Das Office der Zukunft

Anstatt eines 08/15-Bürobaus realisiert Google mit dem Bay View Campus im Silicon Valley seine Vision vom Arbeitsplatz der Zukunft. Der Entwurf für das neue Headquarter des US-amerikanischen Technologieriesen entstand im Zuge eines kollaborativen Prozesses in Zusammenarbeit mit dem Heatherwick Studio und BIG (Bjarke Ingels Group). Im Mittelpunkt standen dabei sowohl die Nutzer und Mitarbeiter als auch ein nachhaltiges Energiekonzept.

Das Office der Zukunft

Anstatt eines 08/15-Bürobaus realisiert Google mit dem Bay View Campus im Silicon Valley seine Vision vom Arbeitsplatz der Zukunft. Der Entwurf für das neue Headquarter des US-amerikanischen Technologieriesen entstand im Zuge eines kollaborativen Prozesses in Zusammenarbeit mit dem Heatherwick Studio und BIG (Bjarke Ingels Group). Im Mittelpunkt standen dabei sowohl die Nutzer und Mitarbeiter als auch ein nachhaltiges Energiekonzept.

 

Google Bay View Campus

 

Das Bay View Areal erstreckt sich im kalifornischen Mountain View, im Herzen des Silicon Valley, über mehr als 40 ha Fläche. Dort setzt es sich aus drei Baukörpern zusammen: zwei Office-Gebäuden und einem dritten mit Platz für Veranstaltungen und Mitarbeiter­unterkünften. Das Trio fügt sich in einen liebevoll angelegten Landschaftspark mit Feuchtbiotopen, Bäumen, Pflanzen und Blumen ein. Als flache Volumen gestaltet, scheinen sich die Neubauten in die natürliche Umgebung zu ducken und gleichzeitig ein aktiver Teil von ihr zu werden. Die Natur sollte nicht nur erhalten, sondern in den neuen Campus integriert werden und auch Lebensraum für Tiere bieten.

 

Google Bay View Campus

 

Mittels eines ganzheitlichen Ansatzes bezog das britisch-dänische Planerteam Sonne, Regen und Erdboden in den Entwurf mit ein und machte sich diese externen Faktoren zunutze. Das zeichnet sich bereits von außen ab: Halbsteife Zeltdachkonstruktionen legen sich in sanften Wellen über die Baukörper. Als Vorbild dafür dienten Beispiele aus der Tierwelt. Wie die Haut von Drachen oder Fischen überzieht die Gebäudehülle eine schuppenartige Struktur aus 50.000 Solarpaneelen. Die Photovoltaik-Schuppen fungieren nicht nur als gestalterisches Element, sondern decken auf dem ausschließlich elektrisch betriebenen Campusgelände außerdem 40 % des jährlichen Energiebedarfs. Jede der Solarzellen stellt ein kleines Kraftwerk dar, welches die Sonnenergie optimal nutzt und die Strahlen dank der intelligenten Ausrichtung den ganzen Tag über einfängt. Über die gesamte Fläche verteilt, produziert die Dachhaut rund 7 Megawattstunden Strom. Zusätzlich zu dem integrierten Photovoltaiksystem wird der Google-Hauptsitz mit kohlenstofffreier Energie aus einem nahegelegenen Windpark versorgt.

 

Google Bay View Campus

 

Um mit der kostbaren Ressource Wasser im heißen Kalifornien möglichst sparsam umzugehen, übernehmen Dach und Schuppen noch eine zweite Funktion: Ihre Form ist so optimiert, dass sie Niederschlag bestmöglich ableiten. Das gesamte Regenwasser wird aufgefangen und auf dem Grundstück in Seen gespeichert. Diese stellen als natürliche Feuchtgebiete für Flora und Fauna wiederum einen Teil des biophilen Designkonzepts dar. Darüber hinaus speisen die Becken die Brauchwasserversorgung des Tech-Headquarters. Eine hauseigene Aufbereitungsanlage recycelt das Abwasser und sorgt in Kombination mit Einsparungen bei der Klimatechnik sogar für eine positive Wasserbilanz der Gebäude.

 

Google Bay View Campus

 

Die letzte Komponente des nachhaltigen, energetischen Konzepts bildet das smarte Heiz- und Kühlsystem, welches fossile Energie wie Gas gänzlich ersetzen soll. Es basiert auf Erdwärme und wird über die schlanken, weißen Stützen – die die Dächer tragen – in das Tragwerk des Komplexes integriert. Ihre Fundamente sind direkt an eine Geothermieanlage gekoppelt. 160 km Rohre erstrecken sich im Untergrund über eine Fläche von 12 Football-Feldern und machen Google Bay View zum größten Geothermie-Projekt Nordamerikas. In dem unterirdischen Rohrnetz wird das Wasser passiv temperiert und die Neubauten auf diese Weise dank der konstanten Temperatur des Erdbodens im Sommer gekühlt und im Winter beheizt. Dieser Low-Tech-Ansatz minimiert nicht nur die CO2-Emissionen des Komplexes um fast die Hälfte, sondern auch den Wasserverbrauch um 90 % im Vergleich zu konventioneller Gebäudeklimatisierung.

 

 

Im Inneren der Google-Headquarters sollten die Mitarbeiter das Gefühl haben, unter freiem Himmel zu arbeiten. Um dies zu erreichen, ermittelten die Planer mithilfe von Analysen und Modellen die idealen Proportionen massiver und verglaster Flächen. Die einzelnen Elemente der Dachstrukturen spannen große Oberlichter auf, durch die reichlich Tageslicht in die Bürobereiche fällt. Automatische Jalousien schützen vor direkter Sonneneinstrahlung und vermeiden Blendung. Zusätzlich zur natürlichen Belichtung ermöglicht jeder Arbeitsplatz Ausblick nach draußen und verbessert so Wohlbefinden und Nutzerkomfort noch weiter. Großen Wert legte man zudem auf gesunde Materialien und eine angenehme Akustik. Ein Frischluft-basiertes Lüftungssystem garantiert ganzjährig ein angenehmes und gesundes Raumklima und rundet die ganzheitliche Planung stimmig ab.

 

Google Bay View Campus

 

Auf über 100.000 m2 Nutzfläche ging es in Google Bay View darum, ein Gleichgewicht zwischen gemeinschaftlichen Bereichen und ruhigen Zonen für fokussiertes Arbeiten zu finden. Anstelle von einengenden Regelgeschossen entschied man sich unter den zeltartigen Dächern deshalb für eine offene, flexible Bürolandschaft. Während das Erdgeschoss mit Höfen und Plätzen sowie Cafés, Meeting-Räumen, Sportbereichen und anderen Gemeinschaftsflächen als kommunikativer Marktplatz mit urbaner Atmosphäre gestaltet ist, befinden sich in der oberen Etage die Arbeitsbereiche. Die Büros sind als individuelle Zellen organisiert und jeweils auf Teams von 40 bis 80 Personen ausgelegt. Verbunden werden die einzelnen Abteilungen – wie in einer kleinen Stadt – anhand eines Wegenetzes mit größeren Straßen, kleineren Gassen und Rampen.

 

Google Bay View Campus

 

Gemeinsam mit den Experten des Technologie-Giganten machen Heatherwick Studio und BIG mit dem Projekt vor, wie integrative Planung funktionieren kann. Mit Fokus auf die Gemeinschaft setzt der Google Bay View Campus in Sachen Nachhaltigkeit neue Maßstäbe und präsentiert gleichzeitig ein innovatives Office-Modell. Anstatt Design und energetisches System getrennt zu betrachten und nachträglich Photovoltaik-Paneele zu installieren, werden diese von Anfang an Teil des Entwurfs. Das effiziente Energiekonzept soll dem neuen Headquarter nicht nur eine LEED-NC v4 Platin-Zertifizierung für seine Umweltfreundlichkeit einbringen, sondern vor allem ein modernes, menschzentriertes Arbeitsumfeld schaffen, in dem sich alle wohlfühlen.

 

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Google Bay View
Mountain View, Kalifornien

Bauherr: Google
Planung: Heatherwick Studio, BIG (Bjarke Ingels Group)
Statik: Thornton Tomasetti
Bautechnik: Sherwood Design Engineers, Arup Civil, BKF Engineers
Geotechnik: Kleinfelder
TGA: Intergral Group
Innenarchitektur: Studios
Landschaftsarchitektur: Olin

Grundstücksfläche: 42 ha
Nutzfläche: ca. 100.000 m2
Planungsbeginn: 2015
Baubeginn: 2017
Fertigstellung: 2022

www.heatherwick.com
www.big.dk

 

 

Text: Edina Obermoser
Fotos: Iwan Baan