BIM + Energie: Digitale Zwillinge energetisch optimieren

Die wichtigsten, den Gebäudeenergieverbrauch bestimmenden Entscheidungen werden im frühen Planungsstadium getroffen. Mit BIM-Modellen und spezieller Energieanalyse-Software lässt sich die Energiebilanz von Gebäudeentwürfen frühzeitig optimieren. Angesichts steigender Energiepreise und des Klimawandels spielen zunehmend auch Energie- und Umweltaspekte eine entwurfsbestimmende Rolle.

BIM + Energie: Digitale Zwillinge energetisch optimieren

Die wichtigsten, den Gebäudeenergieverbrauch bestimmenden Entscheidungen werden im frühen Planungsstadium getroffen. Mit BIM-Modellen und spezieller Energieanalyse-Software lässt sich die Energiebilanz von Gebäudeentwürfen frühzeitig optimieren.

 


BIM bietet nicht nur für die Gebäudeplanung, sondern auch für die energetische Analyse und Optimierung Vorteile. © Computerworks

 

Angesichts steigender Energiepreise und des Klimawandels spielen zunehmend auch Energie- und Umweltaspekte eine entwurfsbestimmende Rolle. Bereits mit der Gebäudeausrichtung und -form werden wichtige Weichen für die Gebäude-Energiebilanz gestellt. Zu den weiteren Faktoren zählen die Raumanordnung, die Fensteranordnung und -größe, die Minimierung kon­struktiver Wärmebrücken oder die Wahl von Baumaterialien, Dämm- und Heizsystemen. Diese Faktoren fließen zwar schon immer in die Planung ein. Welche Auswirkungen auf die Energiebilanz eine kompaktere Gebäudeform, eine bessere Wärmedämmung oder moderne Heizsysteme haben, ließ sich bisher jedoch nur grob oder mit viel Rechenaufwand ermitteln. BIM und spezielle Programme ermöglichen einfachere, in den Entwurfsprozess integrierte Echtzeit-Analysen des „digitalen Zwillings“ und eine quantitativ nachvollziehbare energetische Gebäudeoptimierung.

 


Im BIM-Modell enthaltene Gebäude-, Raum- und Bauteildaten können übernommen und digital beispielsweise für energetische Analysen und Optimierungen verwendet werden. © EDV-Software-Service

 

BIM hilft, Gebäude effizienter zu machen

BIM bietet auch aus energetischer Sicht Vorteile: Viele im BIM-Modell enthaltene Informationen wie die Geometrie, bauphysikalische oder energetische Gebäude-, Raum- und Bauteilinformationen, wie Gebäudehüllflächen, Öffnungen, Ausrichtungen, Raumflächen und -volumen oder U-Werte etc. können für Berechnungen oder Simulationen verwendet werden. Werden alle relevanten Bauteilinformationen in das Modell eingepflegt, können bauphysikalische, thermische, energetische, tageslicht- oder lüftungstechnische Berechnungen und Simulationen, Heiz- und Kühllastberechnungen etc. theoretisch mit geringerem Eingabeaufwand realisiert werden. Schon in frühen Projektphasen lassen sich beispielsweise Aussagen zum energetischen Verhalten von Gebäuden wie dem Heizwärmebedarf, den Transmissionswärmeverlusten, solaren Wärmegewinnen oder dem CO2-Ausstoß treffen. Basierten energetisch bedeutsame Planungsentscheidungen bisher eher auf überschlägigen Berechnungen und Erfahrungswerten, so ermöglicht die modellorientierte Planung quasi eine „Echtzeit-Analyse“ der Energiedaten eines Bauvorhabens und eine quantitativ nachvollziehbare Optimierung der Gebäude-Energiebilanz schon in frühen Planungsphasen. Inzwischen gibt es viele Energieanalyse-Werkzeuge, die es Planern ermöglichen, die Energieeffizienz eines Gebäudes während der Entwurfs- und Planungsphase gezielt zu beeinflussen, CO2-Emissionen zu reduzieren und Effizienzziele oder Green-Building-Zertifikate im Auge zu behalten.

 


BIM-Modelle und Analysewerkzeuge zur Optimierung der Energie-Performance von Gebäudeentwürfen ermöglichen eine in die Architekturplanung integrierte Analyse und Bewertung wichtiger Energiekennzahlen. © Autodesk

 

Gebäudeentwürfe energetisch optimieren

BIM-Modelle und Analysewerkzeuge zur Optimierung der Energie-Performance von Gebäudeentwürfen wie zum Beispiel Energos, EnergyPlus, ESBO, Insight, Sefaira, TerMus PLUS und weitere (siehe auch Infokasten) ermöglichen eine, teilweise in die Architekturplanung integrierte, schnelle Ermittlung und Bewertung wichtiger Energiekennzahlen. Dazu müssen in das BIM-Modell alle notwendigen Informationen wie Standort, Raum-, Bauteil- und Anlagendaten eingepflegt werden. Über eine Analysefunktion der BIM-Modellgeometrie und der Materialeigenschaften werden alle sichtbaren Strukturen und Öffnungen gemäß ihrer Ausrichtung und Lage relativ zu den Raumflächen automatisch erfasst, Raumbegrenzungen generiert und deren Eigenschaften aufgelistet. Vom Planer ergänzt oder modifiziert werden Zonen und deren Nutzungsprofile, Raumbegrenzungs-Eigenschaften, U-Werte von Bauteilen, Eigenschaften der Fenster, Verschattungsarten, Standort- und Klimadaten, die Gebäudetechnik, Energiequellen und Energiekosten. Ohne in eine andere Software-Umgebung wechseln oder Daten austauschen zu müssen, werden die Ergebnisse in Form von Diagrammen mit präzisen Werten zum Energieverbrauch, zur monatlichen Energiebilanz oder zum CO2-Ausstoß ausgegeben. Entwurfsvarianten können auf Basis dieser Energiebilanz miteinander verglichen werden. Dadurch kann man Bauherren anschaulich vermitteln, wie sich die Energiekennzahlen ändern, wenn etwa anstelle einer Leicht-, eine Massivbauweise, eine bessere Dämmung gewählt, Fensterflächen verändert werden oder anstelle einer Gas eine Wärmepumpenheizung zum Einsatz kommt. Im Wechselspiel zwischen Entwurf, Analyse und Vergleich lassen sich so Entwurfskonzepte schon in früher Projektphase optimieren. Die berechneten Energiedaten können entweder exportiert oder direkt an ein Energieberater-Programm übergeben werden, mit dem ein Energieausweis erstellt oder das Projekt auf staatliche Förderkriterien geprüft werden kann.

 


Mit integrierten Energieanalyse-Tools können Entwurfsvarianten miteinander verglichen und Projekte in früher Phase optimiert werden. © Trimble

 

Berechnungen am „digitalen Zwilling“

Auch für die spätere, präzisere Berechnung und Simulation des Bauvorhabens oder Bestandsgebäudes bietet das parallel zum Planungsfortschritt immer detailliertere BIM-Gebäudemodell Vorteile, denn viele der für Berechnungen relevanten Bauteilinformationen sind darin bereits enthalten. Dadurch reduziert sich der Aufwand bei der energetischen Gebäudeoptimierung, für Heiz- und Kühllastberechnungen, bauphysikalische oder thermisch-dynamische Simulationen, der Energieausweis-Erstellung etc. Schließlich ist die Zusammenstellung und Eingabe der Raum-/Gebäudedaten in vielen Fällen aufwendiger als die eigentliche Berechnung. Allerdings funktioniert die Übergabe von Raum-/Gebäudedaten an Berechnungsprogramme und das Zurückschreiben der berechneten Werte in das BIM-Fachmodell nicht – oder noch nicht – reibungslos. So müssen etwa bei thermischen Simulationen aus dem BIM-Architekturmodell zunächst Raumhüllflächen generiert und das Gebäude in thermische Zonen eingeteilt werden. Erst danach können diese Informationen dem Berechnungsprogramm über die BIM-Schnittstellen IFC (Industry Foundation Classes) oder gbXML (Green Building XML) übergeben werden. Sind Räume oder Gebäudebauteile nicht korrekt konstruiert oder wird die IFC-Datenübergabe nicht sorgfältig vorbereitet, entstehen Fehler. Einige Softwarehersteller offerieren deshalb Modellierungsrichtlinien und Hinweise zum BIM-Datenaustausch sowie den Import in Berechnungs- und Simulationsprogramme.

 


 Energetisch relevante Bestandsdaten können auch mobil per App erfasst werden. © Hottgenroth

 

BIM + Energie im Bestand

Soll der Gebäudebestand energetisch ertüchtigt werden und will man zugleich die BIM-Planungsmethode nutzen, muss Vorhandenes zunächst digital erfasst und BIM-konform aufbereitet werden. Für das 3D-Aufmaß des Gebäudebestands haben sich die Tachymetrie und das 3D-Laserscanning etabliert. Beim tachymetrischen Verfahren werden mit Hilfe eines Laser-Messgeräts markante Objektpunkte in Form von 3D-Koordinaten einzeln erfasst. Aus den Messdaten können noch vor Ort 3D-Aufmaßskizzen erstellt und über Schnittstellen an CAD-Programme übergeben werden. Einige Lösungen können auch direkt beim Aufmaß Wände, Stützen oder Decken als BIM-Bauteile samt Bauteileigenschaften (Attributen) erfassen (z.B. Flexijet 4Archicad). Während sich das tachymetrische Aufmaß vor allem für Standardobjekte eignet, bietet das 3D-Laserscanning Vorteile bei der Erfassung komplexer Objekte. Beim 3D-Laserscanning wird neben der Geometrie in Form eines dichten Messpunkt-Rasters das Objekt über eine eingebaute Kamera auch fotografisch erfasst. Die Messdaten werden als „Punktwolken“ anschließend im Büro ausgewertet und dabei in CAD- oder BIM-Objekte umgewandelt (siehe auch architektur 2/22: Wie kommt der Bestand ins BIM?). Für die Erfassung von Gebäudedaten auf der Grundlage von 2D-Grundrissen, DXF-, DWG- oder gescannten Planvorlagen oder IFC-Dateien werden beispielsweise von Envisys, Firstinvision, Hottgenroth, Solar Computer oder ZUB-Systems auch spezielle 3D-Gebäudemodeler angeboten. Für die mobile Erfassung geometrischer und alphanumerischer Bestandsdaten gibt es auch spezielle Apps, beispielsweise die Energie-App von Hottgenroth.

 


Für eine erste Grobanalyse des BIM-Modells werden voreingestellte Werte wie Bauteilattribute übernommen. © Acca Software

 

Welche Energieanalyse-Werkzeuge gibt es?

Für eine in den Entwurfsprozess integrierte „Echtzeit-Analyse“ der Energiedaten eines Bauvorhabens und eine quantitativ nachvollziehbare energetische Optimierung werden inzwischen zahlreiche Lösungen offeriert, zB: EnergyPlus ist ein weit verbreitetes und in vielen Plugin-Lösungen enthaltenes, kostenloses Programm zur dynamischen Simulation des Energieverbrauchs für Heizung und Kühlung oder Lüftung von Gebäuden. EnergyPlus berechnet die Wärmestrahlung- und Konvektion, Oberflächentemperaturen, die Kondensation oder den thermischen Komfort und ermöglicht präzise Simulationsrechnungen in definierbaren Zeitschritten (https://energyplus.net). Das „Energie-Designtool“ Energos unterstützt Vectorworks-Anwender, die über wenig Erfahrungen mit  Energieberechnungen verfügen, bei der Energieanalyse und -­optimierung von Gebäuden. Grafiken veranschaulichen die Energieeffizienz eines Projekts und passen sich mit jeder energetisch relevanten Änderung automatisch an (www.computerworks.de). Das mit der 3D-Architektursoftware ArchLine.XP verknüpfte Programm Ecoline kann Gebäudeentwürfe energetisch optimieren und Energieausweise erstellen. Wichtige Ö-Normen wie die OIB-Richtlinie 6 oder länderspezifische Energieausweisregelungen werden berücksichtigt (www.it-concept.at). Autodesk offeriert mit Insight eine in Revit integrierte Gebäudeenergieanalyse und mit dem Green Building Studio einen webbasierten Energieanalyse-Service, um bereits in frühen Projektphasen Verbrauchs- und Emissionsanalysen durchführen und die Energieeffizienz von Gebäuden optimieren zu können (www.autodesk.at). Das SketchUp-Plugin Sefaira ermöglicht eine energetische Analyse erster Entwurfsideen. Grafiken visualisieren die Performance-Vorteile eines Entwurfs in Bezug auf Heizung/Kühlung, Warmwasser, Belichtung, CO2-Ausstoß, Energieverbrauch oder Betriebskosten (www.sketchup.com). TerMus Plus verknüpft die Energieanalyse und dynamische Gebäudesimulation mit den Berechnungsfunktionen von EnergyPlus und die BIM/3D-Modellierung in einer einzigen Lösung. Berechnungsergebnisse und Kostenschätzungen werden in Berichten, Tabellen und Diagrammen zusammengefasst, was Variantenvergleiche vereinfacht (www.accasoftware.com).

 


Soll das Architekturmodell an externe Berechnungsprogramme übergeben werden, muss es wichtigen BIM-Modellierrichtlinien entsprechen. © Solar Computer

 

Herausforderungen in der Praxis

BIM und Energie bilden in der Praxis noch keine Einheit. So sind effiziente Prozessabläufe und ein durchgängiger Datenfluss nur eingeschränkt möglich. Unzureichende Datenschnittstellen und mangelndes Know-how bei der BIM-Modellierung oder beim IFC- oder gbXML-Export schränken BIM-Rationalisierungspotenziale ein. So werden etwa vom Planer definierte Bauteil- und Materialdaten oder thermische Bauteileigenschaften häufig nicht oder nicht vollständig übertragen, so dass man fehlende Daten in der Berechnungssoftware manuell ergänzen muss, obwohl diese im BIM-Modell enthalten sind. Manchmal ist sogar eine korrekte Übergabe von Räumen und Gebäuden mit komplexer Geometrie eine Herausforderung, so dass teilweise eine Neueingabe erforderlich ist. Auch die Übernahme der Berechnungsergebnisse in das BIM-Modell und die interaktive Optimierung der Gebäudeenergieeffizienz funktioniert nur bei jenen Lösungen, bei denen die Berechnung und Simulation in der CAD/BIM-Autorensoftware als Plugin integriert ist.

 


Das BIM-gerechte Aufmaß des Gebäudebestands erfordert neben der geometrischen Erfassung auch die Erfassung von Objektdaten. © Faro

 

Weitere Produkte und Anbieter

ArchiWIZARD www.graitec.com
ESBO, IDA ICE www.equa.se
IES VE www.iesve.com
OpenBuildings Designer www.bentey.com
Therakles https://bauklimatik-dresden.de/therakles
TRNSYS www.trnsys.de

 

Literatur- und Linktipps

IFC/BIM-Anwendergruppe www.buildingsmart.de 
BuildingSmart International www.buildingsmart-tech.org 
Green Building XML www.gbxml.org
Organisation f. Gebäudesimulation www.ibpsa.org

 

[1] Benz, A., u.a.: Thermisch-energetische Gebäudesimulation auf Basis eines Bauwerks­informationsmodells, aus: Bauphysik 2/2018, Ernst & Sohn, Berlin
[2] Geiger, A., Hagenmeyer, V.: Prüfung von openBIM-Gebäudemodellen für die Thermische Gebäudesimulation, Institut für Automatisierungstechnik und Angewandte Informatik, KIT, Karlsruhe, 2018

 

 

Text: Marian Behaneck