Am Anfang ein Samen, am Ende ein Haus

Der neue Hauptsitz des tschechischen Holzverarbeitungsbetriebs Kloboucká lesní, entworfen von Mjölk architekti, verkörpert die Leitprinzipien des nachhaltigen Designgedankens dergestalt, dass sich die aktuelle Klimaproblematik ebenso wie das bis dato in weiten Teilen ungenutzte Potenzial eines ökologischen Ansatzes beim Bau von Gebäuden sowie die damit einhergehenden Chancen und Herausforderungen darin manifestieren.

Am Anfang ein Samen, am Ende ein Haus

Der neue Hauptsitz des tschechischen Holzverarbeitungsbetriebs Kloboucká lesní, entworfen von Mjölk architekti, verkörpert die Leitprinzipien des nachhaltigen Designgedankens dergestalt, dass sich die aktuelle Klimaproblematik ebenso wie das bis dato in weiten Teilen ungenutzte Potenzial eines ökologischen Ansatzes beim Bau von Gebäuden sowie die damit einhergehenden Chancen und Herausforderungen darin manifestieren.

 

 

Das im tschechischen Mähren angesiedelte Sägewerk Kloboucká lesní ist kein traditionsreicher Familienbetrieb auf der Suche nach einer PR-tauglichen Neuerfindung, sondern vielmehr ein recht junger Spross auf dem Feld der Forstwirtschaft. Inspiriert von Altbewährtem wurde das Unternehmen 1998 im Geiste neuer Technologien und Möglichkeiten sowie mit dem Ziel eines unabhängigen und dauerhaft nachhaltigen Holzeinschlags inklusive Verarbeitung gegründet. In einem Bereich, der gemeinhin nicht mit Innovation oder Mut in Verbindung gebracht wird, gilt das Unternehmen als fortschrittlich und kreativ. Der neue Hauptsitz soll diese Werte repräsentieren.

 

 

Als sich die in Liberec ansässigen Mjölk architekti an die Planung des 1.000 Quadratmeter umfassenden Bauwerk machten, sahen sie sich mit einem Briefing konfrontiert, das ein hohes Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit forderte, da die Holzindustrie in letzter Zeit aufgrund der starken Veränderung der klimatischen Bedingungen turbulente Veränderungen durchläuft. „Wir schlugen einen Ort für kreative Arbeit, Forschung und Innovation vor. Die tragende Hauptstruktur sollte eine modulare Gebäudehülle bilden, so dass der Innenraum frei und anpassungsfähig bleiben und Möglichkeiten für ein unerwartetes Wachstum bieten würde“, so die Architekten.

 

 

Für den Hauptsitz wurde ein prominenter Standort auf dem Werksgelände gewählt, sodass die Nordfassade in Richtung Stadt und den Besuchereingang ausgerichtet ist. Durch die geschickte Positionierung verdeckt das neue Volumen bestehende Industriehallen auf dem Gelände und setzt die Kulisse des entfernten Pláňavský-Kamms bewusst in Szene. „Der Entwurf des Gebäudes ist richtungsweisend für künftige Bauprojekte. Umweltverträglich, einfach und bescheiden, aber mit modernster Technik ausgestattet – und das in einer natürlichen Lage, umgeben von Vegetation und Wasser“, erklären Jan Mach und Jan Vondrák das Grundprinzip ihres Konzepts.

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Die Vision

„Stellen Sie sich eine Welt vor, in der die Baumaterialien für Ihr Haus nicht um den halben Globus reisen müssen. Wo Sie den Wald kennen, aus dem das Holz für Ihr Zuhause stammt.“ Unter dieser Prämisse darf der neue Hauptsitz von Kloboucká lesní nicht nur als fortschrittlicher Firmensitz, sondern auch als Labor verstanden werden, in dem Erfahrung in Entwicklung umgesetzt wird. So besteht das Tragwerk ausschließlich aus Holz, einem Werkstoff, der vor Ort, in der nur hundert Meter entfernten, eigenen Produktionshalle hergestellt wird. Auch wenn Holz das wohl älteste und einfachste aller Materialien ist, erst mit der Veredelung zu Brettschichtholz ließ sich der Baukörper als längliches und elegantes Volumen konstruieren. „Wir sehen in der Philosophie der Nachhaltigkeit, der Sparsamkeit und der sozialen Verantwortung eine neue Chance und ein neues Entwicklungspotenzial. Heute, wo die Bauindustrie durch übermäßige Bürokratie, Personalmangel und Materialknappheit gelähmt ist, ist die richtige Zeit für einen Neuanfang. Nachhaltig, effizient und wirtschaftlich“, betonen die Architekten.

 

 

Konstruktion & Raum

Die tragende Struktur besteht aus einem Rahmen aus Leimbindern, einem Betonkern sowie Stahlverstrebungen. Die unterschiedlichen Fassadenverkleidungen korrespondieren mit der inneren räumlichen und programmatischen Organisation. Hinter der eher traditionellen Form des Gebäudes mit Satteldach verbirgt sich eine zeitgemäße Technik, wobei die Architekten von einer Kombination aus modernen technischen Lösungen und gesundem Menschenverstand sprechen.

Das Prinzip der strukturellen Ehrlichkeit wird auch im Inneren auf den ersten Blick ersichtlich. Die tragende Skelettstruktur zieht sich mitsamt der sichtbar belassenen und gezielt inszenierten Technik durch das gesamte Gebäude und gliedert den in seiner Materialität sparsam gehaltenen Innenraum rhythmisch, wobei die letzte Ebene als offenes Volumen konzipiert wurde, das von einem ausgeklügelten Dach mit einem Solarkraftwerk überspannt wird. Dort, wo keine Sonnenstrahlen hingelangen, wurden die Photovoltaikpaneele durch Glas ersetzt.

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Das Innere des Gebäudes ist als eine inspirierende Umgebung angelegt, welche die Grundsätze von Kloboucká lesní – einem Unternehmen, das ein sehr traditionelles Handwerk ausübt, aber gleichzeitig vor Neuem nicht zurückschreckt – widerspiegelt. Holzbetondecken und polierter Beton auf dem Boden ziehen sich bis in die Büroräume und Bereiche, die in Zukunft für kreative Werkstätten oder als Erholungsraum für die Mitarbeiter des Unternehmens genutzt werden können. Das oberste, offene Geschoss ist als multifunktionaler Raum für Vorträge, Firmenveranstaltungen oder Produktpräsentationen gedacht.

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Die Nachhaltigkeit

„Wirklich umweltbewusstes Bauen ist viel komplexer als es scheint. Es spielt keine Rolle, ob wir ein Haus in Styropor einpacken. Was ein Gebäude nachhaltig macht, sind nicht die Wärmedämmstandards, sondern wo wir es gebaut haben und wie wir es nutzen. Es ist wichtig zu erkennen, dass es nicht nur um den direkten Energiebedarf geht. Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen und Energieaufwendungen, die während der Herstellung und des Transports der einzelnen Gebäudeteile anfallen, dann die Frage nach der richtigen Nutzung des Gebäudes während seiner Lebensdauer muss ebenso gründlich bedacht werden wie das entsprechende Ende“, so die Architekten über ihr Verständnis eines vollumfänglich nachhaltig gedachten Bauwerks.

 

 

Für Kloboucká lesní scheint diese Art des Denkens selbstverständlich: „Am Anfang steht ein Samen, am Ende ein Haus.“ In diesem Sinne produziert die PV-Anlage des Gebäudes genug Energie, um den eigenen Bedarf zu decken. Das Gebäude verfügt über einen Batteriespeicher mit einer Gesamtkapazität von 72 kW. Der Überschuss wird zur Deckung des Energiebedarfs für die Produktion des Unternehmens verwendet. Tatsächlich wird der Großteil aller elektronischen Geräte auf dem Gelände derzeit mit Solarstrom betrieben. Die Solarpaneele des Hauptsitzes dienen auch als Deckmaterial. Den nördlichen Teil des Daches bedecken hingegen Glaspaneele, um mehr Licht in den Dachraum zu lassen.

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Das vom Dach abfließende Regenwasser wird in offenen Teichen gesammelt und zur Bewässerung und Kühlung in den Sommermonaten verwendet. Durch die Reflexion des diffusen Tageslichts trägt die Wasseroberfläche auch dazu bei, dass mehr Licht in das Gebäude gelangt. Die Heizung des Gebäudes und des gesamten Geländes erfolgt über ein zentrales Kesselhaus, dessen Hauptbrennstoff Hackschnitzel aus eigener Produktion sind. Dies macht den Standort völlig unabhängig von anderen Brennstoffquellen.

Letztlich begeistert das neue Headquarter mit einer schlichten Schönheit und anmutigen Zurückhaltung – Attributen, die sonst nur in der Natur zu finden sind. Eine Erkenntnis, die bereits viel über die architektonische Qualität des Bauwerks aussagt.

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Kloboucká lesní Headquarters
Brumov-Bylnice, Tschechische Republik

Bauherr: Kloboucká lesní
Planung: Mjölk architekti
Statik: Lostade CZ

BGF: 1.100 m2
Baufläche: 476 m2
Nutzfläche: 1.034 m2
Planungsbeginn: 2019
Bauzeit: 2 Jahre
Fertigstellung: 2022

www.mjolk.cz/en

 

 

Text: Linda Pezzei
Fotos: BoysPlayNice