen Schmucks historischer Gebäude … © Voxeljet

 

Weitere Druckverfahren

Neben dem Extrusionsverfahren – das ist derzeit das am häufigsten verwendete additive Fertigungsverfahren für die Vor-Ort-Produktion von Gebäuden – gibt es noch zahlreiche weitere Druckverfahren, die teilweise auch im bauhistorischen Kontext zum Einsatz kommen. Ganz grob lassen sich 3D-Druckverfahren in die Feststoff-, Pulverbett-, Freiraum- und Flüssigmaterialverfahren unterteilen. Diese werden weiter unterteilt, beispielsweise in das Selektive Lasersintern, das Selektive Laserschmelzen oder das Direkte Metall-Lasersintern. Letzteres und das Pulverbett-Verfahren kommen beispielsweise häufig bei der Herstellung von Repliken aus Metall zum Einsatz. Dabei werden etwa historische, nicht mehr erhältliche Tür- oder Fenstergriffe zunächst gescannt, daraus 3D-Modelle erstellt und schließlich Daten für die Ansteuerung von 3D-Metalldruckern generiert. So lassen sich Einzelstücke oder Kleinserien kostengünstiger herstellen als mit konventionellen, handwerklichen Methoden. Darüber hinaus können die Druckobjekte bei Bedarf bei gleicher Stabilität leichter gemacht werden, etwa indem sie im Innern Hohlräume oder Gitterstrukturen erhalten. Nahezu alles ist druckbar: Kunststoff- und Metallstrukturen, Glas- oder Keramikwerkstoffe, Stein- oder Holzwerkstoffe, elastische, transparente oder transluzente Kunststoffe oder andere Materialien. Die Baugrößen sind abhängig von der Art und Größe des Druckers und liegen bei etwa 400 x 250 x 200 mm, bis zu 4 x 2 x 1 Metern und mehr (L x B x H). Professionelle Industriedrucker bieten nicht nur eine sehr vielfältige Druckmaterial-Auswahl, sie sind auch sehr präzise. Gängige Schichtdicken liegen zwischen 0,5 bis 0,001 mm, so dass etwa eine nachträgliche Glättung von Oberflächen entfallen kann, respektive auch feine Bearbeitungsspuren der Originaloberfläche wiedergegeben werden können.

 


… oder für die Herstellung von Repliken im Denkmalschutz. Die Druckobjekte können zudem durch Aufteilung oder Hohlräume leichter gemacht werden, was die Handhabung und Montage vereinfacht. © Voxeljet

 

3D-Druck im historischen Kontext

Derzeit werden additive Fertigungstechniken im historischen Bestand vor allem in der Restaurierung und Sanierung eingesetzt. Das Anwendungsspektrum reicht vom Druck von Modellen zur Veranschaulichung von Sanierungsmaßnahmen und Lokalisierung möglicher Problembereiche bis hin zum Ersatz fehlender, respektive zur Ausbesserung schadhafter historischer Bauteile oder der Herstellung von Repliken im Denkmalschutz, um etwa Originale vor weiterer Zerstörung durch Umwelteinflüsse zu bewahren. Bevor das Objekt vom Handwerker, einem Holz- oder Steinbildhauer, ausgeführt wird, lassen sich anhand eines gedruckten 3D-Modells Sanierungsmaßnahmen besser beurteilen und potenzielle Ausführungs- und Einbauprobleme erkennen. Da für die wertvolle historische Bausubstanz herkömmliche Abformtechniken mit Gips oder Silikon häufig nicht in Frage kommen, werden für die Herstellung originalgetreuer Nachbildungen oder Kopien stattdessen digitale Erfassungs- und Fertigungsverfahren eingesetzt. Der Nachbau bestehender Objekte mithilfe digitaler Erfassungs-, Konstruktions- und Fertigungstechniken wird als „Reverse Engineering“ bezeichnet und kommt im denkmalpflegerischen Bereich bereits häufig zum Einsatz. Das berührungslose 3D-Scannen und der anschließende additive Aufbau – beispielsweise im 3D-Sanddruckvefahren zur Herstellung von Gussformen – hat viele Vorteile. Es schützt das Original, bietet vor dem Druck eine Möglichkeit zur Modifikation des Druckobjekts – etwa um beschädigte oder fehlende Bereiche zu ergänzen – und ist weniger zeit- und kostenaufwendig. Besonders große Bauteile – etwa Reliefs oder Statuen – werden vor dem 3D-Druck in mehrere Teile aufgeteilt und später zusammengesetzt. Das ist zum einen wegen der vom Druckverfahren abhängigen maximalen Bauräume notwendig, vereinfacht zum anderen bei großen Abmessungen und Gewichten die Handhabung und Montage der fertigen Bauteile. Um eine gewünschte Optik und Haptik sowie typische Werkzeug-Bearbeitungsspuren der Bauteiloberflächen zu erhalten, ist sowohl bei der digitalen Erfassung als auch Fertigung eine hohe Detailtiefe und Präzision erforderlich. Alternativ lassen sich die Druckbauteile auch manuell mit unterschiedlichen Werkzeugen und Verfahren nachbearbeiten oder beschichten.

 


Die Geometriedaten für den 3D-Druck werden entweder nach Vorlagen am PC konstruiert oder per Scanner erfasst und anschließend modelliert. © Leica Geosystems, Hexagon

 

Fertigungstechnik mit viel Potenzial

Der 3D-Druck steht noch am Anfang – erst recht im Bestandsbereich. Die additive Fertigung eröffnet insbesondere im historischen Baubestand neue Möglichkeiten, ist in vielen Fällen schneller und kostengünstiger und kann zur Ressourcenschonung beitragen, weil nur das für den Druck benötigte Material verbraucht wird. Teilweise können auch an Ort und Stelle vorhandene Materialien, bei der konventionellen Produktion anfallende Materialreste oder recycelte Materialien verwendet werden. Der 3D-Druck von Recyclingmaterial ist derzeit zwar noch eine technische Herausforderung, angesichts der zunehmenden Rohstoffverknappung aber auch eine Chance dieser Technik.

 


Das berührungslose 3D-Scannen und die anschließende Fertigung, beispielsweise im 3D-Sanddruckvefahren zur Herstellung von Gussformen schont wertvolle Bausubstanz. © Voxeljet

 

Link- und Literaturhinweise

www.3d-grenzenlos.de Online-Magazin, Dienstleister etc.
www.3dnatives.com/de Nachrichten, Infos, Übersichten
www.3druck.com Online-Magazin
www.wikipedia.at Suche: 3D-Druck im Bauwesen
am.vdma.org VDMA-AG Additive Manufacturing

[1] Grasser, G.: Anwendungsmöglichkeiten des 3D-Betondrucks im Bauwesen, aus: OIB aktuell 2/2021, Österreichisches Institut für Bautechnik, Wien,
Download: www.philippaduatz.com/wp-content/uploads/2021/03/61.pdf

[2] Kloft, H. u. a.: Additive Fertigung im Bauwesen, aus: Bautechnik  3/2021, Ernst & Sohn, Berlin           

[3] PERI (Hrsg.): Bauen neu gedacht. PERI 3D-Betondruck in der Architektur, Weißenhorn, 2020,
Download: www.peri.de/produkte/3d-betondruck.html

[4] Partschefeld, S. u. a.: Additive Fertigung mineralischer Formkörper zur Nachbildung von Natursteinen für die Denkmalpflege, aus: Bausubstanz 1/2022, Fraunhofer IRB, Stuttgart

 

 

Text: Marian Behaneck, Sophie Ponton