Additive Fertigung: Drucken statt bauen

Die additive Fertigung, auch „3D-Druck“ genannt, gehört zu den digitalen Schlüsseltechnologien. Im Architektur- und Baubereich werden inzwischen Möbel, Bauteile oder komplette Gebäude gedruckt. Was sind die Vorteile, wo liegen die Grenzen? Der Beitrag Additive Fertigung: Drucken statt bauen erschien zuerst auf architektur-online.

Additive Fertigung: Drucken statt bauen

Die additive Fertigung, auch „3D-Druck“ genannt, gehört zu den digitalen Schlüsseltechnologien. Im Architektur- und Baubereich werden inzwischen Möbel, Bauteile oder komplette Gebäude gedruckt. Was sind die Vorteile, wo liegen die Grenzen?

 

3d_Druck Gebäude
Additive Verfahren zur Herstellung großer Bauteile oder kompletter Gebäude werden sowohl Prozessabläufe als auch Gestaltungsmöglichkeiten im Baubereich revolutionieren.
© Contour Crafting Corporation

 

Mit immer besseren Druckqualitäten und sinkenden Preisen etabliert sich die additive Fertigung (auch Generative Fertigung, Rapid Prototyping oder 3D-Druck genannt) zunehmend auch im Baubereich. In einigen Planungsbüros stellen 3D-Drucker nicht nur Modelle, sondern auch Muster oder Prototypen, Einzelstücke oder Kleinserien von Möbeln oder Designobjekten her. Was können 3D-Drucker mittlerweile, welche Verfahren, Möglichkeiten und Grenzen gibt es und wann sind 3D-Druckdienstleister eine Alternative?

Was leisten 3D-Druckverfahren?
Im Unterschied zur konventionellen Fertigung werden bei additiven Fertigungsverfahren Objekte nicht durch Umformen, Trennen oder Zerspanen eines Werkstücks, sondern additiv aus einem flüssigen, pulverförmigen oder festen Ausgangsmaterial aus Kunststoff, Kunstharz, Keramik, Metall oder vielen weiteren Materialien mit Hilfe chemischer und/oder physikalischer Prozesse Schicht für Schicht aufgebaut. Es können sowohl statische Objekte aus unterschiedlichen Materialien oder Farben als auch bewegliche Funktionsmodelle in einem Arbeitsgang gefertigt werden. Die Objekte können auch transparent oder elastisch sein. Die Fertigungsqualität hängt ab von der Genauigkeit und Oberflächenbeschaffenheit und diese wiederum von der dreidimensionalen Druckauflösung in X-, Y- und vor allem in Z-Richtung (Schichtdicke) des Ausgabegerätes. Die Modelldaten neuer Objekte werden mit CAD- oder Modellierprogrammen generiert, bestehende Objekte werden mit 3D-Hand- oder Stativscannern erfasst. Steht der 3D-Drucker neben dem CAD-Arbeitsplatz, ist das Prototyp-Modell schneller verfügbar und Varianten lassen sich mit weniger Aufwand entwickeln, da sich die Objektdaten vor dem Druck beliebig individuell verändern lassen. Nahezu alles ist druckbar: Kunststoff- und Metallstrukturen ebenso wie filigrane Konstruktionen oder massive Bauteile aus Stein- oder Betonwerkstoffen, teilweise mit Eisen-, Glasfaser- oder Textilarmierung, oder der Beimischung recycelter Materialien etc. Mechanische oder elektrische Bauteile, medizinische Implantate, Schuhe, Kleidungsstücke, Schmuck oder spielbare Musikinstrumente lassen sich ebenso drucken, wie essbare Lebensmittel oder bewohnbare Häuser.

 

Ultimaker 2 Industrieller 3d-Drucker
Experten zufolge wird sich der 3D-Druck als Ergänzung und Erweiterung der konventionellen Fertigung etablieren. Die Palette der 3D-Drucker reicht von kleinen, einfach bedienbaren Desktop-Druckern bis zu professionellen, industriellen Anlagen, die auch größere Bauteile oder Gebäude drucken können.

 

Welche Vor- und Nachteile hat der 3D-Druck?
3D-Druckobjekte können individuell gestaltet und sofort ausgedruckt werden. Sie sind mehrfach reproduzierbar und in Kleinserien bis zu einer bestimmten Stückzahl wirtschaftlicher als konventionell hergestellte Produkte. Das gilt insbesondere für komplexe Objekte, denn die Wirtschaftlichkeit additiver Fertigung steigt mit der Komplexität der Objektgeometrie. Für komplex geformte, amorphe, organische oder bionische, von der Natur inspirierte Strukturen, oder mit generativen Designverfahren erzeugte Objekte, ist die additive Fertigungstechnik das einzige wirtschaftliche Fertigungsverfahren. Der 3D-Druck schont auch Ressourcen, denn es wird nur das für den Druck benötigte Material verbraucht, das allerdings nicht immer umweltfreundlich ist. Die additive Fertigung bietet vor allem unbegrenzte gestalterische und konstruktive Freiheiten: So können mit konventionellen Methoden nicht oder nur sehr aufwendig herzustellende Objekte mit Hinterschneidungen, Hohlräumen etc. realisiert werden. Bauteile können dabei partiell mit bestimmten mechanischen oder thermischen Eigenschaften versehen werden, damit Kräfte und Spannungen optimal abgeleitet werden. Die Einzel- und Kleinserienfertigung oder der Druck nicht mehr erhältlicher Ersatzteile stellen allerdings höhere Ansprüche – etwa an die mechanische Festigkeit, statische oder thermische Belastbarkeit, Beständigkeit gegenüber Flüssigkeiten oder chemischen Stoffen etc. Das schränkt die Auswahl der Druckverfahren und ‑werkstoffen ein. Grenzen setzen auch die Produktionszeiten, die bei weitem nicht mit der Massenproduktion mithalten können. Auch die Druckkosten sind mit 60 bis 400 Euro pro Kilogramm für das Druckmaterial, bzw. 0,5 bis 5 Euro pro Kubikzentimeter gedrucktem Volumen hoch. Deshalb bieten sich vor allem für kleinere Druckaufträge (Online-)Dienstleister an, die 3D-Druckobjekte in der gewünschten Materialqualität drucken und per Post liefern (siehe auch architektur 6/2018: „Druckfrisch geliefert“).

 

Maker Bot
Die Modelldaten des zu druckenden Objektes werden über CAD- und Modellierprogramme generiert oder per 3D-Scanner erfasst. © Maker Bot

 

Welche Druckverfahren und Drucker gibt es?
Additive Fertigungstechniken werden grob in die Kategorien Pulverbett-, Freiraum- und Flüssigmaterialverfahren unterteilt. Zu den Pulverbettverfahren zählen beispielsweise das Selektive Laserschmelzen (SLM) oder Lasersintern (SLS), zu den Freiraumverfahren das Fused Deposition Modeling (FDM) oder das Contour Crafting (CC). Wichtige Beispiele für Flüssigmaterialverfahren sind das Digital Light Processing (DLP) und die Stereolithografie (SLA). Daneben gibt es zahlreiche weitere Schichtbauverfahren, wie etwa den Holz-, Stein- oder Betondruck. Die Funktionsweisen sind ähnlich: Entweder wird über einer mit Flüssigkunststoff oder Metall-/Kunststoffpulver gefüllten Kammer eine von einem Schrittmotor gesteuerte Lasereinheit geführt. Dort, wo der Laserstrahl die Konturen des Bauteils abfährt, erhärtet das Druckmaterial schichtweise. Oder das Material wird direkt aus einer Druckkopfdüse schichtweise aufgebracht und erhärtet selbstständig. Eine Vorrichtung senkt die erhärtete Schicht ab, beziehungsweise der Druckkopf hebt sich. Anschließend fährt der Laser oder Druckkopf die Kontur erneut nach, bis eine neue Schicht fertig ist. Auf diese Weise entsteht schichtweise von unten nach oben das Objekt, das anschließend gegebenenfalls gehärtet, gereinigt, getrocknet, geglättet, lackiert, respektive von Stützkonstruktionen befreit werden muss. Das Angebot an 3D-Druckern ist mittlerweile unüberschaubar. Die Spanne reicht von kleinformatigen Home-Druckern für Privatanwender mit Baugrößen (L x B x H) bis etwa 250 x 200 x 150 Millimetern ab 500 Euro, über Profi- oder Desktopdrucker für CAD-Konstruktionsarbeitsplätze ab 5.000 Euro für Modellgrößen bis etwa 400 x 250 x 200 Millimetern sowie industrietauglichen High-End-Anlagen ab etwa 100.000 Euro. Das sind Lasersinteranlagen für Metall oder Kunststoff bis etwa 4 x 2 x 1 Metern, bis hin zu Großformat-Druckern mit 70 x 10 x 6 Metern und mehr. Gängige Schichtdicken liegen zwischen 0,2 bis 0,5 mm (Heimdrucker) und 0,05 bis 0,001 mm (Profi- und Industriedrucker). Je kleiner dieser Wert ist, desto präziser ist das Druckobjekt und desto höher ist die Oberflächenqualität.

 

3d-Druck Türgriffe
© CNC Automation Würfel

 

Wie werden 3D-Druckdaten erstellt?
Zur Modellerzeugung werden die während der CAD-Konstruktion entstandenen dreidimensionalen Bauteil-Geometriedaten genutzt. Das für die rechnergestützte Modellgenerierung wichtigste 3D-Datenformat STL (STereoLitography) unterstützen derzeit vorwiegend designorientierte CAD-, Modellier- und Rendering-Programme, wie z.B. 3DS-Max, Catia, Cinema4D, FormZ, Maya, MegaCAD, Rhino 3D, SketchUp, SolidWorks, Vectorworks und andere. Weitere 3D-Druck-kompatible Datenformate sind STEP, IGES, 3DS, OBJ, VRML, DXF, DWG etc. 3D-Druckverfahren setzen geometrisch korrekt konstruierte Innen- und Außenflächen sowie vollständige, eindeutige und fehlerfreie Baukörpervolumina voraus. In vielen Fällen ist eine mehr oder weniger aufwändige Aufbereitung und Korrektur oder gar eine komplette Neuerstellung der Geometriedaten erforderlich. Eine weitere Datenquelle für die additive Fertigung ist das 3D-Laserscanning. Mit handgeführten oder auf Stativen montierten Laserscannern lassen sich in wenigen Minuten auch sehr komplexe Objekte dreidimensional erfassen. Hinterschneidungen, Hohlräume oder Fehlstellen erfordern allerdings eine Nachbearbeitung der Scandaten und eine anschließende Überführung in ein CAD-Volumenmodell. Eine weitere Quelle von 3D-Druckmodelldaten sind 3D-Bibliotheken wie etwa das Google 3D-Warehouse, Thingiverse, Youmagine oder Pinshape. Während der Druckvorbereitung werden mit einer druckerspezifischen Software verfahrens- und materialspezifische Einstellungen vorgenommen, gegebenenfalls unterschiedliche Modellfarben oder ‑materialien definiert und das Modell im Druckraum ausgerichtet. Anschließend unterteilt die Software die Geometrie horizontal in scheibenförmige Querschnitte, wobei die Scheibendicke der Schichtdicke einer Druckschicht entspricht. Je kleiner die Schrittabstände, desto glatter die Oberflächen, desto länger werden aber auch die Druckzeiten.

 

Gebäude aus gedruckten dreidimensionalen Fassadenfliesen
Gedruckt werden beispielsweise auch Architekturdetails, Möbel, Innenbauteile oder komplette Fassaden, bestehend aus dreidimensionalen Fassadenfliesen.
© Matthew Millman Photography / Emergingobjects

 

Bauteile oder Bauwerke drucken statt bauen
Die Einsatzmöglichkeiten im Baubereich sind vielfältig. Sie reichen von Architekturmodellen in beliebigen Maßstäben, über einzelne Gebäudebauteile wie Wände, Decken, Stützen, Träger oder Treppen, bis hin zu kompletten Gebäuden im Maßstab 1:1. Dabei wird das CAD-Gebäudemodell in einzelne Bauteile aufgeteilt, der 3D-Drucker produziert sie anschließend in einer Werkstatt oder direkt auf der Baustelle. Nach dem Aushärten werden die Bauteile zusammengefügt. Teilweise werden auch komplette Objekte auch in einem Arbeitsgang gedruckt. Nahezu alles ist druckbar: Metallstrukturen ebenso wie Konstruktionen aus holzähnlichen Werkstoffen oder massive Bauteile aus Beton mit oder ohne Eisen-, Glasfaser- oder Textilarmierung. Besondere Anforderungen werden an das Druckmaterial gestellt. Es sollte sowohl durch Rohrleitungen und die Druckkopfdüse gepumpt werden können, zugleich auch schnell härtend sein, damit es für den nächsten Schichtauftrag stabil genug ist. Im erhärteten Zustand muss es ebenso stabil und statisch belastbar sein, wie herkömmliche Baustoffe. Da sich die digital vorliegenden Objekte vor dem Druck beliebig verändern lassen, sind Varianten schnell realisierbar. Insgesamt steigern additive Fertigungssysteme die Kreativität, minimieren den Personalaufwand und tragen zur Ressourcenschonung bei. Das gilt insbesondere für 3D-Drucksysteme, die auch recycelte Baumaterialien verarbeiten. Da der 3D-Druck in der Lage ist, bisher nicht oder nur sehr aufwendig produzierbare Formen und Strukturen wirtschaftlich realisieren zu können, eröffnen sich für Planer neue kreative Freiräume. Auch Passform- oder Funktionsprüfungen, Einbau- und Montagetests können schon in früher Projektphase durchgeführt und Probleme erkannt werden. Allerdings setzen Gebäudebauteile und erst recht komplette Gebäude extrem große Bauräume voraus, die etwas größer sein sollten, als das zu fertigende Objekt. Deshalb orientieren sich für den Baubereich konzipierte 3D-Drucker häufig an Portalkran-Konstruktionen, mit einem an der „Laufkatze“ oder an Seilen montierten Druckkopf. Daneben gibt es auch auf einer herkömmlichen Autobetonpumpe basierende Konzepte, bei denen der Druckkopf mit Hilfe von Schrittmotoren und einer Steuerung präzise entlang einer vorgegebenen Kontur geführt wird. Damit sollen auch mehrstöckige Gebäude direkt an Ort und Stelle gefertigt werden können.

 

3M gedruckte Apartementzelle
Auch komplette Appartement-Zellen, inklusive der Haustechnik, wurden bereits gedruckt. © 3M

 

Anbieter*
Druckerhersteller: www.3dsystems.com, www.4dconcepts.de, www.alphacam.de, www.arcam.com, www.concept-laser.de, www.envisiontec.com, www.eos.info, www.hp.com/de, www.kisters.de, www.makerbot.com, www.materialise.de, www.slm-solutions.com, www.realizer.com, www.stratasys.com, www.toolcraft.de, www.voxeljet.de
Dienstleister: www.3d-activation.de, www.3d-fabrik.eu, www.3d-labs.de, www.3d-prototyp.com, www.3dsystems.com, www.alphacam.de, www.bigrep.com, www.desamanera.com, www.emergingobjects.com, www.fabberhouse.de, www.fkm-lasersintering.de, www.hawener.de, www.makeyourproduct.com, www.rapidobject.com, www.sculpteo.de, www.shapeways.com, www.speedpart.de, www.staegi.de, www.voxeljet.de
3D-Druckvorlagen: 3dwarehouse.sketchup.com, www.thingiverse.com, www.youmagine.com, www.pinshape.com.

Weitere Infos / Quellen
www.3d-drucken.de 3D-Druck-Blog
www.3d-grenzenlos.de Online-Magazin, Dienstleister etc.
www.3dhubs.com 3D-Druckservice-Suche
www.3druck.com Online-Magazin
am.vdma.org VDMA-AG Additive Manufacturing
www.euromold.com Messe für Additive Fertigung etc.
www.wikipedia.at Suche: 3D-Druck, Lasersintern etc.

* Auswahl, ohne Anspruch auf Vollständigkeit!

 

Text: Marian Behaneck

 

 

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