Kork-Lego XXL

Matthew Barnett Howland und Dido Milne, die gleichzeitig die Bauherren des Projekts sind, machten sich mit ihrem Architektenkollegen Oliver Wilton auf die Suche nach einem innovativen Material für den nachhaltigen Häuserbau. Das Produkt der jahrelangen Forschung ist das Cork House. Der Beitrag Kork-Lego XXL erschien zuerst auf architektur-online.

Kork-Lego XXL

Cork House

 

Matthew Barnett Howland und Dido Milne, die gleichzeitig die Bauherren des Projekts sind, machten sich mit ihrem Architektenkollegen Oliver Wilton auf die Suche nach einem innovativen Material für den nachhaltigen Häuserbau. Das Produkt der jahrelangen Forschung ist das Cork House. Dieses vereint, ganz aus Kork, Konstruktion, Dämmung und Gestaltung in einem und zeigt auf, wie energie- und ressourcenschonendes Bauen in der Zukunft aussehen könnte.

Frei nach dem Motto „weniger ist mehr“ wollte das Planertrio weg von modernen Hightech-Lösungen, hin zu mehr Natur, und stieß dabei auf Kork. Das facettenreiche Naturmaterial wird durch das Schälen der Korkeiche gewonnen. Im Vergleich zur Holzgewinnung muss der Baum also nicht gefällt werden – ganz im Gegenteil – innerhalb von neun Jahren erneuert sich die Rinde und kann erneut geerntet werden. Ein weiterer Pluspunkt ist die hohe Biodiversität, die Korkwälder aufweisen. Auch sonst ist Kork ein wahrer Allrounder, er schützt nicht nur vor Wind und Wetter, sondern trotzt auch Feuer und Schädlingen. Dennoch besteht seine primäre Nutzung nach wie vor in der Produktion von Flaschenkorken oder Dämmplatten.

 

Cork House

 

In Kooperation mit einer Reihe an Firmen und Instituten forschten und experimentierten die Architekten über sechs Jahre hinweg, um aus Kork einen innovativen Bau zu machen. Neben MPH Architects, diversen Hochschulen und den Ingenieuren von Arup war unter anderem auch der Korkhersteller Amorium an dem Prozess beteiligt. Vor dem eigentlichen Wohnhaus wurden zuerst mehrere Prototypen im kleineren Maßstab gefertigt. Diese dienten dazu, die Eigenschaften des organischen Materials, vor allem in Hinsicht auf seine Verdichtung, genauer zu verstehen und die Ergebnisse schließlich in den Entwurf integrieren zu können.

Howland, Mine und Wilton folgten bei der Umsetzung des Projekts dem Grundsatz „form follows lifecycle“. Sie bedachten den gesamten Lebenszyklus des Baus – von Produktion, Montage und Nutzung bis hin zu Abbau und Entsorgung bzw. Weiterverwendung – und entwickelten ein Stecksystem aus vorgefertigten Korkblöcken. Diese wurden mit Unterstützung der Bartlett School of Architecture realisiert und bestehen aus Abfällen der Korkproduktion, die zu Granulat weiterverarbeitet, in Plattenform gepresst und schließlich gefräst wurden. Die Blöcke wirken nicht nur wie riesige Korklegosteine, sie können tatsächlich einfach von Hand auf- und abgebaut werden und kommen dabei ganz ohne Binde- oder andere Hilfsmittel aus. So lässt sich das biologisch abbaubare Material am Ende seiner Lebenszeit recyceln.

 

 

Das Cork House ist das Endergebnis der umfassenden Forschungsarbeit, das seinem Namen alle Ehre macht. Es befindet sich in Eton, 25 km westlich von London, auf einer kleinen Insel in der Themse. Über den Baumwipfeln ragen die gotischen Spitztürme der Eton College Chapel in die Höhe. Dort gliedert es sich, neben einem denkmalgeschützten Mühlenhaus, auf dem grün bewachsenen Grundstück ein und strukturiert den großen Garten. Auf einer leicht angehobenen Bodenplatte, die den Bau im Erdboden verankert, fügen sich die 1.268 Korkblöcke zu einem innovativen Wohnhaus zusammen. Rahmen aus Accoya, acetyliertem Holz, vervollständigen die Kon­struktion. Um die Produktion der Bausteine möglichst effektiv zu gestalten, wurde die Grundform möglichst simpel gehalten. Ein rechteckiger Sockelbereich formt die Basis. Darüber schließen fünf Pyramidenstümpfe das Korkhaus nach oben hin ab. Diese sind als Kraggewölbe, also rein druckbeansprucht, ausgeführt und erinnern an eine Mischung aus Mayatempel und Termitenhügel. Dachfenster dienen nicht nur der Belichtung der Innenräume, sondern komplettieren die sogenannten falschen Gewölbe, indem sie die leichten Blöcke beschweren und so für die nötige Stabilität sorgen.

 

Cork House

 

Auf 44 m2 finden im Inneren des Korkhauses verschiedene Funktionen nebeneinander Platz, ohne beengend zu wirken. Unter dem ersten der fünf Pyramidenstümpfe befindet sich das abgetrennte Schlafzimmer. Darauf folgt ein offener Wohn-Essbereich mit Küche, der sich über zwei Abschnitte erstreckt. Den Abschluss bilden zuerst ein zweigeschossig genutzter Teil mit Bad unten und darüberliegenden Gästebetten und schließlich eine offene Loggia, die sich sowohl zum Garten als auch zum Bestandsgebäude hin öffnet.

 

Cork House

 

Die Korkwände verleihen den Innenräumen nicht nur eine einzigartige Optik, sondern wirken sich auch auf die Akustik, die Haptik und den Geruch aus. Dank der unkonventionellen Dachform und der Luken erscheinen die Räume größer, als sie eigentlich sind. Dazu tragen auch großflächige Schiebeverglasungen bei, die sämtliche Bereiche in Tageslicht tauchen und trotz der dunklen Farbe des Korks für ein helles und freundliches Ambiente sorgen. Fichten- und Eichenholz sowie Messing-Akzente ergänzen die natürliche Produktpalette des Hauses und verstärken den höhlenartigen Charakter. Sie kleiden Böden und Einbauten, Armaturen und sichtbare Rohrleitungen.

 

 

Besonders hervorzuheben ist auch, dass die CO2-Bilanz des kleinen Hauses sogar negativ ausfällt, da das Naturmaterial mehr Kohlenstoff bindet, als während des gesamten Bauprozesses abgegeben wurde. Dies ist gerade im Bausektor beträchtlich, wenn man bedenkt, dass die Branche mit rund einem Drittel der jährlichen Emissionen maßgeblich zum Klimawandel beiträgt. Ressourcen- und energieschonende Lösungen, die das Prädikat „Nachhaltigkeit“ nicht nur als Vermarktungsstrategie tragen, sondern diese auch tatsächlich verkörpern, werden vor allem in Zukunft heiß begehrt sein. Auch die Jury der RIBA Awards konnte das kleine Cork House überzeugen – sie zeichnete das Projekt gleich dreifach aus und honorierte damit den Einsatz der drei Architekten.

 

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Cork House
Eton, Großbritannien

Bauherr: Dido Milne, Matthew Barnett Howland
Planung: Matthew Barnett Howland mit Dido Milne (CSK Architects) & Oliver Wilton (UCL)
Partner: MPH Architects, Wup Doodle, Sturgis Carbon Profiling LLP, Urquhart & Hunt, Bartlett School of Architecture UCL, University of Bath, Amorim UK, Ty-Mawr Lime, BRE, Innovate UK, EPSRC
Statik & Brandschutz: Arup      

Grundstücksfläche: 950 m2
Bebaute Fläche: 75 m2
Nutzfläche: 44 m2 + 12 m2 Loggia
Planungsbeginn: 2013
Bauzeit: 1 Jahr
Fertigstellung: Jänner 2019

 

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Text: Edina Obermoser
Fotos: Matthew Barnett Howland, Magnus Dennis, Ricky Jones, Oliver Wilton

 

 

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