Die Einfachheit der Materialien

Dass Wiederverwendung von Schrott, lokalen Materialien und traditionelle Technik zu herausragenden Ergebnissen führen können, beweist das Architekturbüro Wallmakers in Indien beim Bau eines Einfamilienhauses für einen privaten Auftraggeber. Der Beitrag Die Einfachheit der Materialien erschien zuerst auf architektur-online.

Die Einfachheit der Materialien

Dass Wiederverwendung von Schrott, lokalen Materialien und traditionelle Technik zu herausragenden Ergebnissen führen können, beweist das Architekturbüro Wallmakers in Indien beim Bau eines Einfamilienhauses für einen privaten Auftraggeber.

 

Wallmakers IHA RESIDENCE Trivandrum, Indien

 

Die Baustoffe Holz und Naturstein sind heute im Westen eher dem Luxussegment des Bauens vorbehalten. Vor einigen Jahrzehnten waren sie in südlichen Ländern noch billiger als Beton und ähnliche Werkstoffe. Aufgrund von Ressourcenverknappung und Ausbeutung unserer Umwelt erleben sie momentan ein Revival. Vor allem in den asiatischen Ländern greifen Auftraggeber und Bauherren immer öfter auf lokale Materialien wie Holz, Ziegel oder Bambus und auch auf ungewöhnliche Baustoffe zurück. Sehr deutlich wird das in dem Wohnprojekt, das das Architekturbüro Wallmakers für einen Kunden in der Stadt Trivandrum realisierte. Das Briefing des Kunden verlangte eine ökofreundliche, friedliche Architektur als Gegenpol zur Betriebsamkeit der Stadt.

 

Wallmakers IHA RESIDENCE Trivandrum, Indien

 

Die Residenz stellt ein Oxymoron dar, heiter und freundlich, aber gleichzeitig minimalistisch, abenteuerlich und wild im Design. Das Grundstück ist eher tief gelegen und bietet daher Gelegenheit für die Wassergewinnung – das korrelierte auch mit der ersten Herausforderung, die im Entwurf zu bewältigen war. Der Gedanke war, das Gebäude so zu situieren, dass es kein Hindernis für durchfließendes Wasser nach Regengüssen darstellt. Denn diese Regenperioden sind im Bundesstaat Kerala sehr häufig. So wurde am tiefsten Punkt des Grundstückes (ca. in der Mitte des Hauses) ein Wasserauffangbecken errichtet. Es liegt teilweise gedeckt unter dem Haus und sein offener Teil bietet einen zusätzlichen Reiz für die Bewohner.

 

Wallmakers IHA RESIDENCE Trivandrum, Indien

 

Die Verwendung von Bambus für die Fassade brachte anfangs einige Bedenken mit sich: Es bestand die Befürchtung, dass das Material die enorme und gesamte Größe des Bauwerkes nicht unterstützen und tragen könne. Das wurde mithilfe dieses Projektes als falsch bewiesen, denn die Bambusfassade ist durch eine Verstärkung aus Stahlstäben in ihrer Position fixiert. Ihre parametrische Form windet sich über zwei Geschosse an der Längsseite des Hauses entlang und ungefähr in der Mitte der Residenz nimmt sie eine von innen nach außen führende Erschließungsstiege aus Eisenbetonstufen auf und bildet deren statisches Gerüst. Ein Teil der Fassade bildet eine halb offene Struktur, in der man meditieren und den Luftzug genießen kann.

 

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Für die Abtrennungen in den privaten Bereichen, wie Schlafzimmer und Nasszellen, haben die Architekten ein sogenanntes Jali-Mauerwerk* verwendet. Produziert wurde es aus CSEB Ziegel (Compressed Stabilized Earth Blocks) und durch eine Drehung im Mauerverband ist eine durchlüftete, lichtdurchlässige, aber nicht transparente Wand entstanden. Neben den wunderbaren Lichteffekten ist so auch eine dauernde Durchlüftung der Räume gewährleistet.

Auf einem Schrottplatz suchten die Architekten sämtliche kaputten Waschmaschinen zusammen, bauten die Trägerplatten der Motoren aus und schweißten damit neue, dekorative Wandelemente für die Wohnräume zusammen. Wieder licht- und luftdurchlässig. Das ist eine clevere Art des Upcyclings und gleichzeitig bot es einigen Menschen Beschäftigung und die Möglichkeit, handwerkliches Geschick zu beweisen. Durch diesen Versuch, den routinemäßigen Ablauf eines Produktes (kaufen, konsumieren und wegwerfen) zu unterbrechen, wurde in spektakulärer Weise ein Designeffekt für die Residenz geschaffen – so sind kleine Kunstwerke aus Schrott entstanden.

 

Wallmakers IHA RESIDENCE Trivandrum, Indien

 

 Auch die meisten Einrichtungsgegenstände und Möbel des Hauses sind aus Abfall produziert. Entwurzelte Bäume wurden zu Sitzsofas, Wurzelstöcke zu Tischbeinen, alte Gitterteile zu Regalen. Die Küche verzichtet auf Fliesen, stattdessen sind alle Flächen aus Eisenbeton und mit Zementmilch versiegelt. Die Türen der Kästen bestehen aus Abfallbrettern diverser Sägewerke aus der Umgebung. So haben die Architekten in Indien ein Musterbeispiel – auch in pädagogischer Hinsicht – geschaffen, wie Materialien innovativ verwendet werden können, wie Nachhaltigkeit in der Praxis funktionieren kann und wie minimalistischer Aufwand einen ‚sichtbaren‘ und lebenswerten Erfolg bringen kann.

 

Wallmakers IHA RESIDENCE Trivandrum, Indien

 

IHA RESIDENCE
Trivandrum, Indien

Bauherr: privat
Planung: Wallmakers, Arch. Vinu Daniel
Mitarbeiter: Antony T.A. und Team
Statik: Kunjumon James – J.K steels

Grundstücksfläche: 287 m2
Bebaute Fläche: 116 m2
Nutzfläche: 255 m2
Planungsbeginn: 2016
Bauzeit: 2 Jahre
Fertigstellung: 2018
Baukosten: 797.000 Euro

 

 

Text: Peter Reischer
Fotos: Anand Jaju

 

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