Effizientes Wohnen am Wasser
Mit dem Sluishuis – dem Schleusenhaus – interpretierten Barcode Architects in Zusammenarbeit mit der Bjarke Ingels Group (BIG) in Amsterdam die traditionelle Typologie des Wohnblocks mit Innenhof neu und verliehen ihr ein energieeffizientes Make-over. Das holländisch-dänische Planerduo entwickelte den nachhaltigen Bau mit 442 Wohnungen direkt auf dem Wasser und schuf mit ihm eine plakative Landmarke im Plusenergiestandard.
Mit dem Sluishuis – dem Schleusenhaus – interpretierten Barcode Architects in Zusammenarbeit mit der Bjarke Ingels Group (BIG) in Amsterdam die traditionelle Typologie des Wohnblocks mit Innenhof neu und verliehen ihr ein energieeffizientes Make-over. Das holländisch-dänische Planerduo entwickelte den nachhaltigen Bau mit 442 Wohnungen direkt auf dem Wasser und schuf mit ihm eine plakative Landmarke im Plusenergiestandard.
IJburg ist ein künstlich angelegter Stadtteil im Osten der niederländischen Hauptstadt. Er befindet sich auf den – um die Jahrtausendwende aufgeschütteten – Inseln Steigereiland, Haveneiland und Rieteilanden. Mit dem Projekt Sluishuis sollte das junge Viertel um vielseitigen bzw. leistbaren Wohnraum erweitert werden und gleichzeitig ein neuer, repräsentativer Eingang am Westrand des Areals entstehen. Im Fokus stand dabei nicht nur das Wohlbefinden der Bewohner, sondern vor allem das Thema Nachhaltigkeit. Um diese beiden Punkte optimal zu vereinen, fiel die Wahl der beiden Architekturbüros auf eine auffällige Kubatur: einen quadratischen Block mit zwei fehlenden Ecken. Während das Gebäude in südlicher Richtung von abgetreppten Terrassenflächen aufgelockert wird, kragt der Bau auf der anderen Seite weit aus (und bildet vom Wasser her eine Art Schleuse, die dem Projekt wohl auch ihren Namen verleiht). Die besondere Form ermöglicht auch im Inneren des Neubaus eine optimale Belichtung aller Einheiten und lässt das Sluishuis trotz seiner Größe dynamisch erscheinen. So schafft das Schleusenhaus zum einen eine einladende Geste für Passanten und Bewohner des Quartiers und wirkt zum IJmeer hin fast so, als würde es jeden Moment in See stechen.
[See image gallery at www.architektur-online.com]
Bei der Umsetzung des Projektes fiel die Wahl auf – weitgehend zirkuläre – Naturmaterialien. Das Sluishuis ist rundum in unbehandelte, matte Aluminiumpaneele gehüllt, in denen sich je nach Witterung sowohl die mehr oder weniger bewegte Oberfläche des IJmeers als auch der Himmel spiegeln. Für einen warmen Kontrast zu den sonst funktionalen Ansichten sorgen die beiden kaskadenartigen Gebäudeflügel, die in einer vertikalen Schalung aus imprägnierter Douglasie ausgeführt sind. Zwischen den privaten Terrassen führen an den geneigten Fassaden zwei lange Treppen bis auf das begrünte Dach. Dieses bietet mit einem Rundweg Ausblick auf die umliegende Nachbarschaft bis hin zur Amsterdamer Altstadt. Einer der abgetreppten Trakte ist leicht verkürzt und lässt Platz für den Durchgang in den öffentlich zugänglichen Innenhof am Wasser. Der L-förmige Außenraum ist mit Treppen und Stegen ebenfalls zum IJmeer orientiert und fungiert als Anlegestelle für kleine Boote. Außerdem wird er von einer Segelschule, einem Wassersportzentrum und einem Restaurant im Erdgeschoss des Blocks eingefasst.
[See image gallery at www.architektur-online.com]
Bei einer Gebäudetiefe von 23 m werden die Grundrisse zentral über einen Mittelgang erschlossen. Dessen massive Wandscheiben bilden auch das Grundgerüst der Tragstruktur aus Beton. Unter dem Meeresspiegel verstecken sich nicht nur die bis zu 60 m tiefen Pfähle des Fundaments, sondern auch eine zweigeschossige Tiefgarage. Darüber erstreckt sich der Neubau mit seinen rund 42.000 m2 über elf Stockwerke und verfügt dabei neben Gewerbe- und Gastronomieflächen über 442 Parteien. Diese setzen sich aus Eigentums- sowie Mietwohnungen zusammen und umfassen Apartments unterschiedlicher Größe. Von kompakten Einzimmer-Studios und großzügigen Terrassenwohnungen bis hin zu Maisonette-Penthouses in den oberen Etagen will man mit diversen Typologien eine möglichst bunte Zielgruppe unterschiedlicher Altersklassen und Einkommensschichten ansprechen und für ein durchmischtes Nutzungsprofil sorgen. Sowohl außen als auch im Hof prägen hohe Fenstertüren und vorgelagerte Balkone das streng gerasterte Fassadenbild. An der abgeschrägten, zum Wasser gewandten Gebäudeecke geben die Wohneinheiten mit nach unten orientierten Fenstern einen spektakulären Blick auf das Gewässer und die vorbeifahrenden Boote frei. Rund um das Projekt wurden entlang der Stege zusätzlich Anlegestellen für bis zu 34 Hausboote eingeplant. Mit vielfältigen Außenflächen legte man darüber hinaus den Grundstein für mehr Austausch und sozialen Zusammenhalt. In den öffentlichen und halböffentlichen Freibereichen sollen Stadtraum und Neubau fließend ineinander übergehen, Bewohner und Besucher aufeinandertreffen und so das Gemeinschaftsgefühl gefördert werden.
[See image gallery at www.architektur-online.com]
In Hinblick auf die Nachhaltigkeit des Sluishuis im täglichen Betrieb spielte das ökologische Energiekonzept eine zentrale Rolle, welches BIG und Barcode Architects in Kooperation mit den Experten von Klimaatgarant entwickelten. Hocheffiziente Dämmung und Dreifachverglasung minimieren den Heizbedarf des Gebäudes auf passive Weise. Dazu kombinierte man ein System zur Wärmerückgewinnung aus Lüftung und Abwasser. Dieses wird mit Sensoren kombiniert, die in den Wohn- und Schlafräumen das CO2-Niveau und in den Bädern die Luftfeuchtigkeit messen. Um die Energiebilanz des Gebäudes weiter zu optimieren, wurden außerdem Sole-Wasser-Wärmepumpen integriert, die das Erdreich als unterirdischen Wärme- bzw. Kältespeicher nutzen. Lediglich zu Spitzenzeiten kommt ergänzend Fernwärme zum Einsatz. Der übrige Stromverbrauch von Heizung, Wärmepumpen, Belüftung und Beleuchtung wird durch eine hauseigene Photovoltaikanlage mit einer Gesamtfläche von ca. 2.200 m2 ausschließlich durch erneuerbare Quellen gedeckt. Die einzelnen Module befinden sich nicht nur auf dem Dach des Wohnblocks, sondern auch auf einer schwimmenden Insel, die an einen der Stege andockt. Während lokale Grünpflanzen im Innenhof eine angenehme Atmosphäre vermitteln, zieht sich die Vegetation über die Terrassenflächen bis hin zu integrierten Pflanzkübeln aufs Dach. Neben der – künftig üppigen – Bepflanzung, runden eigens angelegte Flächen für Vögel sowie Wasseraufbereitung und Regenwasserkollektoren das energieneutrale Konzept stimmig ab und verleihen ihm einen EPC-Wert von 0. Dieses niederländische Energy Performance Certificate besagt, dass das nachhaltige Projekt am bzw. im Wasser mehr Energie produziert als es verbraucht.
[See image gallery at www.architektur-online.com]
Sluishuis
IJburg, Amsterdam
Bauherr: BESIX Real Estate Development, VORM
Planung: Barcode Architects, Bjarke Ingels Group (BIG)
Statik: Van Rossum Raadgevende Ingenieurs
TGA-Planung: DWA
Gebäude- & Klimatechnik: Klimaatgarant
Bauphysik: Buro Bouwfysica
Bebaute Fläche: 3.590 m2
Nutzfläche: 41.895 m2
Planungsbeginn: 2016
Bauzeit: 3,5 Jahre
Fertigstellung: Juli 2022
Baukosten: € 105.000.000
Text: Edina Obermoser
Fotos: Hans Wilschut / Ossip van Duivenbode