Aus dem Sand erbaut

Eine Architektur wie aus Sand gewachsen, Kristalle, die vor der utopisch wirkenden Skyline von Abu Dhabi in die Höhe ragen – das ist die Al Musallah Prayer Hall, entworfen vom dänischen Architekturbüro CEBRA. Der Beitrag Aus dem Sand erbaut erschien zuerst auf architektur-online.

Aus dem Sand erbaut

Al Musallah Prayer Hall

 

Eine Architektur wie aus Sand gewachsen, Kristalle, die vor der utopisch wirkenden Skyline von Abu Dhabi in die Höhe ragen – das ist die Al Musallah Prayer Hall, entworfen vom dänischen Architekturbüro CEBRA. Als Teil des Masterplanes um das Fort Qasr Al Hosn ist sie ein mutiger und innovativer Versuch, islamischen Glauben und Kultur in einer modernen Form zu materialisieren.

Das Qasr Al Hosn ist ein ehemaliges Fort in Abu Dhabi und der Wachturm das älteste Gebäude auf der Insel. Es war Sitz der Herrscherfamilie Al Nahyan und bot als Zentrum Schutz für die frühen Siedler. Nach seiner Erweiterung auf die heutige Größe unter Schachbut bin Sultan Al Nahyan in den 1940ern, war es bis 1966 Regierungssitz des Emirats Abu Dhabi und nach einer langjährigen Renovierung wurde es am 7. Dezember 2018 als Museum wiedereröffnet – es hat also eine emotionale und soziologisch wichtige Rolle und Funktion.

 

 

2015 haben CEBRA architecture einen internationalen Wettbewerb zur Errichtung der Al Musallah Prayer Hall in unmittelbarer Nachbarschaft zum erwähnten Fort gewonnen. Seit damals dauerte die Zusammenarbeit der Architekten mit dem Department of Culture and Tourism Abu Dhabi (DCT) zur Errichtung dieser Gebetshalle als Teil des Masterplans für das große Areal im Zentrum von Abu Dhabi. Heute ist die historische ehemalige Anlage um das Fort in einen vibrierenden Kulturraum umgewandelt. Die Gebetshalle ist etwas kleiner als eine Moschee und in einem Eck des Grundstückes, hinter einer Wasserfläche situiert – sie wurde übrigens beim letzten ­World Architecture Festival Awards als bester religiöser Bau gekürt.

 

 

Die Transformation des Qasr Al Hosn-Geländes umfasst einen 140.000 m² großen Kulturpark, der das Fort und die Cultural Foundation umgibt – sie ist seit den 1980er Jahren denkmalgeschützt. Zusammen mit der Al Musallah Prayer Hall stehen nun auf dem Areal zwei Gebäudetypen, die sowohl das historische Erbe wie auch die moderne Zeit in Abu Dhabi repräsentieren. Der Masterplan greift diese Dualität auf und teilt das annähernd quadratische Gelände diagonal in zwei kontrastierende Landschaften. Auf der einen Seite befindet sich die flache, offene und sanfte Wüstenlandschaft, welche das Fort als frei stehende Landmark etabliert – und zwar auf einer Sandfläche, so wie es die Menschen seit dem 18. Jahrhundert vom Meer her, durch die Wüste kommend, wahrgenommen haben. Das war die Zeit, bevor die moderne Stadt in der Wüste explosionsähnlich entstand. Auf der anderen Seite findet man eine befestigte, gepflasterte Ebene mit intensiver Bepflanzung rund um die Cultural Foundation und der Al Musallah Prayer Hall, sie verbindet die Wüste mit der Rasterstruktur, der sie umgebenden modernen Stadt.

Das Design dieser modernen Struktur ist von den Trocknungsrissen in der Wüstenerde und in den umgebenden Salzseen inspiriert: Unregelmäßig geformte Flächen, polygonal ausgebildet, erstrecken sich entlang der Diagonalen und werden in der nordöstlichen Ecke zu dreidimensionalen Körpern. Wie seltsame Diamanten wachsen diese aus dem Sand und dem Untergrund und formen die Räume der Musallah. Ihre an Sand erinnernden Oberflächen wirken vor dem Hintergrund der von den verschiedensten Stararchitekten errichteten Skyline fast anachronistisch. Öffnungen sind in den Körpern kaum zu erkennen, lediglich aus der Luft kann man Lichtöffnungen in den „Dachflächen“ erkennen.

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Die Formen dieser Sanddiamanten vermitteln einen Übergang zwischen der Wüste und dem städtischen Raum. Langsam steigen ihre Dimensionen in die Höhe, wobei die gesamte Anlage jedoch in der Erde, respektive in der davor liegenden Wasserfläche versenkt ist. Betreten wird der Komplex von der Stadtseite her. Und wenn man zwischen den „Felsen“ und Pfaden langsam zum Eingang schreitet, tritt der Lärm und die Geräuschkulisse der Stadt ebenso langsam in den Hintergrund. In dieser Übergangszone ändert sich der Raum von ebenen Flächen zu langsam ansteigenden Schrägen und wächst so schrittweise in das Gebäude hinein. Alle Komponenten, von den Sitzflächen bis zur tatsächlichen Architektur, verschmelzen mit dem Park, um wie eine Naturlandschaft zu erscheinen. So tritt diese Architektur in ihrer Wichtigkeit zurück und lässt das Fort und die Cultural Foundation, als die zwei Hauptattraktionen am Gelände, visuell unangetastet.

 

 

Die vielen polygonalen Körper sind miteinander verbunden und allesamt wie eine Höhle halb in die Wasserfläche gedrückt. Die Musallah Gebetshalle steht im Wasser, um ohne Mauern eine Barriere gegen die Außenwelt zu bekommen. So werden Ruhe, Intimität und Abgeschlossenheit für die Gebete gesichert. Gleichzeitig ist das Wasser ein Symbol für die Reinigung und fließt um und teilweise auch durch den Komplex hindurch. Die einzelnen Bereiche der Architektur sind durch Glasgänge miteinander verbunden und diese lichterfüllten Übergänge über die Wasserflächen reinigen symbolisch wieder die Nutzer während des Durchschreitens von einem Bereich in den nächsten.

 

 

Jedes der Volumina hat seine eigene Funktion und der gesamte Grundriss ergibt die Form einer gespiegelten Blume. Ein höhlenähnlicher Eingangsbereich bietet noch Platz und Zeit für ein Gespräch vor dem Gebet, dann trennen sich die Wege. Weibliche und männliche Gläubige gehen separiert durch die Raumfolgen, entsprechend dem spirituellen Ritual zur Gebetshalle. Es ist eine Erfahrung und Atmosphäre, die an die Höhle von Hirā erinnert – hier hat der Prophet Mohammed angeblich seine erste Offenbarung erhalten. Zuerst erreicht man die Waschräume, kann sich mental auf das Gebet vorbereiten und kommt schließlich in die großen Gebetshallen. Beide Hallen sind in Richtung Gibla (Mekka) orientiert. Die geometrischen Formen der Außenwelt finden sich auch in den Innenräumen wieder. Und zwar als von der Decke abgehängte Felslandschaften mit derselben optischen Erscheinung wie die Außenseiten. Innen wie außen bestehen die Wände aus sauber geschaltem, sandfarbenem Sichtbeton. Nur kleine Öffnungen durchbrechen die Decke im ansonsten geschlossenen Raum der Halle. Durch die runden Löcher dringt Tageslicht ein und in der Kombination mit abgehängten punktförmigen Pendellampen ergibt sich der Anschein eines Sternenhimmels. Das wiederum ist eine Allegorie an die Eigenschaft der Beduinen, sich an den Sternen zu orientieren.

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Während die Eingangsbereiche und die Waschräume mit Oberlichten aus Beton versehen sind, ist das Innere der Gebetshalle an der Decke mit Kupfer verkleidet – so entsteht eine endlose Reflexion der Lichter als Symbol des Kosmos. Auch wird so der Grundgedanke des Entwurfes wie ein Fraktal wieder in den Raum eingebunden. Die Menschen haben eben immer schon zum Himmel aufgeblickt, sich gewundert und über ihre eigene Existenz reflektiert.

 

Al Musallah Prayer Hall
Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate

Bauherr: Department of Culture and Tourism Abu Dhabi
Planung: CEBRA 
Mitarbeiter: Mikkel Frost, Mikkel Schlesinger, Arthi Balasubramanian, Janni Vestergaard, Athira Raghu, Rahul Vinodan, Jacob Christensen, Henrik Nykjaer
Statik:GHD

Grundstücksfläche: 1.100 m2
Bebaute Fläche: 1.100 m2
Planungsbeginn: 09/2015
Bauzeit: 35 Monate
Fertigstellung: 09/2019

 

 

Text: Peter Reischer
Fotos: Mikkel Frost

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