Besser aussparen mit BIM

Die Planung von Schlitzen und Durchbrüchen setzt eine intensive Kommunikation zwischen Architekt, Tragwerks- und TGA-Planer voraus. Welche Werkzeuge bieten CAD- und BIM-Programme?

Besser aussparen mit BIM

Die Planung von Schlitzen und Durchbrüchen setzt eine intensive Kommunikation zwischen Architekt, Tragwerks- und TGA-Planer voraus. Welche Werkzeuge bieten CAD- und BIM-Programme?

 

Planung von Schlitzen und Durchbrüchen -Eine komplexe Architektur- und Installationsplanung erfordert eine intensive Abstimmung aller Beteiligten bei der Aussparungsplanung. © Autodesk
Eine komplexe Architektur- und Installationsplanung erfordert eine intensive Abstimmung aller Beteiligten bei der Aussparungsplanung. © Autodesk

 

Obwohl sie eher unscheinbar und keine Bauteile im eigentlichen Sinn sind, haben sie es in sich: Aussparungen wie Schlitze, Durchbrüche, Kanäle oder Nischen in Wänden, Böden oder Decken, die der Aufnahme oder Durchführung haustechnischer Leitungen dienen. Weil sie Architekten, Tragwerks- und TGA-Planer gleichermaßen betreffen, häufig mit deren Interessen kollidieren und zusätzlich schall-, wärme- und brandschutztechnische Auswirkungen haben, gehören Aussparungen zu den anspruchsvollsten und fehleranfälligsten Planungsobjekten. Eine möglichst kollisionsfreie Planung, Änderung und Ausführung von Aussparungen stellen daher große Anforderungen an Planer und deren Werkzeuge.

 

Planung von Schlitzen und Durchbrüchen - Ein wesentlicher Vorteil der 3D Schlitz- und Durchbruchplanung ist die sofortige visuelle Kontrolle. © Graphisoft
Ein wesentlicher Vorteil der 3D Schlitz- und Durchbruchplanung ist die sofortige visuelle Kontrolle. © Graphisoft

 

Aussparungsplanung in 2D

„Dumme“ Schlitze und Durchbrüche sind in der herkömmlichen 2D-CAD-Planung einfache, aus Linien, Schraffuren, einer Beschriftung und Bemaßung bestehende Symbole, ohne Bezug zum zugehörigen Bauteil. Wird die Position oder Dimension einer Wand oder Decke geändert, muss auch das Aussparungssymbol manuell angepasst werden. Bei „smarten“ Aussparungssymbolen ist die Position einer Aussparung an die ihres zugeordneten Elements gekoppelt und verschiebt sich bei einer Positionsänderung automatisch mit. Beschriftungen und Bemaßungen, wie die Art der Aussparung, Breite, Tiefe, Höhe, der Durchmesser, UK/OK-Position, Eckabstand etc. müssen bei Änderungen allerdings meist manuell angepasst werden. Einige CAD-Programme ermöglichen auch eine tabellarische Auflistung aller Aussparungen, wahlweise sortiert nach Geschossen/Räumen, der Position, Aussparungsart oder den Abmessungen. Trotz einheitlicher Vorgaben zur Darstellung von Aussparungen gemäß ÖNORM A 6240-2 bzw. DIN 1356-1 kommt es immer wieder zu Fehlern und Missverständnissen in Bezug auf die Art, Position und Abmessung. Das hat verschiedene Gründe: Aussparungen werden in den Fachplänen meist manuell übernommen (nachgezeichnet). Die Norm-Aussparungssymbolik wird außerdem entweder nicht berücksichtigt oder individuell angepasst, sodass es zu Fehlinterpretationen kommt. Ferner werden Aussparungen meist nur im 2D-Grundrissplan eingetragen, ohne Kontrolle in der dritten Dimension, Höhenangaben werden nicht geometrisch überprüft etc.

 

Für die rationelle 2D- und 3D-Planung von Schlitzen und polygonalen Durchbrüchen bieten CAD- und BIM-Planungswerkzeuge zahlreiche Funktionen und Automatismen. © MagiCAD Group
Für die rationelle 2D- und 3D-Planung von Schlitzen und polygonalen Durchbrüchen bieten CAD- und BIM-Planungswerkzeuge zahlreiche Funktionen und Automatismen. © MagiCAD Group

 

Abstimmung per „Plan-Pingpong“

Aussparungen werden meist vom TGA-Planer definiert und müssen vom Architekt und Tragwerksplaner genehmigt werden. Das führt unter Umständen zu einem mehrmaligen Austausch von Papierplänen, PDF- oder DXF-Dateien, in denen die Aussparungen idealerweise farblich markiert sind. Anhand dieser Vorlagen prüfen der Architekt und Tragwerksplaner die Aussparungen, geben sie frei oder lehnen sie mit einem Kommentar ab und senden die Pläne zurück an den TGA-Planer. Pläne oder Dateien werden so lange zwischen den Planungsbeteiligten hin- und hergesandt, bis alle mit der Aussparungsplanung einverstanden sind. Rückfragen werden telefonisch oder per E-Mail geklärt. Das setzt aber ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen und eine präzise verbale Problembeschreibung des Besprechungsgegenstandes voraus, sonst entstehen Missverständnisse. Besonders herausfordernd sind Planungsänderungen: Werden Architekturbauteile oder das Tragwerk modifiziert, die Trassierung, Anzahl oder Dimension von Leitungen geändert, entstehen häufig Probleme, weil Aussparungen nicht korrekt und nicht von allen Planungspartnern an die neuen Gegebenheiten angepasst und alle Folgeänderungen berücksichtigt werden. Das führt zu Planungsfehlern und auf der Baustelle zu nachträglichen Stemm- oder Fräsarbeiten oder zu aufwendigen Neutrassierungen, wenn die Architektur oder Statik keine anderen Möglichkeiten zulässt.

 

Stimmen alle Voreinstellungen, werden Schlitze und Durchbrüche für eine Leitung, einen Bereich oder den gesamten Grundriss automatisch und korrekt generiert. © Data Design System
Stimmen alle Voreinstellungen, werden Schlitze und Durchbrüche für eine Leitung, einen Bereich oder den gesamten Grundriss automatisch und korrekt generiert. © Data Design System

 

Besser aussparen mit BIM

Die Aussparungsplanung am BIM-Modell ist etwas aufwendiger als im 2D-Plan, bietet aber viele Vorteile: Schlitze oder Durchbrüche in Wand, Boden oder Decke werden dreidimensional dargestellt, so dass viele räumliche Missverständnisse erst gar nicht entstehen und Fehler eher erkannt werden. Eingefügt werden Aussparungen manuell oder automatisch. Nach der Definition der Parameter (Art, Form, Abmessungen, UK/OK, Abstände etc.) werden sie manuell platziert oder durch Anklicken der Leitung und des betroffenen Bauteils automatisch erzeugt. Alternativ können Aussparungen auch für ausgewählte oder alle Leitungen und Bauteile im aktuellen Grundriss quasi per Mausklick generiert werden. Die dafür notwendigen Informationen entnimmt das Programm der Gebäude- und Leitungsgeometrie, den Bauteil- und Leitungsattributen sowie den zuvor definierten Aussparungs-Parametern. Damit kann man beispielsweise den notwendigen Freiraum für eine Leitung mit oder ohne Dämmung definieren oder ab wann zwei neben- oder übereinander liegende Aussparungen zu einer zusammengefasst werden. Sind die Aussparungsparameter korrekt eingestellt, funktioniert das sehr zuverlässig, sollte aber für jede Aussparung überprüft und gegebenenfalls manuell korrigiert werden. Die Aussparungen werden BIM- und IFC-konform als dreidimensionale Abzugskörper (Provision for Void) generiert und in der 2D-Planausgabe als normgerechte Aussparungssymbole dargestellt.

 

Durchbruchsplanung - Öffnungen lassen sich für jede Bauteilschicht separat ermitteln, so dass diese je nach Gewerk regelkonform abgezogen werden können. © Graphisoft
Öffnungen lassen sich für jede Bauteilschicht separat ermitteln, so dass diese je nach Gewerk regelkonform abgezogen werden können. © Graphisoft

 

Vorteile bei Änderungen

Aussparungen kennen ihre Eigenschaften und sind mit den zugehörigen BIM-Bauteilen verknüpft. Dadurch können sie sich bei Änderungen – etwa der Wand- oder Deckendicke, der Verschiebung von Wänden oder bei Änderungen der Leitungsdimension – automatisch anpassen. Auch wenn zusätzliche Leitungen, Rohre oder Kanäle hinzugefügt oder vorhandene entfernt werden, passen sich die Aussparungen selbstständig an. Darüber hinaus werden Konflikte,  Bauteil- oder Leitungskollisionen gemeldet und können individuell beseitigt werden. Insbesondere bei großen Projekten mit mehreren hundert Aussparungen sparen diese Automatismen viel Zeit. Allerdings sollten die Ergebnisse stets verifiziert werden. Die integrierte Berechnung des Brutto- und Nettovolumens der Aussparung ermöglicht einen schnellen Überblick über die zu verfüllenden Volumina der einzelnen Durchbrüche. Dadurch erhält der Planer mehr Sicherheit bei der Abschätzung des Aufwands brandschutztechnischer Maßnahmen und der Kosten. Auch für die Mengenermittlung bei mehrschichtigen Bauteilen bietet BIM Vorteile: Öffnungen lassen sich für jede Bauteilschicht separat ermitteln, so dass diese je nach Gewerk regelkonform (Werkvertragsnorm, VOB etc.) abgezogen werden können. Außerdem können Aussparungspläne für jedes Gewerk separat ausgegeben werden. Anhand des Wandtyps und der Feuerschutzklasse ist eine Auswertung in Form von Stücklisten und Reporten möglich, beispielsweise nach STLB Bau, Gewerken oder Brandschutzklassen.

 

Schlitze und Durchbrüche können innerhalb von closed oder openBIM-Prozessen vor der Übergabe an Planungsbeteiligte gewerkspezifisch visualisiert und auf Kollisionen überprüft werden. © Formitas
Schlitze und Durchbrüche können innerhalb von closed oder openBIM-Prozessen vor der Übergabe an Planungsbeteiligte gewerkspezifisch visualisiert und auf Kollisionen überprüft werden. © Formitas

 

Digitale Aussparungs-Manager

Für die Übergabe und Abstimmung der Aussparungsplanung werden von einigen Anbietern von Architektur- und TGA-CAD inzwischen spezielle Lösungen offeriert, beispielsweise der Auxalia Revit Openings Transfer, der liNear Void Manager, der MagiCAD Durchbruchsmanager oder der Stabiplan Openings Manager. Installiert der Architekt oder Tragwerksplaner diese in der Regel kostenlosen Plugins in seine jeweilige BIM-Autorensoftware (beispielsweise Allplan, ArchiCAD, Revit etc.) kann er die Aussparungsvorschläge des TGA-Fachplaners anzeigen lassen und prüfen, einzelne oder mehrere freigeben oder ablehnen und mit entsprechenden Kommentaren oder Alternativvorschlägen versehen. Bauteile, die keine Aussparungen erhalten dürfen, lassen sich schützen. Mit den Projektpartnern zu besprechende Aussparungen können per Screenshot „fotografiert“, mit Hinweis­pfeilen ergänzt und an die Kommentare angehängt werden. Die Aussparungs-Reports werden anschließend untereinander so lange ausgetauscht, bis alle mit der Planung einverstanden sind. Danach werden die Aussparungen als Abzugskörper ausgegeben, die anschließend über das IFC-Austauschformat in das CAD/BIM-Programm des Architekten oder Tragwerksplaners importiert und übernommen werden können. Eventuelle Unstimmigkeiten – etwa wenn die Größe oder Position einer Aussparung oder des entsprechenden Architekturbauteils geändert oder entfernt wurden – werden dem Anwender angezeigt.

 

Aussparungs-Manager vereinfachen die Übergabe und Abstimmung mit den Planungspartnern. © liNear
Aussparungs-Manager vereinfachen die Übergabe und Abstimmung mit den Planungspartnern. © liNear

 

Nachrichtenaustausch per BCF

Ausgetauscht werden die Aussparungs-Reports über das Nachrichten-Austauschformat BIM Collaboration Format (BCF, siehe auch architektur 3/21: Gelbe Zettel für BIM-Modelle). BCF basiert auf dem textbasierten, für die Darstellung hierarchisch strukturierter Daten konzipierten XML-Datenformat. BCF ist ein offener, herstellerneutraler openBIM-Datenstandard für Kommentare, Anfragen, Kollisionsberichte oder allgemeine Informationen zu BIM-Modellen. In einer BCF-Datei sind alle Nachrichten gespeichert, die eine BIM-Software über Problembereiche informieren, die in einer anderen BIM-Software gefunden wurden. Dadurch lassen sich bei der Planung von Aussparungen erkannte Probleme und Kollisionen schneller und effizienter gemeinsam besprechen und lösen sowie Korrektur- und Koordinationsabläufe vereinfachen. BCF erkennt, welche Bearbeiter, Programme, Bauteile oder Elemente an einem Problem beteiligt sind. Erstellt der Bearbeiter einen Screenshot eines Kollisionspunktes und versendet er ihn als BCF-Datei an einen beteiligten Projektpartner, erhält dieser in seinem Programm die BCF-Nachricht mit exakt der gleichen Ansicht des Problems. Anhand einer Identifikationsnummer kann man nachverfolgen, wer, welches Problem, wann gemeldet hat, welche Probleme noch ungelöst sind und welche bereits behoben wurden. Die Aussparungsplanung ist sowohl im Rahmen von closed BIM- als auch open BIM-Projekten möglich. Bei open BIM-Workflows wird eine IFC-Datei mit allen Aussparungsplatzhaltern erzeugt, die in die Projektplanung des Architekten und Tragwerksplaners eingefügt werden können.

 

Durchbruchsplanung: Sind die Aussparungen von allen Partnern akzeptiert, werden sie per IFC-Schnittstelle exportiert und übergeben. © liNear
Sind die Aussparungen von allen Partnern akzeptiert, werden sie per IFC-Schnittstelle exportiert und übergeben. © liNear

 

Fazit: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Die Aussparungsplanung ist ein wichtiger Aspekt der kollaborativen Projektplanung und spielt im Planungsalltag eine bedeutende Rolle. Die BIM-Planungsmethode bietet gegenüber der herkömmlichen Arbeitsweise viele Vorteile: Aussparungen werden am BIM-Modell dreidimensional geplant, was visuelle Kontrollen ermöglicht. Aussparungen werden aus den Modell- und Leitungsdaten automatisch generiert, was Zeit spart. Die Höhenlage der Aussparung wird berechnet, Aussparungen werden automatisch beschriftet und bemaßt etc. Wesentlich einfacher und weniger fehlerbehaftet sind auch Planungsänderungen und Abstimmungsabläufe. Digitale Aussparungs-Manager vereinfachen zudem die Übergabe und Abstimmung mit Planungspartnern. All dies trägt zu einer Vereinfachung und Qualitätsverbesserung bei der Aussparungsplanung bei, entbindet die Planungsbeteiligten aber nicht von Kontrollen und Plausibilitäts-Checks.

 

Durchbruchsplanung: Aussparungen (roter Platzhalter) können akzeptiert oder abgelehnt, Problembereiche kommentiert und grafisch oder anhand von Screenshots erläutert werden. © liNear
Aussparungen (roter Platzhalter) können akzeptiert oder abgelehnt, Problembereiche kommentiert und grafisch oder anhand von Screenshots erläutert werden. © liNear

 

 

Text: Marian Behaneck