Der Klimaschutz: Ein Wegweiser für die moderne Architektur
Nachhaltigkeit ist in der Bauplanung auf dem Vormarsch – sensible Projekte sollen den Klimaschutz in der Bauwirtschaft ankurbeln und kreative Lösungen für Herausforderungen in der heutigen Zeit liefern.
Nachhaltigkeit ist in der Bauplanung auf dem Vormarsch – sensible Projekte sollen den Klimaschutz in der Bauwirtschaft ankurbeln und kreative Lösungen für Herausforderungen in der heutigen Zeit liefern.
Dabei etabliert sich klimafreundliches Wohnen nicht nur dann, wenn es um Neubauprojekte geht – auch der Bestand lässt sich unter den Gesichtspunkten der Resilienz erneuern. Dass nachhaltige und soziale Konzepte eine Vielzahl an Ansätzen haben können, zeigen vier vom Klimabündnis Österreich ausgezeichnete Projekte. Unter ihnen befinden sich smarte Neubauten mit innovativen Wohnkonzepten sowie Bestandshäuser, deren Energiebedarf mit erneuerbaren Ressourcen gedeckt wird.
Innovative Energiekonzepte treffen auf leistbares Wohnen
Soziale Wohnkonzepte müssen nicht auf Kosten des Klimaschutzes gehen – ganz im Gegenteil: Architekten bemühen sich immer öfter um die Verknüpfung der beiden Komponenten. Musterbeispiel für eine gelungene Umsetzung jener Idee ist der Sonnengarten Limberg in Zell am See, in Salzburg. Insgesamt 140 geförderte Eigentums- und Mietwohnungen sind Kernstück des Projekts, das obendrein nachhaltige und soziale Lebenskonzepte fördert. Der Bau der Wohnungen erfolgte gemäß den Klimaaktiv-Richtlinien, womit für ein gesundes Raum- und Wohnklima gesorgt ist. In der Anlage befinden sich ein Nahversorger, mehrere Multifunktionsräume, ein Kindergarten, ein Musikproberaum, eine Gemeinschaftswerkstatt und eine Jugendlounge. Die Wohnsiedlung ist damit bedürfnisorientiert – das Prinzip der „Stadt der kurzen Wege“ wurde hier gekonnt angewendet. Zur Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse, müssen die Bewohner die Anlage nicht verlassen.
Auch für die Einbindung sozialer und demographischer Bedürfnisse sahen sich die Planer – die Gemeinde Zell am See und die Baufirma Hillebrand – verantwortlich. Aufzüge sind daher mit akustischen Signalen ausgestattet, wobei die Anlage zusätzlich mit taktilen Leitsystemen versehen ist. Außen- und Innenräume wurden barrierefrei gestaltet. Ein nachbarschaftlich orientiertes Sozialkonzept vor Ort soll die Lebensqualität im Sonnengarten stärken.
Mit dem Smart City Demo Projekt wird ein zukunftsweisendes Mobilitätskonzept in die Anlage integriert. Das Ziel ist hierbei die Änderung des Mobilitätsverhaltens der Bewohner. Dafür wenden die Planer ein ganzes Paket aus Maßnahmen an. Der Ausstieg aus dem motorisierten Individualverkehr soll mit Trolleys, Scootern, Fahrrädern, E-Car-Sharing sowie Angeboten des öffentlichen Verkehrs gefördert werden.
Ein sozialer Wohnbau in Holzriegelbauweise
Dass sich mit ökologischer Bauplanung soziale Wohnprojekte umsetzen lassen, zeigt auch das Projekt der Baugruppe „Bikes and Rails“. Es handelt sich hierbei um einen Verein, der sich der nachhaltigen Architektur und Stadtplanung verschrieben hat – deren Ziel ist die Realisierung von bezahlbaren Wohn- und Arbeitsräumen für viele Generationen. Gemäß dem Motto „Wohnen als Grundrecht“ erfolgte die Errichtung eines Passivhauses in Holzriegelbauweise im Sonnwendviertel nahe dem Wiener Hauptbahnhof. Die Realisierung des Projekts fand in Kooperation mit dem Architekturbüro Reinberg – einem Pionier für ökologische Bauweise – statt.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Im Erdgeschoß finden Gemeinschafts- und Gewerberäume Platz, wobei auf fünf Stockwerken 18 Wohneinheiten unterschiedlicher Größe untergebracht sind. Des Weiteren steht den Bewohnern eine Dachterrasse zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung. Auch der Keller enthält Flächen für die Freizeitgestaltung. Dabei macht sich die Architektur des „Bikes and Rails“-Projekts die spezielle Standortsituation zunutze. So öffnet sich die Südfassade zur Sonne und zur Stadt hin. Die Westfassade kennzeichnen große Fenster, Balkone und transparente Erdgeschoßzonen. Jene Seite verschmilzt mit dem öffentlichen Raum, wodurch sich eine einladende Verbindungszone zum angrenzenden Helmut-Zilk-Park bildet. Das Haus öffnet sich zudem durch Gewerbe und Gastronomie im Erdgeschoß seiner Umgebung.
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© Hannah Mayr
Bemerkenswert ist des Weiteren das solidarische Organisations- und Finanzierungsmodell von „Bikes and Rails“ – dank ihm ergeben sich etliche Spielräume bezüglich alternativer Nutzungen. So wurde unter der Zusammenarbeit mit dem Projektpartner „Flüchtlinge Willkommen“ eine Vier-Zimmer-WG von 150 m2 im ersten Stock eingerichtet. Geflüchteten und Studierenden steht damit günstiger Wohnraum im Gebäude zur Verfügung. Gelebte Nachbarschaft soll Flüchtlingen einen guten Start in Österreich ermöglichen.
Klimaneutrale Energieversorgung für den Bestand
Altbauten haben aufgrund ihrer besonderen baulichen Eigenschaften eine Sonderstellung, wenn es um die Implementierung nachhaltiger Ressourcen geht. Doch auch in die Jahre gekommene Bauwerke müssen nicht unbedingt mit fossilen Heizungen betrieben werden. Es besteht durchaus die Möglichkeit, diese mit CO2-neutralen Systemen auszustatten – es wird damit eine Wärmeversorgung, die frei von Kohlendioxid ist und keine Belastung für die Luftreinheit darstellt, realisiert. Einfach ist die Sanierung der Heizanlage im Gebäudebestand selbstverständlich nicht. Dies gilt vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass es für Bestandsbauten keine allgemeingültige Lösung gibt. Es gilt, im Spannungsfeld zwischen baulichen und technischen Möglichkeiten zu entscheiden, ob und wie die Erfordernisse des Klimaschutzes in den Vordergrund zu stellen sind.
Gelungenes Beispiel für eine nachhaltige Sanierung ist das House of Commons in Pradl. Arbeits- und Umweltmediziner Heinz Fuchsig sanierte das 100 Jahre alte Zinshaus im Innsbrucker Stadtteil gemäß einem Nachhaltigkeitskonzept, das die sozialen Aspekte des Wohnens und die Energietechnik gleichermaßen berücksichtigt. Nach der Isolierung alter Fassaden, erfolgte die Implementierung eines zentralen, klimaneutralen Heizsystems. Betrieben wird Letzeres mit 24 m2 Solarzellen auf dem Dach sowie mit zwei Grundwasser-Wärmepumpen. In der Nacht erfolgt eine automatische Lüftung. Zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts der Bewohner, schuf Fuchsig gemeinschaftlich nutzbare Räume – damit rief er in Pradl das Konzept des Co-Housing ins Leben. In einer „Leihkammer“ bringen die Parteien gemeinschaftlich nutzbare Gegenstände unter. Der gemeinsamen Nutzung dienen auch Garten, Hochbeet und Werkstatt.
Der kostenoptimierte Wohnbau als gelungenes Experiment
Innovation braucht Mut. Diesen bewiesen die Planer des Projekts KliNaWo –Klimagerechter Nachhaltiger Wohnbau. Gemeinschaftlich und energetisch optimale Werte waren das Ziel der gemeinnützigen Wohnanlage im Vorarlberger Feldkirch. Das Architekturbüro Walser und Werle realisierte in Zusammenarbeit mit der VOGEWOSI 2017 ein dreigeschossiges Mehrfamilienhaus mit 18 Wohneinheiten. Ebendieses fungiert als Modellvorhaben für klimaoptimierte und kostensparende Bauweise. Eine optimal gestaltete Gebäudehülle in Passivhausqualität soll für beste Energiewerte in den Wohnräumen sorgen. Zur Berechnung der Lebenszykluskosten kam ein österreichweit einzigartiges Verfahren zur Anwendung. Mehr als 60.000 Varianten wurden mithilfe einer speziellen Software durchgespielt, wobei man die Angebotspreise, den Energiebedarf und die Wartungskosten als Basis heranzog. Ziel war das Finden der perfekten Gebäudevariante für ein Energie- und Kostenoptimum.
Und dieses Experiment war ein voller Erfolg. Die Energiekosten für eine Wohnung von 76 m2, liegen mit 10,60 Euro pro Monat unter dem ursprünglich errechneten und angestrebten Wert. Mit einem Energieverbrauch von nur 14 kWh je m2 Wohnnutzfläche für Warmwasser und Heizung, gehört der Bau zu einem der energieeffizientesten Mehrfamilienhäuser in Österreich. Auch die soziale Komponente kam bei KliNaWo nicht zu kurz. Für das Projekt sind die Einkommensgrenzen vergleichsweise hoch angesetzt. Außerdem setzten die Planer bei der Ausstattung bewusst auf Einrichtungsgegenstände von hohem Wert. Es sollte damit eine ausgewogene gesellschaftliche Durchmischung erreicht und die Bildung sozialer Ghettos vermieden werden. Eine kostengünstige, soziale und klimaschonende Bauweise müssen einander also nicht ausschließen. Das Projekt KliNaWo zeigt auf, dass eine Kombination aller drei Komponenten in der Architektur durchaus machbar ist.
Text: Dolores Stuttner