Geschlossener Materialkreislauf

Vom hässlichen Entlein zum Schwan - nördlich von Kopenhagen verwandelte das Architekturbüro ­Lendager ein stillgelegtes Schulgebäude in den Kindergarten Svanen (der Schwan). Anstatt eines einfachen Abrisses entschied man sich dabei für ein zirkuläres Upcycling-Projekt, welches Abbruch, Entwicklung und Umsetzung eines neuen Designs auf vorbildliche Art und Weise vereint: Die recycelten Überreste der Schule verwendete man für die Errichtung des Neubaus am gleichen Standort wieder.

Geschlossener Materialkreislauf

Vom hässlichen Entlein zum Schwan – nördlich von Kopenhagen verwandelte das Architekturbüro ­Lendager ein stillgelegtes Schulgebäude in den Kindergarten Svanen (der Schwan). Anstatt eines einfachen Abrisses entschied man sich dabei für ein zirkuläres Upcycling-Projekt, welches Abbruch, Entwicklung und Umsetzung eines neuen Designs auf vorbildliche Art und Weise vereint: Die recycelten Überreste der Schule verwendete man für die Errichtung des Neubaus am gleichen Standort wieder.

 

 

Das alte Schulhaus in der Kommune Gladsaxe am Nordrand der dänischen Hauptstadt stand bereits seit einigen Jahren leer. Es wurde nicht mehr genutzt und sollte einem neuen Kinderhaus weichen. Mit einer Machbarkeitsstudie evaluierte man im Vorfeld die realisierbaren Optionen für den Umbau bzw. die Umnutzung des Bestands. In enger Zusammenarbeit mit den wichtigsten Projektbeteiligten – darunter die Gemeinde als Bauherrin sowie diverse Abrissunternehmen – führte das Planerteam von ­Lendager dafür eine Reihe projektspezifischer Analysen durch und identifizierte schließlich einen Rückbau mit Neuerrichtung des Gebäudes als beste Lösung. In weiterer Folge lobte man einen Wettbewerb für einen behutsamen und damit nachhaltigen Abbruch des in die Jahre gekommenen Bildungsbaus aus, der die Grundlage für den zukünftigen Kindergarten bildete. Dieser prozessorientierte Ansatz wurde später von der Danish Association of Construction Clients (DACC), dem dänischen Bauherren-Verband, als Paradebeispiel für die Umsetzung und Förderung kreislauffähiger Bauprojekte hervorgehoben. 

 

 

Die umfangreichen Vorarbeiten flossen daraufhin in den Entwurf des Svanen Kindergartens ein. Nach dem „Form-follows-ability“-Prinzip orientierte man sich an den verfügbaren Teilen der bestehenden Struktur. Unter Berücksichtigung der inhärenten – materiellen und kulturellen – Qualitäten entwickelten die Architekten ein neues Design, welches das Ausschussmaterial respektvoll integrierte und es sowohl aus funktioneller als auch aus ästhetischer Sicht an aktuelle Maßstäbe adaptierte.

Wo früher der mehrgeschossige Schulkomplex stand, befindet sich nun – angepasst an die jungen Nutzer – ein kleinteiliges Ensemble, das sich aus mehreren, einstöckigen Volumen zusammensetzt. Sie fügen sich als langgezogene Riegelbauten mit archetypischen Satteldächern in Längsrichtung parallel aneinander. Von der rückseitigen Straße sowie den vorgelagerten Grünflächen aus sind jeweils die Queransichten mit ihren einzelnen, spitzen Giebeln zu sehen. Eingebettet in einen liebevoll gestalteten und bepflanzten Außenbereich mit Sportplatz, Spielplatz und Spazierwegen wirkt der Kindergarten damit wie ein kleines Dorf. Intern funktionieren die Häuser als zusammenhängende Einheit. Im Zentrum des U-förmigen Grundrisses entsteht ein geschützter Innenhof mit einer Orangerie, die zugleich den Eingangsbereich darstellt. Der glashausartige Vorbau erschließt den linken und den rechten Flügel, in dem je vier Gruppen mit eigenen Gemeinschafts- und Sanitärbereichen untergebracht sind.

 

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Zu den rückgewonnenen Fragmenten der Gladsaxe Schule gehören nicht nur rund 6.000 Tonnen Beton, sondern auch Stahlelemente einer Originalfassade aus den 1960er-Jahren und Holzsparren aus der einstigen Turnhalle. Die Sparrengebinde wurden im Stück aus- und in der Orangerie sichtbar wieder eingebaut. Rund 12.000 Ziegel der alten Dacheindeckung konnte man vollständig erhalten. Eine Schuluhr und andere kleinere Dinge rettete man ebenfalls vor der Deponie und schenkte ihnen im Inneren des Kinderhauses ein zweites Leben. Dort sollen sie nun an den Bau erinnern, der einst an dieser Stelle stand. Auch sonst setzte das Planerteam die Materialien kreativ – und teils zweckentfremdet – ein und erzeugte damit eine collagenhafte Optik: So zeigen sich beispielsweise die Dachflächen und Ansichten der einzelnen Baukörper ganz unterschiedlich. Während einige von ihnen neue, horizontale Holzschalungen kleiden, sind andere in vertikal strukturiertem Trapezblech, hellem Klinker oder Dachziegeln in kräftigem Rot ausgeführt. Das Innere der kleinen Häuser ist gleichermaßen teils von den wiederverwendeten Baustoffen und Oberflächen geprägt. Dazu kombinierte man neue, naturbelassene Elemente. Unverkleidete Holzbalken und -einbauten sorgen gemeinsam mit einer schlichten Materialpalette in Naturtönen im gesamten Kindergarten für ein angenehmes Ambiente, in dem sich die Kinder wie zu Hause fühlen sollen. Sämtliche Räume erstrecken sich offen bis unters Dach, wo Deckenplatten aus Holzwolle mit ihrer feinen Struktur die Akustik regulieren. Dank Cradle-to-Cradle-Zertifizierung passen die Paneele perfekt zum nachhaltigen Konzept des Projekts.

 

 

Durch die Kombination aus recycelten und lokalen Werkstoffen konnte man große Mengen an CO2 und Ressourcen einsparen und zusätzlich die Arbeitsabläufe optimieren. Die Koordination der kreislauffähigen Abriss- und Bauarbeiten erforderte einiges an Logistik: Zunächst stand mit der Kartierung eine Bestandsaufnahme auf dem Programm, um einen Überblick über die vorhandenen Materialien und deren Eigenschaften zu erhalten. Dieser Katalog diente dann als Ausgangspunkt für die Rückgewinnung und den Entwurf des neuen Gebäudes. Die Baustoffe arbeitete man vor Ort auf und lagerte sie bis zur Verwendung direkt auf dem Grundstück – auf dem ehemaligen Sportplatz der Schule. All diese Maßnahmen machen das innovative Projekt laut den Planern zum weltweit ersten, komplett zirkulären Kindergarten und brachten ihm eine Auszeichnung mit dem skandinavischen Umweltzeichen Nordic Swan Ecolabel ein.

 

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Mit der zirkulären Bauweise gingen Lendager Architekten nicht nur einen umweltfreundlichen Weg, sondern zollten auch der alten Schule von Gladsaxe und deren Geschichte ihren Respekt. Sie wird im wahrsten Sinne des Wortes Teil des Svanen Kindergartens und verleiht ihm durch die recycelten Materialien einen hohen emotionalen Wert. Gleichzeitig demonstriert das Projekt einmal mehr, dass sich Nachhaltigkeit und Ästhetik keinesfalls ausschließen und ein sparsamer Umgang mit Ressourcen nicht zwingend in einer Sanierung oder Umnutzung resultieren muss. Denn selbst wo Abbruch und Neubau die ökonomischere Wahl darstellen, können Bestandsgebäude als ressourcenschonende Re- und Upcycling-Bauteillager verstanden und eingesetzt werden. Re-Use-Konzepte stecken für Bauherren, Planende und Ausführende zwar voller Herausforderungen, aber auch voller Potenzial. Mit der Wiederverwendung von Werkstoffen erhalten Neubauten einen ganz besonderen – klimafreundlicheren – Charme.

 

 

Svanen Kindergarten
Gladsaxe, Dänemark

Bauherr: Gemeinde Gladsaxe
Planung: Lendager
Statik: Niras
Bauleitung: Sweco (Ausführungsplanung)
Generalunternehmung: Ason

Grundstücksfläche: 5.000 m2
Nutzfläche: 1.436 m2
Planungsbeginn: 2019
Baubeginn: 2020
Fertigstellung: 2022
Baukosten: 54 Mio. DKK (7.2 Mio. €)

www.lendager.com

 

 

Text: Edina Obermoser
Fotos: Rasmus Hjortshøj