Die Stadt räumlich programmieren

Interview - Von Stefan Mayr und Roland Krebs wurde 2010 in Wien ihr Büro superwien urbanism gegründet. Dabei beschäftigen sie sich vor allem mit Städtebau und nachhaltiger Architektur. Die Projektbereiche umfassen großmaßstäbliche Aufgabenstellungen, genauso wie kleinmaßstäbliche. Der Beitrag Die Stadt räumlich programmieren erschien zuerst auf architektur-online.

Die Stadt räumlich programmieren

Von Stefan Mayr und Roland Krebs wurde 2010 in Wien ihr Büro superwien urbanism gegründet. Dabei beschäftigen sie sich vor allem mit Städtebau und nachhaltiger Architektur. Die Projektbereiche umfassen großmaßstäbliche Aufgabenstellungen, genauso wie kleinmaßstäbliche. Sie reichen von Metropolenplanung und Wohnbau über Erdgeschosszonen-Strategien, hin zu Beteiligungsprozessen und Place­making. Angesiedelt sind ihre Projekte in Österreich, Südosteuropa, Zentralasien und Lateinamerika.

 

Architekt Stefan Mayr von superwien urbanism

 

Was macht eine Stadt aus?
Für mich sind die Möglichkeiten, die Vielfalt und die unterschiedlichen Lebensweisen interessant, die sich in einer Stadt ergeben. Natürlich auch die Dichte und die Intensitäten, durch die diese sich ergeben. Das bezieht sich auf persönliche Entwicklungen von Menschen, aber natürlich auch auf die Räume, die man dafür entwickeln muss.

Woran erkennt man eine funktionierende Stadt?
Städte funktionieren meistens, denn in Städten müssen immer eine Vielzahl an Entscheidungen getroffen werden. Man kann eine Stadt nicht einfach sich selbst überlassen. In ärmeren Ländern funktioniert das auch informell. Es werden Räume geschaffen, in denen sich Leute austauschen und etwas zusammen entwickeln, weil sie dort zusammenleben.

 


Der Entwurf von superwien urbanism für ein Quartier in der Rösslergasse legt den Fokus auf die Schaffung von leistbarem Wohnraum und auf vielfältige urbane Freiräume. Aktive und interagierende Sockelzonen stärken das urbane Leben und die Identität des Quartiers.
© superwien

 

 

Warum ist der öffentliche Raum für eine Stadt so bedeutend?
Der öffentliche Raum ist das Grundgefüge der Stadt. Wenn man ihn als gemeinsamen Raum denkt, dann spiegelt er die Demokratie wider. Mit ihm sind gewisse Rechte und auch die Meinungsfreiheit verbunden. Öffentliche Freiräume ermöglichen es auch, auf die Auswirkungen des Klimawandels zu reagieren.

Was zeichnet einen qualitätsvollen öffentlichen Raum aus?
Da gibt es viele Kriterien und es ist zum Teil sehr subjektiv, denn er spricht viele Leute an. Im Prinzip sollte er neutral in der Art sein, wie man ihn nutzen kann, denn er sollte allen Bevölkerungs- und Altersgruppen zur Verfügung stehen. Öffentlicher Raum zeichnet sich dadurch aus, dass niemand bewusst ausgeschlossen wird. Er steht allen in der Stadt zur Verfügung. Das Gegenteil davon passiert oft in Shopping Malls oder Gated Communities, wo wertvoller Freiraum der Öffentlichkeit entzogen wird und mit privaten Regeln kontrolliert wird. Das ist dann die falsche Richtung.

Welche neuen Aufgaben hat der öffentliche Raum heute?
Übergeordnete Freiräume spielen als Quartiersparks eine wichtige Rolle in Bezug auf die höhere städtebauliche Dichte, die man derzeit entwickelt. Diese ist nur möglich, wenn man gleichzeitig qualitätsvollen öffentlichen Freiraum schafft. Er hat natürlich auch eine Aufgabe hinsichtlich des Klimas. Deshalb müssen Städtebau, Verkehr und Freiraum zusammen gedacht werden.

 


Öffentliche und halböffentliche Raumsequenzen bilden am Grätzelplatz des Oberen Hausfelds ein engmaschiges Netzwerk. So können spannende und abwechslungsreiche urbane Qualitäten entstehen. Auf Basis des von superwien urbanism gestalteten Masterplans wurde die Widmung heuer vom Gemeinderat beschlossen.
© superwien

 

Welche Rolle spielt Partizipation im Städtebau?
Stadtentwicklungsprojekte ohne Dia­log mit der Bevölkerung und ohne partizipativen Anspruch in der Planung funktionieren nicht mehr. Meinungen sind gefragt und Möglichkeiten muss man nutzen. Die dort lebenden Leute haben natürlich ein Wissen und wollen mitgestalten. Diesen Raum muss man ihnen schon zu Beginn der Planung geben. Später muss man dann konkret darauf reagieren und ihnen Räume zur Verfügung stellen, die sie in Besitz nehmen und weiterentwickeln können.

Gibt es in letzter Zeit verstärkt Inter­esse an partizipativen städtebaulichen Projekten?
Partizipation in der Planung ist fast nicht mehr wegzudenken. Bei uns gibt es nahezu keine Projekte mehr, die keinen partizipativen Teil haben. Nur einen Plan zu machen und dann umzusetzen funktioniert nicht mehr. Man hat entdeckt, dass die Leute ihre Lebensweise selber gestalten und mitreden wollen. Politik und Planung sollen keine neutralen Räume schaffen, sondern Projekte, die von der Bevölkerung mitgetragen werden.

Welche Bedeutung hat Mischnutzung für eine Stadt?
Mischnutzungen sind das Herz einer Stadt. Auch im Sinne der Nachhaltigkeit ist es wichtig, dass es vor Ort einen Austausch gibt. Wohnen und Arbeiten sollten gemischt sein mit zusätzlichen Räumen, die auch Möglichkeit zur Entfaltung geben. Das bezieht sich dann bewusst auf den Freiraum. Bei Stadtentwicklungsgebieten ist der Übergang von Freiraum zum Gebäude von Mischnutzungen betroffen. Da kann man Schwerpunkte setzen und bewusste Verbindungen schaffen, um die Vielfalt zu stärken.

 


Das Konzept der SuperWien Metropole betrachtet die Städte Wien, Bratislava und Wiener Neustadt in einem überregionalen Zusammenhang, für die raumplanerische Ideen und Konzepte entwickelt wurden. Die nationalen Grenzen dieser Metropolenregion wurden dabei überwunden.
© superwien

 

Welche Möglichkeiten bieten diese Schwellenräume?
Der Freiraum ist das Grundgerüst von Stadtentwicklung, Lebensraum und Öffentlichkeit. Er verbindet einzelne Gebäude und Nutzungen miteinander. Wenn man den Schwellenbereichen Aufmerksamkeit gibt, dann muss man seine Nutzungen aktivieren. Man kann sie bewusst organisieren und auch zusammenführen, um daraus Urbanität entstehen zu lassen. Die Nutzungen auf Straßenniveau spiegeln sich natürlich im Freiraum wider. Bei unseren Projekten geht es darum, über Baufelder hinaus zu denken. Durch Straßenaufweitungen entstehen soziale Infrastruktur und Treffpunkte, die dann auch die Nutzung der Erdgeschosszone betreffen. Daraus entstehen dann Grätzelplätze, die einige Funktionen des Miteinanderlebens aufnehmen können.

Gibt es Aufgabenbereiche, mit denen Sie sich besonders gerne beschäftigen?
Ich beschäftige mich mit großmaßstäblichen Aufgaben, aktuell mit der Metropolenregion Wien-Bratislava-Wiener Neustadt. Das ist ein spannender Raum, weil es die administrativen Grenzen fast unmöglich machen diesen Raum zu planen. Die Realität des Austausches ist aber ein ganz anderer. Das betrifft die Menschen, die innerhalb der Region zur Arbeit pendeln, sowie auch Landschafts- und Freiräume. Auf der anderen Seite sind es auch ganz kleinmaßstäbliche Projekte, wie Placemaking. Dabei werden konkrete Räume durch Interventionen aktiviert, um so Urbanität zu stimulieren und zu initiieren.

 


Die Studie von superwien urbanism über die Entwicklung von neuen Zentren ist in das Fachkonzept der MA 18 – Stadtentwicklung und Stadtplanung „Mittelpunkte des städtischen Lebens – Polyzentrales Wien“ eingeflossen, das im Dezember 2019 vom Gemeinderat beschlossen und 2020 veröffentlicht wurde. Dabei wurde untersucht, welche Instrumente es bedarf, um das städtische Leben in einem polyzentralen Wien zu gestalten.
© Ma18, Stadt Wien

 

Von welchen Aufgabenstellungen sollte es mehr geben?
Bei der Entwicklung von Stadtteilen gibt es strategische Überlegungen, wie groß Freiräume sind und wie sie zusammenhängen. Diese Strategie setzt man dann für Quartiersentwicklungen in konkreten Projekten um. An der Schnittstelle zwischen strategischer und räumlicher Umsetzung, die dann wirklich zu Wohnraum und Freiraum führt, da könnte man noch einiges mehr tun. Es geht um Partizipation und den Dialog mit der Bevölkerung, der Politik und den Bauenden. Darauf muss man sich einlassen. Daraus lässt sich eine Stadt entwickeln und mit Inhalten räumlich programmieren.

Worin soll eine Stadt unbegrenzt sein?
Die Stadt braucht mehr Freiraum und mehr Möglichkeiten, um vielseitig zu sein. Politische Grenzen braucht sie weniger, weil sich die Stadtgrenze und die Nutzungen im realen Raum widersprechen. Diese ist im täglichen Leben nicht vorhanden, schränkt aber doch ein. Die Klimagerechtigkeit ist der große Anspruch, den wir jetzt an die Stadt haben.

www.superwien.com

 

 

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