Eine anspruchsvolle Klientin
Die neue Kindertagesstätte Malvína im tschechischen Prag stammt aus der Feder des ortsansässigen Studios No Architects. Mit der Gestaltung der Innenräume ist dem Team rund um einen Architekten und eine bildende Künstlerin eine individuelle Lösung geglückt, die sich ganz auf die Bedürfnisse der Kleinen konzentriert, ohne dabei die der Eltern und Betreuerinnen aus den Augen zu verlieren. Fazit: Man möchte am liebsten selbst noch einmal Kind sein.
Die neue Kindertagesstätte Malvína im tschechischen Prag stammt aus der Feder des ortsansässigen Studios No Architects. Mit der Gestaltung der Innenräume ist dem Team rund um einen Architekten und eine bildende Künstlerin eine individuelle Lösung geglückt, die sich ganz auf die Bedürfnisse der Kleinen konzentriert, ohne dabei die der Eltern und Betreuerinnen aus den Augen zu verlieren. Fazit: Man möchte am liebsten selbst noch einmal Kind sein.
Die neue Kindertagesstätte im Prager Stadtteil Karlín verdankt ihre Erscheinung und Gestaltungsform einer außergewöhnlich hartnäckigen und extrem anspruchsvollen Klientin: Malvína. Performance-Künstlerin, Verehrerin der abstrakten Kunst, Gourmet und Prinzessin auf der Erbse in einem, kann die Kleine – kaum ein Jahr alt – in einem Moment strahlend lachen, um dann in ein herzzerreißendes Schluchzen auszubrechen. Keine leichte Aufgabe also für das Team der ortsansässigen No Architects.
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Der eindeutig einfachere Teil des Briefings bestand in dem Umbau und der Neugestaltung der bestehenden Kindertagesstätte für 15 Kinder. Der schwerere Part hingegen lag in der Herausforderung, allen Ansprüchen Malvínas gerecht zu werden. Deren kompromisslose Forderung: Viel Platz zum Toben, Raum sich kreativ zu entfalten, ein Ort zum gemeinsamen Spielen, dazu Spaß beim Essen und ein ruhiges Plätzchen zum Schlafen. Das sei ja wohl das Mindeste dafür, dass sie Mama und Papa so großherzig ihrer Arbeit nachgehen ließe – sogar ohne dabei zu murren. Zumindest meistens.
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Zuerst war Malvína skeptisch, aber letztlich doch äußerst zufrieden mit dem Ergebnis der Planungen des Kreativteams von No Architects. Basierend auf der Zusammenarbeit eines Architekten und einer bildenden Künstlerin, hatten die Gestalter alle nötigen Werkzeuge zur Hand, um ein so anspruchsvolles Projekt ganz individuell umsetzen zu können. Ihr Interesse daran, die einzigartigen Geschichten ihrer Kunden mittels sensibler Detaillösungen auch mal unkonventionell in gebaute Umwelt zu verwandeln, kommt gerade bei der Gestaltung dieser Kita stark zum Ausdruck.
Entstanden ist ein extrem verspielter, aber auch maximal stressbefreiter Raum. Und das gilt für alle Beteiligten – von den Kindern über die Eltern bis hin zu den Betreuerinnen. Dafür haben sich die Architekten einiges einfallen lassen. Anstelle einer undurchdringlichen Wand finden die Kinder und ihre Eltern großzügige Fenster auf der Schwelle der schweren Trennung vor. Ein letztes Winken der Mama oder ein Blick in die friedlich schlafenden Gesichter der Kleinen im Ruheraum und jeder kann beruhigt sein. Und weil Papa eh immer Rückenschmerzen hat, gibt es im Umkleideraum praktische Stufen, auf die sich die Kinder zum Anziehen stellen können. Die Raumfolgen wurden zudem so praktisch konzipiert, dass die Betreuerinnen immer in der Nähe sein und für jedes Kind so viel Zeit wie möglich aufwenden können.
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Da offene Wohn- und Kochbereiche zurzeit ein Must-have sind, finden die Kinder auch in ihrem zweiten Zuhause eine große Kochinsel mit vielen Extras vor. Besonderes Highlight und daheim ein No-Go: Die Kinder dürfen direkt auf dem Tresen sitzen und essen. Hier sind sie beim Kochgeschehen live dabei und zugleich immer unter der Kontrolle der Erzieherinnen. Wenn beim Spielen der kleine Hunger kommt, können sich die Kinder selbständig an einer niedrigen Theke mit gesunden Snacks versorgen. Wer mag, darf gerne auch allein auf die – man geht mit der Zeit – Unisex-Toilette gehen. Durch ein Fenster in der Türe bleiben die Betreuerinnen jederzeit zum Greifen nah und können bei Bedarf zur Hilfe eilen.
Da die Kinder unterschiedlich groß und alt sind, aber trotzdem alle zusammen spielen, malen und basteln möchten, werden Tische und Stühle in drei verschiedenen Maßen angeboten. So bleibt man immer auf Augenhöhe. Das gesamte Interieur ist kindgerecht als abenteuerliche Spielumgebung gestaltet. Es gibt ein rotes Felsennest, das nur für mutige Kletteraffen zu erreichen ist, wagemutige Forscher wiederum tauchen furchtlos in die blaue Höhle hinab. Außerdem sind viele kleine Spielzeuge im ganzen Raum versteckt, die der Entwicklung der motorischen Fähigkeiten dienen und zum eigenständigen Denken anregen sollen.
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Die Gestaltung des zweistöckigen Bauwerks konzentriert sich ganz auf den Innenraum. Die fein abgestimmte Farbwelt erleichtert die Orientierung, beeinflusst die Stimmung positiv und bringt im wahrsten Sinne des Wortes Farbe in das Leben der Nutzer. Die weißen Wand- und Deckenflächen stehen in ruhigem Kontrast hierzu. Die hochwertigen und widerstandsfähigen Materialien wie MDF und Corian ermöglichen ein einprägsames, haptisches Erlebnis ohne Schuldgefühle. Dazu zählen auch die Einbaumöbel aus hellem Birkenholz, welche die natürliche Komponente repräsentieren und den Räumen eine Wohlfühlatmosphäre verleihen. Und weil Kinder nun einmal viel am Boden liegen und toben, sind auch die Decken ganz individuell mittels Aussparungen, Lichtelementen und Materialwechseln gestaltet. Ein Erlebnis aus jeder Perspektive.
Ein Großteil der Böden wiederum ist mit weichen Matten ausgestattet oder terrassiert ausgeführt. So ergeben sich verschiedene Raumeindrücke und ein großes Experimentierfeld für die eigenen motorischen Fähigkeiten. Es gibt aber auch Orte zum Verstecken oder eine Rutsche. Obwohl jedes Fleckchen Raum genutzt wurde, wirken die Räume hell, leicht und offen. Das liegt daran, dass fast alle Wände mit praktischen, eigens designten, bunten Möbeln versehen sind, die viel Stauraum für Bastelsachen, Turn- und Spielzeug bieten. Anstelle von Griffen sind die Türen mit liebevoll gestalteten Eingriffslöchern und Ausfräsungen in verschiedenen Formen versehen.
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Gerade gab es Mittagessen – auf dem Tresen – und Malvína mag es nicht gelingen, ein herzhaftes Gähnen zu unterdrücken. Eigentlich sollte es ein Geheimnis bleiben, aber die Kleine ist in ihrer neuen Kita wirklich glücklich. Es ist zwar nicht ihr richtiges Zuhause, aber doch ein Zweites. Und das hat eine ganze Menge zu bieten. “Mein Einsatz hat sich gelohnt“, denkt Malvína zufrieden und dreht sich in dem gemütlichen Bettchen im Ruheraum für eine verdiente Pause vom Abenteuer Leben auf die Seite. Nach all der Aufregung tut ein bisschen Schlaf gut. Aber nicht zu lange, denn die nächste Expedition mit den Freunden wartet schon draußen im Garten …
Kindertagesstätte Malvína
Prag, Tschechische Republik
Bauherr: MALVÍNA art kindergarten
Planung: No Architects
Mitarbeiter: Projektleiter: Jakub Filip Novák, Daniela Baráčková
Team: Barbora Jelínek, Kristýna Plischková
Grundstücksfläche: 500 m2
Bebaute Fläche: 130 m2
Bruttogeschossfläche: 120 m2
Planungsbeginn: 2020
Fertigstellung: 2021
Text: Linda Pezzei
Fotos: Studio Flusser