Bauroboter – Automatisierung auf der Baustelle
In der Bauindustrie ist „Kollege Roboter“ längst angekommen. Die Automatisierung der Baustelle steht dagegen noch am Anfang. Erste marktfähige Baustellenroboter versprechen mehr Effizienz am Bau.
In der Bauindustrie ist „Kollege Roboter“ längst angekommen. Die Automatisierung der Baustelle steht dagegen noch am Anfang. Erste marktfähige Baustellenroboter versprechen mehr Effizienz am Bau.
Die Automatisierung der Baustelle schreitet nur langsam voran: Aufmaßroboter in Aktion. © Leica Geosystems
Ob bei der Herstellung von Bauprodukten, der Bewehrung von Betonbauteilen, der Montage von Schalelementen, Holzständer- oder Fachwerkkonstruktionen – in der Bauindustrie und in den Werkstätten einiger Baugewerke sind Roboter längst im Einsatz. Jetzt wollen sie auch Baustellen erobern, denn Roboter können inzwischen abreißen, aufmessen, mauern, bohren und schweißen, Pflaster verlegen, Wände und Decken verputzen oder streichen. In Form von 3D-Druckern können sie sogar komplette Häuser fertigen.
Mobile Roboter können inzwischen mauern. © FBR
Roboter werden nie krank
Die Baurobotik hat viele Vorteile. Roboter werden nie müde oder krank, arbeiten in stets gleichbleibender Qualität – sauber, exakt, effizient und schnell. Roboter können sich selbstständig im Raum orientieren und ihre Arbeiten – von Programmen, CAD- oder BIM-Planungsdaten gesteuert – völlig autonom oder per Fernbedienung erledigen. Roboter brauchen keine Pläne, stattdessen übertragen sie quasi im Maßstab 1:1 die Konstruktionsdaten direkt auf die Baustelle, digital und ohne Medienbrüche. Das ermöglicht rationellere und wirtschaftlichere Bauprozesse, mehr Präzision und weniger Fehler am Bau. Außerdem entlasten Roboter Bauarbeiter von monotonen, körperlich anstrengenden und gefährlichen Arbeiten, bei denen es häufig zu Arbeitsunfällen kommt. Planern erschließen Roboter neue, kreative Freiräume. So lassen sich beispielsweise mit 3D-Druckern bisher nicht oder nur sehr aufwendig produzierbare Formen und Strukturen wirtschaftlich realisieren. In Verbindung mit dem Einsatz moderner, teilweise KI-gestützter Automatisierungssysteme könnte die Robotik für eine Image-Steigerung und eine höhere Attraktivität von Bauberufen sorgen und dem aktuellen Fachkräftemangel ein Stück weit entgegenwirken.
Bauroboter können den Bestand oder Baufortschritt messtechnisch und fotografisch erfassen. © Leica Geosystems
Alleskönner für die Baustelle
Mit Neuentwicklungen versuchen Roboter-Hersteller auch die Baustelle als Absatzmarkt zu erobern, beispielsweise mit mobilen Multifunktionsrobotern. Diese orientieren sich selbständig im Raum und können verschiedene Aufgaben ausführen: Sie erfassen die bauliche Situation in Form von Laserscanner-Punktwolken und als Fotopanorama oder verwandeln sich durch wechselbare, modulare Werkzeugaufsätze des Greifarms in einen Bohr-, Fräs-, Trenn- oder Schweißroboter – so wie der Baubot der österreichischen Baubot GmbH. Der in zwei Varianten erhältliche Mobilroboter kann durch den Wechselaufsatz seines bis zu 1,9 bzw. 3,1 Meter langen Roboterarms flexibel auf Baustellen eingesetzt werden und ist so kompakt, dass er auch durch Türöffnungen passt. Mithilfe seiner Raupenketten kann er auch Treppen steigen und bis zu 20 bzw. 70 Kilogramm schwere Lasten transportieren. Auch für den autonomen Laufroboter Spot von Boston Dynamics sind Treppen kein Hindernis. Dank seiner vier Beine bewältigt er auch unwegsames Gelände und trägt dabei eine Nutzlast von bis zu 14 Kilogramm. In unterschiedlichen Konfigurationen, zum Beispiel mit einem 3D-Laserscanner oder einem Greifarm, kann Spot zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt werden: beispielsweise für die Bauüberwachung, Baufortschrittskontrolle oder Vermessung. Trimble oder Leica Geosystems bieten dafür entsprechende Kombilösungen. (www.baubot.com, www.bostondynamics.com, www.fischer.at, www.trimble.com, https://blk2021.com/de/blk-arc)
Mauern, bohren oder verputzen
Spezialroboter können zwar nur bestimmte Aufgaben erledigen – das aber weitgehend selbstständig, schnell und präzise. Sie können abreißen, mauern, bohren, Fliesen verlegen, Wände und Decken verputzen oder streichen. Der Maurer-Roboter Hadrian X vom australischen Hersteller FBR kann beispielsweise ein komplettes Gebäude in zwei Tagen hochmauern. Dabei arbeitet er 3D-Baukonstruktionsdaten ab, welche die Position der Ziegel vorgeben, nimmt sie nacheinander auf, bringt sie nach Bedarf auf Maß, bringt Mörtel auf und positioniert sie mit seinem Teleskoparm präzise an die richtige Stelle. Sobald Hadrian X den Rohbau fertiggestellt hat, übernimmt auf der automatisierten Baustelle „Kollege“ Okibo vom gleichnamigen Hersteller. Okibo ist ein weitgehend autonomer Roboter für Verputz- und Malerarbeiten. Ausgestattet mit einer Reihe von Sensoren und einem 3D-Laserscanner, erfasst er seine Umgebung automatisch, orientiert sich selbstständig und trägt KI-gestützt Putze oder Farben auf beliebige Oberflächen auf, wobei er Fenster- und Türöffnungen oder andere auszusparende Flächen berücksichtigt. Auch das SHK-, Elektro- oder Trockenbauer-Handwerk wird unterstützt. So bohrt der semi-autonome Bohrroboter Jaibot von Hilti Löcher und markiert sie anschließend für die verschiedenen Gewerke. Damit entlastet er Handwerker vor anstrengender Überkopfarbeit, sorgt für mehr Präzision und Sicherheit. Eingemessen und referenziert wird Jaibot über eine Hilti-Totalstation, navigiert wird er per Fernsteuerung, die Bohrarbeiten führt er in seiner Reichweite automatisch aus. Da der Jaibot keine Treppen bewältigt, erfolgt der Transport in das nächste Geschoss per Kran oder Lastenaufzug. Auch Gerüstbau-Roboter gibt es schon: Der Akku-betriebene Liftbot von Kewazo ist in weniger als einer halben Stunde aufgebaut und fährt Material oder Bauteile sicher und fast doppelt so schnell wie herkömmliche Seilwinden und Bauaufzüge nach oben. (www.arerobot.com, www.brokk.com, www.fbr.com.au, www.hilti.at, www.husqvarna.com, www.kewazo.com, www.kuka.com, www.okibo.com, www.wienerberger.com, https://new.abb.com)
Bauroboter bei Abrissarbeiten. © Husqvarna
Roboter auf zwei Beinen
Zu den eher spektakulären Entwicklungen zählen humanoide, also menschenähnliche Roboter. Sie erzeugen außerhalb von Fachkreisen das meiste Aufsehen, da sie dem Stereotyp eines Roboters, eines menschenähnlichen „Maschinenwesens“, am nächsten kommen. In Indien, Japan oder Spanien entwickeln verschiedene Unternehmen schon seit einigen Jahren Roboter, die eine menschliche Gestalt besitzen, sicher auf zwei Beinen laufen und auf Kommando einfache Tätigkeiten erledigen. Sie helfen beispielsweise beim Tragen schwerer Bauteile oder montieren Wand- und Deckenelemente. Die etwa 1,6 Meter großen, 60 kg schweren, akkubetriebenen und mit zahlreichen Freiheitsgraden, Sensoren und einer Kamera inklusive Bildverarbeitung ausgestatteten Roboter können auch unebene Flächen, Treppen und bis zu einem gewissen Grad auch unvorhergesehene Ereignisse meistern – etwa Hindernissen ausweichen. Allerdings setzt die Fortbewegung auf zwei Beinen einen hohen technischen Aufwand voraus. (www.bostondynamics.com, www.kawadarobot.co.jp/en, www.pal-robotics.com)
Mit automatisierten 3D-Portaldruckern lassen sich komplette Häuser Schicht für Schicht fertigen. © Peri
3D Druck-Roboter
Auch 3D-Drucker sind von Computerprogrammen gesteuerte Apparaturen, die repetitive Arbeiten präzise und schnell erledigen können und Objekte aus einem flüssigen, pulverförmigen oder festen Ausgangsmaterial mit Hilfe chemischer und/oder physikalischer Prozesse schichtweise aufbauen (architektur 4/22: Häuser in Schichtarbeit). Nahezu alles ist entweder in der Werkstatt oder unmittelbar auf der Baustelle druckbar: Metallstrukturen ebenso wie Konstruktionen aus holzartigen, transparenten oder recycelten Werkstoffen oder massive Bauteile aus Beton mit oder ohne Eisen-, Glasfaser- oder Textilarmierung. Größere Bauteile – und erst recht komplette Gebäude – setzen allerdings große Bauräume voraus, die etwas größer sein müssen, als das zu fertigende Objekt. Deshalb ähneln 3D-Drucker häufig Portalkran-Konstruktionen, mit einem an der Laufkatze montierten Druckkopf. (Beispiele: www.3dwasp.com, www.apis-cor.com, www.cobod.com, www.contourcrafting.com, www.cybe.eu, www.peri.at)
Roboter können in der Werkhalle auch Betonbewehrungen zusammensetzen oder Holzkonstruktionen zusammenbauen. © ABB, Gramazio Kohler Research, ETH Zurich
Woher kommen die Daten?
Damit mobile Roboter an Ort und Stelle Arbeiten ausführen können, müssen sie sich zunächst im Raum orientieren. Orientiert, lokalisiert und auf einen Bezugspunkt referenziert werden Roboter über integrierte oder externe 3D-Lasermessysteme und Sensoren. Um komplexe Tätigkeiten ausführen und unvorhergesehene Situationen auf der Baustelle meistern zu können, müssen autarke Roboter über weitere Sensoren verfügen, die das Umfeld möglichst umfassend erfassen und deren Daten vernetzt und teilweise auch KI-gestützt in Echtzeit ausgewertet werden. Als Grundlage für die Steuerungsdaten dient entweder eine DWG- oder DXF-Datei bei herkömmlicher Planung oder ein BIM-Ausführungsmodell, das nur ausführungsrelevante Daten enthält. Aus diesem Modell werden die 3D-Koordinatendaten für die Steuerung des Roboterarms, Bohrkopfs oder der 3D-Druckdüse generiert. Daraus werden für die auszuführenden Arbeiten 3D-Koordinatenlisten erzeugt, die schrittweise abgearbeitet werden. Zusätzlich werden weitere Angaben benötigt, beispielsweise Bohrerdurchmesser und Bohrtiefen bei Bohrrobotern. Bevor der Roboter auf der realen Baustelle seine Arbeiten erledigt, lassen sich am digitalen Modell, dem „digitalen Zwilling“ des zu erstellenden realen Objektes, zusätzlich auch Baustellen-, Montage- und Arbeitsabläufe virtuell simulieren und optimieren.
Multifunktionelle Systeme unterstützen dank wechselbarer Werkzeugaufsätze das Bohren, Fräsen, Trennen oder Schweißen. © Baubot
Was sind die Hürden?
Den vielen Vorteilen der Baurobotik entgegen steht die Tatsache, dass der Einsatz bei Preisen ab 10.000 für stationäre Einarm-Roboter und 75.000 Euro und mehr für multifunktionale, mobile Roboter derzeit für kleinere und mittlere Bauvorhaben noch unwirtschaftlich ist. Baustellen mit großen Geschossflächen sind dagegen ein ideales Betätigungsfeld. Eine echte Herausforderung der Digitalisierung und Automatisierung des Bauwesens ist aber die Erstellung herkömmlicher Gebäude. Diese wird seit Jahrhunderten im Wesentlichen durch kleinteilige, handwerkliche Prozesse bestimmt, die zudem von verschiedenen Gewerken separat ausgeführt werden. Das erschwert sowohl eine Mechanisierung und Automatisierung als auch Integration von Prozessen. Außerdem unterscheiden sich Baustellen von Industriehallen: Jede ist anders, verändert sich kontinuierlich, ist staubig, schmutzig, Wind und Wetter ausgesetzt, manchmal mit Baumaterialien verstellt, mit Materialresten und Bauabfällen verunreinigt etc. Das sind keine idealen Voraussetzungen insbesondere für mobile Roboter, die möglichst aufgeräumte, freie Baustellen ohne Behinderungen voraussetzen. All dies sind Gründe, weshalb die Baustellen-Automatisierung nur langsam vorankommt. Berücksichtigen sollte man stets auch, dass Roboter kein Selbstzweck sind und dass das eigentliche Ziel eine vernetzte, integrierte und automatisierte Baustelle ist. Dazu müssen Roboter miteinander und mit anderen Maschinen vernetzt und in die Bauabläufe optimal eingebunden werden. Rückenwind könnte die Baustellenautomatisierung durch steigende Lohnkosten, den Mangel an Fachkräften und BIM erhalten.
© ABB, Gramazio Kohler Research, ETH Zurich
Was sind Roboter?
Der Begriff stammt von „Robota“ (slawisch für „Arbeit“) ab. Roboter sind quasi „maschinelle Arbeiter“, die in der Lage sind, eine komplexe Abfolge von Tätigkeiten selbständig auszuführen, zu kontrollieren und wenn nötig zu korrigieren. Unterschieden werden semiautonome Bauroboter, die ferngesteuert werden, programmierbare Bauroboter, die mit Sensoren ausgestattet sind und weitgehend selbstständig handeln sowie KI-gestützte Bauroboter, die vollständig autonom arbeiten und teilweise auch unvorhergesehene Ereignisse bewältigen können.
Roboter zum Anziehen
Eine spezielle Art von Robotern sind aktive Exoskelette: Man kann sie sich um den Körper schnallen und als unterstützende Hebe- und Tragehilfe nutzen. Aktive Exoskelette werden mit Elektromotoren angetrieben. Die Stärke der Unterstützung lässt sich manuell oder automatisch regeln. Werden Exoskelette mit dem Internet der Dinge (IoT) verknüpft, lassen sich Belastungswerte und Aktivitäten für statistische Zwecke, zur Analyse geleisteter Arbeit oder für die Abrechnung von Tätigkeiten auswerten. (Beispiele: www.suitx.com, www.germanbionic.com, www.comau.com)
Text: Marian Behaneck