Gebäude als Rohstofflager
Interview - Eva M. Hierzer und Stephan Brugger sind zwei der insgesamt vier Partner, die hinter NOW Architektur, einem jungen Architekturbüro mit ambitionierten Zielen, stecken. Mit jeder Menge Know-how im Bereich Bauen im Bestand und Holzbau wollen sie ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltige Architektur schaffen, die sich über ihren gesamten Lebenszyklus und darüber hinaus definiert. Ihre Projekte verstehen sie als Bauten, die einen baukulturellen Beitrag leisten und durch Flexibilität und hohe Qualität eine lange Lebensdauer und deren Werterhalt garantieren.
Eva M. Hierzer und Stephan Brugger sind zwei der insgesamt vier Partner, die hinter NOW Architektur, einem jungen Architekturbüro mit ambitionierten Zielen, stecken. Mit jeder Menge Know-how im Bereich Bauen im Bestand und Holzbau wollen sie ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltige Architektur schaffen, die sich über ihren gesamten Lebenszyklus und darüber hinaus definiert. Ihre Projekte verstehen sie als Bauten, die einen baukulturellen Beitrag leisten und durch Flexibilität und hohe Qualität eine lange Lebensdauer und deren Werterhalt garantieren.
Wie agieren moderne ArchitektInnen zukunftsfähig und wie versuchen Sie das auch selbst umzusetzen?
Eva M. Hierzer (EH): Ein ganz wichtiger Punkt, den wir auch versuchen in unserem Büro umzusetzen, ist es, Gebäude nicht nur temporär oder als zukünftige Sondermülldeponie zu denken, sondern langfristig – sowohl im baukulturellen Sinn als auch hinsichtlich ihrer konstruktiven Qualität. Zu unseren Grundprinzipien gehört außerdem, mit allen Projektbeteiligten daran zu arbeiten, gemeinsam bessere Lösungen zu finden. Das geht bis jetzt gut auf und ist meiner Meinung nach ein zukunftsfähiger Ansatz.
Stephan Brugger (SB): Ich denke, nicht nur wir ArchitektInnen, sondern auch allgemein unsere Gesellschaft muss sich überlegen, wie sie in Zukunft baut und wie viel. Diesbezüglich stecken wir noch in den Kinderschuhen. Gewisse Themen kann man heutzutage nicht mehr leugnen – schon gar nicht, wenn man ein Architekturbüro gründet. Aufgaben wird es immer geben, aber sie verändern sich. Da wird sich, glaube ich, viel in Bestandssanierung und -umbau verschieben. Es wird verstärkt darum gehen, Potenziale zu erkennen und Transformationen durchzuführen. Das ist einerseits mit weniger Ressourcen verbunden, andererseits damit, dass wir neue Gebäude neu denken müssen: als Rohstofflager, aus denen man Rohstoffe auch wieder rausnimmt. Hier gilt es, sich zu überlegen, welche Bauteile wie lange in einem Gebäude bleiben und was mit ihnen passiert, wenn dieses abgebrochen wird. Das gleiche gilt für den Holzbau: Nur in Holz zu bauen ist zu wenig.
Der Entwurf für die Erweiterung der Kinder- und Jugendpsychiatrie Graz setzte sich in einem EU-weiten Wettbewerb durch. Besonders der Umgang der neuen pavillonartigen Holzbauten mit dem Bestand überzeugte die Jury.
Wie ist die aktuelle Lage für Architekturbüros hinsichtlich Rohstoffverknappung und Preisdruck?
EH: Für uns auf Planerseite wirkt sich das zum einen in Form von extrem schwer kalkulierbaren Preisen aus. Man kann einfach die Entwicklung und Marktlage nicht abschätzen. Bedingt durch die Investitionsprämien wird sehr viel gebaut und Firmen haben eine hohe Auftragslage. Das treibt den Preis dann natürlich weiter nach oben.
Zum anderen bemerken wir aufgrund der Ressourcenknappheit Lieferengpässe, sowohl bei Holz und Stahl als auch bei Betonfertigteilen und Dämmstoffen. Das führt dazu, dass man teilweise tatsächlich auf der Baustelle – auch mit den Firmen zusammen – umdenken und sich Alternativen überlegen muss, um doch noch rechtzeitig fertig zu werden.
SB: In gewisser Weise waren diese Themen immer schon aktuell. Im Endeffekt geht es im Bauwesen stets auch darum, welche Baustoffe gerade leistbar bzw. vorhanden sind. Beim Beton entscheidet man sich dann zwischen Fertigteilelementen oder Ortbeton, im Holzbau zwischen Brettsperrholz und Rahmenbau. Deshalb ist es wichtig, eine gewisse Flexibilität in der Planung zu bewahren. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf und in Diskussion mit Bauherren und Firmen versuchen wir im Büro dann, die Projekte gemeinschaftlich zu verbessern. Und das funktioniert glaube ich sehr gut.
Wie hoch ist die Nachfrage nach nachhaltiger, klimafreundlicher Architektur?
EH: Bei öffentlichen Auftraggebern ganz stark, weil diese z.B. in Wettbewerben Nachhaltigkeitskonzepte verlangen, und Bauprojekte vermehrt von Nachhaltigkeitszertifizierungssystemen begleitet werden. Da geht es dann um eine möglichst optimierte, klimapositive Planung, die Wahl der Baustoffe, Lebenszyklus- und Betriebskosten. Auch private Bauherren zeigen vermehrt Interesse an nachhaltigen Bauweisen und/oder Bestandstransformationen. Allerdings schrecken die höheren Kosten viele ab. Solange es keine CO2-Bepreisung der Baustoffe gibt, kommt man ohne das nötige Kleingeld nicht so einfach in die nachhaltige Schiene.
SB: Ich denke hier wäre es an der Zeit, dass die Politik verstärkt versucht, diese Themen voranzutreiben. Denn wenn im großen Maßstab nachhaltig (um-)gebaut wird, müssen auch die Kleinen nachziehen – vor allem wenn es einen preislichen Vorteil bringt. Ökologisch zu bauen, bringt aber nur preislich einen Vorteil, wenn es viele bzw. alle tun. Und genau das sollte unser Ziel sein als Gesellschaft.
Mit dem Wohn- und Seminarhaus realisierte NOW Architektur die Erweiterung und Revitalisierung eines ehemaligen Wirtschaftsgebäudes. Anstelle von Innenwänden organisierten sie das Projekt rund um raumbildende Kuben und schafften drei getrennte Einheiten. © Stephan Schmidt
Was sind gegenwärtig die größten Herausforderungen in der Architektur?
EH: Ich glaube, generell die Tatsache, dass es einen extremen Umbruch dabei gibt, wie wir zukünftig bauen werden. Das fängt jetzt langsam an, ist aber ein großer Schritt, angefangen von BIM-Planung und der Art und Weise, wie wir bauen, bis hin zu den Konstruktionsweisen, die wir wählen. Das geht vermehrt in Richtung einfacheres bzw. Low-Tech-Bauen und hin zu zirkulären Bauweisen. Wenn man ein Gebäude wirklich als Rohstofflager sieht, kann z.B. der Bauteil oder das Produkt später recycelt oder eins zu eins wiederverwendet werden. Die große Herausforderung dabei ist, dass das alles noch sehr experimentell und in den Normen noch nicht vorgesehen ist. Aufgrund der Rohstoffverknappung wird man zukünftig aber umdenken müssen.
SB: Wenn von Ressourcenknappheit die Rede ist, sprechen wir ja auch von Bodenverbrauch und Versiegelung. Zurzeit wird Versiegelung sogar gefördert, da gewisse Normierungen, Gesetze und Förderungen sehr veraltet und nicht mehr zeitgemäß sind – da wäre wieder die Politik am Zug, um zu einem generellen Umdenken zu kommen.
Was sollten moderne Produkte können und was könnten Hersteller verbessern?
SB: Was ich interessant fände, wären zusätzliche Informationen hinsichtlich des gesamten Lebenszyklus eines Produkts – darüber erfährt man im Moment meist wenig. Zum einen will ich natürlich genau wissen, wie ich ein Produkt anwende, zum anderen aber auch, wie es hergestellt wird, wie man es am Ende trennt, deponiert bzw. wie es sich recyceln oder zerlegen lässt. In Zukunft sollte man die Rückbau- und Entsorgungskosten auch verstärkt mit in die Baukosten einfließen lassen. Derzeit scheinen diese bis zum tatsächlichen Rückbau nirgends auf, obwohl sie ja Teil des Projekts sind. Bei gewissen Baustoffen könnte es auch eine Herstellerrücknahme geben, dieser könnte sie dann im Idealfall entsprechend wiederverwerten.
Was macht ein Produkt nachhaltig, effizient und smart?
EH: In erster Linie seine Recycelbarkeit, also ob man es eins zu eins wiederverwenden kann, ohne dafür viel weitere Energie aufzuwenden. Wichtig sind neben Dauerhaftigkeit auch die Demontage und die Zerlegbarkeit. Das heißt, wie viel ist verklebt bzw. kann man es einfach auseinandernehmen. Im Holzbau ist das natürlich produktunabhängig, aber auch hier gibt es weitere Komponenten wie Folien etc., die es zu berücksichtigen gilt. Abgesehen davon, ist bei Produkten zu beachten, wie sie hergestellt wurden und woher die Rohstoffe kommen. Wenn das Holz dafür aus Sibirien oder Kanada kommt, bringt es nichts, einen Holzbau zu machen. Das ist für den CO2-Abdruck nicht viel besser.
Um welche Entwicklung wird es in den nächsten Jahren keinen Weg herumgeben?
SB: Ich denke, wir werden vermehrt auf regionale Wertschöpfung achten müssen – egal ob bei Produktherstellern oder anderen Betrieben. Es geht nicht nur um ökologische Nachhaltigkeit von Produkten, sondern auch um eine soziale Komponente. Kaufe ich von der anderen Seite der Erde, oder konzentriere ich mich auf Regionalität und den Nutzen, den die Produktion dem Ort bzw. der Region bringt.
EH: Also letztendlich bedeutet das, je näher die Firmen bzw. Produkthersteller an der Baustelle sind, desto besser. Es wäre sicher eine wünschenswerte Entwicklung, das mehr zu berücksichtigen.