Insel der Kreativen

Eine grüne Insel inmitten der polnischen Stadt Breslau. Auf ihr nur ein einziges Gebäude, das nun zum Concordia Design Wrocław umgestaltet wurde. MVRDV renovierten und erweiterten den Bestandsbau in Zusammenarbeit mit dem lokalen Architekturbüro Q2 Studio nicht nur, sie positionieren ihn und die gesamte Insel auch als neuen Hotspot der Kreativszene der Stadt. Der Beitrag Insel der Kreativen erschien zuerst auf architektur-online.

Insel der Kreativen

Eine grüne Insel inmitten der polnischen Stadt Breslau. Auf ihr nur ein einziges Gebäude, das nun zum Concordia Design Wrocław umgestaltet wurde. MVRDV renovierten und erweiterten den Bestandsbau in Zusammenarbeit mit dem lokalen Architekturbüro Q2 Studio nicht nur, sie positionieren ihn und die gesamte Insel auch als neuen Hotspot der Kreativszene der Stadt.

 

MVRDV & Q2 Studio - Concordia Design Wrocław -  Breslau, Polen

 

In der Stadt Wrocław – auf Deutsch besser bekannt unter dem Namen Breslau – im Südwesten Polens prägt die Präsenz des Flusses Oder die charakteristische Atmosphäre der Stadt. Er teilt sie nicht nur entzwei, sondern schafft innerhalb der Stadt mehrere kleine Inseln, die mit dem Festland und untereinander über Brücken verbunden sind. Diese Inseln beeinflussen die Qualität der Stadt wesentlich. Sie sind teilweise kaum bis gar nicht bebaut, sodass sie als grüne Erholungsräume zur Verfügung stehen. Eine dieser Inseln im Stadtzentrum trägt den Namen Słodowa und ist ein beliebter Treffpunkt und Aufenthaltsraum bei Alt und vor allem bei Jung.

 

MVRDV & Q2 Studio - Concordia Design Wrocław -  Breslau, Polen

 

Diese Aufgabe im Stadtgefüge hatte die Insel aber nicht immer. Früher war ihr Erscheinungsbild geprägt von dicht an dicht aneinander gereihten Industriebauten, die durch die Belagerung und Zerstörung Breslaus im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört wurden und schließlich verschwanden. Nur ein einziges erhaltenes Gebäude aus dem 19. Jahrhundert erinnerte an diese ursprünglich enge Bebauung. Es bestand aus einem sechsgeschossigen Bauteil an den ein niedrigerer dreigeschossiger Baukörper anschließt. Dieser letzte Überrest sollte nicht sich selbst überlassen oder gar abgerissen werden. Der Entschluss fiel darauf, ihn als Teil der Geschichte Präsenz zu verleihen und zu revitalisieren. Und sogar noch mehr, denn mit der Renovierung ging auch eine Erweiterung einher, die das denkmalgeschützte Gebäude zum zentralen Ankerpunkt der Insel Słodowa macht.

Die Erweiterung des Gebäudes im Westen schmiegt sich in seiner Höhe und Breite an den zur Ostseite orientierten Bestandsbau an und spiegelt in etwa sein Gebäudevolumen zur anderen Seite wider. Die Fassade des Erweiterungsbaues kann man als zeitgemäße Lochfassade bezeichnen, die sich mit ihren Proportionen und Fenstergrößen an der Bestandsfassade orientiert. Dennoch kann man sie durch ihre Schlichtheit vom ornamentreichen Bestand klar unterscheiden. Beide Gebäudeteile treten in einen spannungsgeladenen Dialog, ohne dabei in Konkurrenz zueinander zu stehen. Eher bilden sie eine kon­trastierende Einheit. Die Mitbegründerin von MVRDV, Nathalie de Vries, nennt das Motiv des Januskopfes – der Kopf des römischen Gottes Janus besitzt zwei Gesichter – als wichtiges Element für die in-Bezug-Setzung von Alt und Neu.

 

 

Dieser zwar symmetrische, aber gegengleiche Aufbau, ist beiden Bauteilen auch im Gebäudeinneren gemein. Das Herzstück stellt dabei auf beiden Seiten im Erdgeschoss ein dreigeschossiger Raum mit abgetrepptem Volumen dar. Auf der zur Parklandschaft hin orientierten westlichen Gebäudeseite tritt der großvolumige Raum als transparente Sockelzone klar in Bezug zur umgebenden Parkanlage. Er kommuniziert das Geschehen im Inneren des Gebäudes an die nähere Umgebung. An der abgetreppten Wand der Raumrückseite befindet sich im Inneren eine großflächige Wandmalerei der polnischen Künstlerin Alicja Biała. Sie beschäftigt sich dabei mit reduziertem Tempo, Alltagskultur und dem Kontakt mit der Natur. Die Arbeit zielt klar auf Fernwirkung ab und belebt sowohl den Innenraum als auch den umgebenden öffentlichen Raum künstlerisch. Mit ihrem Kunstwerk transferiert sie die Kreativität, die im Innenraum des gesamten Gebäudes gelebt wird, auch auf den Außenraum.

 

MVRDV & Q2 Studio - Concordia Design Wrocław -  Breslau, Polen

 

Anders sieht dieser imposante Raum auf der anderen Seite des Gebäudes hinter der historischen Fassade aus. Dort verfügt er zwar über ein auf die gleiche Weise geformtes Raumvolumen, das aber durch die freigelegte Backsteinfassade und die hölzerne Deckenverkleidung ein vollkommen anderes, besinnlicheres Wesen zum Ausdruck bringt. Die exzentrische von der Decke hängende kunterbunte Lampe verweist zum gegenüberliegenden Raum, denn sie stammt aus der Hand derselben Künstlerin. Verwendet werden diese beiden eindrucksvollen Räume für Nutzungen, die die Öffentlichkeit einbinden. Einerseits findet hinter der historischen Fassade ein Veranstaltungsraum Platz, zur anderen Seite ist ein Gastronomiebereich mit Restaurant und Café untergebracht. Beides möchte die nähere Umgebung in das Gebäude integrieren und so zum Wohlfühlklima des lebendigen urbanen Raumes beitragen.

 

 

Die oberen vier Geschosse mit ihren etwa 4.500 m² werden als Co-Working-Space mit ausgedehnten Gemeinschaftsflächen genutzt. Die kreative Community soll hier gemeinschaftlich ihre Ideen entwickeln und produktive Lösungen erarbeiten. Diese Prozesse sollen aber nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden – die kreative Atmosphäre soll bewusst auch als Instrument der Stadtgestaltung und auch für deren Entwicklung eingesetzt werden. Schon vor einigen Jahren erkannte der britische Städteforscher Charles Landry das Potenzial der kreativen Stadt für deren Entwicklung und für das Wohlbefinden der Menschen, das auch hier auf der Insel Słodowa angesprochen werden soll. Das Gebäude für Concordia Design wird dafür als neuer Anziehungspunkt der Kreativen positioniert, dessen Wesen und Offenheit sich auch auf den umgebenden Stadtraum übertragen soll. Mit seinem kreativen und künstlerischen Wesen kann so ein offener Ort geschaffen werden, an dem sich die Menschen der Stadt näherkommen, voneinander lernen und profitieren.

 

 

Um diese Urbanität entstehen zu lassen sind Mischnutzungen von Gebäuden das Gebot der Stunde. Einerseits sollen viele unterschiedliche Nutzungen unter einem Dach vereint werden. Auf der anderen Seite sollen möglichst verschiedene Nutzergruppen angesprochen werden. In dem neu gestalteten Gebäude in Breslau sind öffentliche und private Nutzungen stark miteinander verwoben. So ist auch die Dachfläche als öffentliche Terrasse für alle Städterinnen und Städter zugänglich.

 

MVRDV & Q2 Studio - Concordia Design Wrocław -  Breslau, Polen

 

Mit seiner solitären Wirkung nimmt das Gebäude heute wesentlich mehr Fläche der Insel ein als zuvor der Bestandsbau alleine. Auch aus diesem Grund war es den Architektinnen und Architekten von MVRDV wichtig, für die verbrauchte Fläche der Stadt etwas zurückzugeben. So tritt auch das Dach in Verbindung zur Parklandschaft und zur Stadt generell. Die vertikale Fassadenbegrünung des Gebäudes kennzeichnet es klar als Erweiterung des Parks und die Dachterrasse bietet einen eindrucksvollen Ausblick und verwebt das Gebäude noch tiefer mit der Stadt. 

Der gesamte Bau trägt zur urbanen Durchmischung und Vernetzung bei. Der grüne Parkraum der Insel wird als solcher in dem neuen Konzept integriert und sogar durch die Dachterrasse in der dritten Dimension erweitert. Städte benötigen unbedingt attraktive nutzbare Freiräume und Räume für Kunst, Kultur und Kreativität. Beides findet Raum in dem von MVRDV in Zusammenarbeit mit dem lokalen Architekturbüro Q2 Studio gestalteten Gebäude Concordia Design Wrocław.

 

[See image gallery at www.architektur-online.com]

 

Concordia Design Wrocław
Breslau, Polen

Bauherr: Concordia Design
Architekt: MVRDV in Zusammenarbeit mit Q2 Studio
Mitarbeiter: Luca Moscelli, Mateusz Wojcieszek, Matteo Ornato, Brygida Zawadzka, Bartosz Bochynski, Carolin Cremer, Michal Bala

Nutzfläche: 7000 m²
Planungsbeginn: 2018-2020
Fertigstellung: 2020

 

Text: Alexandra Ullmann
Fotos: Juliusz Sokołowski

 

Der Beitrag Insel der Kreativen erschien zuerst auf architektur-online.