Mit dem Passivhaus in eine fossilfreie Zukunft

Wie lange können (und sollen) Wohnungen noch mit fossiler Energie beheizt werden? Diese Frage wird in der Architektur intensiv diskutiert. Eine Antwort und Lösung für diese Herausforderung liefert die Passivhausbauweise. Sie soll nicht nur bei Kleinbauten, sondern auch bei Großprojekten der neue Standard sein. Ziel ist es, die Errichtung von Passivhaus-Anlagen auf breiter Basis voranzutreiben. Damit wäre die Umsetzung nachhaltiger Energieeffizienz bei der Errichtung von Siedlungen dauerhaft möglich – ein für den Klimaschutz wichtiger Schritt.

Mit dem Passivhaus in eine fossilfreie Zukunft

Wie lange können (und sollen) Wohnungen noch mit fossiler Energie beheizt werden? Diese Frage wird in der Architektur intensiv diskutiert. Eine Antwort und Lösung für diese Herausforderung liefert die Passivhausbauweise. Sie soll nicht nur bei Kleinbauten, sondern auch bei Großprojekten der neue Standard sein. Ziel ist es, die Errichtung von Passivhaus-Anlagen auf breiter Basis voranzutreiben. Damit wäre die Umsetzung nachhaltiger Energieeffizienz bei der Errichtung von Siedlungen dauerhaft möglich – ein für den Klimaschutz wichtiger Schritt.

 


Ein Viertel Grün © Alpenland

 

Das Passivhaus wird professionell

Ein bedeutendes Leuchtturmprojekt ist in der Niederösterreichischen Gemeinde Baumgarten an der March in Planung. Und zwar handelt es sich dabei um das „Zukunftshaus Österreich“ – ein Forschungsvorhaben, das der Gewinnung von Erkenntnissen für die Errichtung von Wohnsiedlungen im Passivhausstandard dient. Ein Team bestehend aus dem Bauträger Alpenland, Trebersprung + Partner Architekten sowie Forschungseinrichtungen der Universität Innsbruck und der Boku Wien widmen sich der Umsetzung. Mehrere Haustechnik- und Baukonzepte – darunter auch eine Photovoltaikanlage und die Zentralwärmepumpe – erproben die Experten an diesem Experimentalbau.

Das Forschungsprojekt zeigt auf, wie Gebäude mit mehr als acht Wohneinheiten ohne fossile Energie beheizt werden können. Gleichzeitig geht es darum, sie so zu konstruieren, dass sie für Käufer und Mieter leistbar sind.

 


Ein Viertel Grün © Alpenland

 

Grüne Stadtquartiere auf Überholspur

Nicht nur das Stadtlabor unterstützt die österreichische Architektur bei der Erreichung ihrer Klimaziele. In Wiener Neustadt wird auf dem Areal des ehemaligen Stadions ein grünes Stadtquartier entstehen. Die gemeinnützigen Wohnbauträger EGW, Alpenland und Heimat Österreich errichten hier gemeinsam mit fünf Architekturbüros 495 Wohnungen mit starker Wärmedämmung. Zudem wird die Siedlung mit dem Namen „Ein Viertel Grün“ ein Netz aus autofreien Begegnungszonen und Grünflächen enthalten – Sharingangebote dienen zusätzlich als Anreiz, um auf eigene Pkws zu verzichten. Dabei kommt „Ein Viertel Grün“ vollständig ohne motorisierten Durchzugsverkehr aus. Trotzdem sichern kurze Fuß- und Radwege die Anbindung zu den wichtigsten Versorgungseinrichtungen. Die Grünflächen in der Siedlung dienen nicht nur als Dekoration, sondern sie sind für die aktive Nutzung vorgesehen. Mit diesen nachhaltigen Ansätzen steht das neue Projekt im Gegensatz zu seinem Standort Wiener Neustadt: Durchfahrts- und Umfahrungsstraßen, Kreisverkehre sowie eine hohe Bodenversiegelung prägen derzeit die Industriestadt.

 


Solarsiedlung Freiburg © Rolf Disch

 

Doch nicht nur aktuelle Projekte widmen sich dem Klimaschutz – Nachhaltigkeit ist in der Architektur bereits seit mehreren Jahrzehnten Thema. Ein wichtiges Vorbild für klimaneutrale Bauplanung ist die Freiburger Solarsiedlung – Architekt Rolf Disch erprobte an ihr im Jahr 2006 den umweltschonenden Hausbau in Massenproduktion. Das damals noch junge Konzept erwies sich als voller Erfolg. Alle Gebäude entsprechen dem Passivhausstandard, während große Scheiben viel Sonnenlicht in die Innenräume lassen. Die Frischluft wird mittels Luft-Luft-Wärmepumpen aufgeheizt, während das Dach mithilfe von Solaranlagen den dafür benötigten Strom erzeugt. Die ersten Wohnhäuser der Siedlung entstanden bereits im Jahr 2000 – die Idee war ihrer Zeit also deutlich voraus. Und selbst heute noch fungiert das klimaneu­trale Projekt als Vorbild für Architekten aus aller Welt.

 


Solarsiedlung Freiburg © Rolf Disch

 

Nachhaltige Großprojekte für eine klimaneutrale Zukunft

Auch im öffentlichen Bereich findet der Passivhausstandard zunehmend Einzug. Im Jahr 2019 realisierte das Architekturbüro CSO arquitectura im spanischen Camarzana de Tera ein klimaneutrales Senio­renheim. Das Projekt ist eine nachhaltige Erweiterung der 2005 errichteten Pflegestation vor Ort, wobei sich die Architekten beim Entwurf an den Bedürfnissen des Personals und der Bewohner orientierten. Heute ist die Residecia de Ancianos das erste als Passivhaus deklarierte Altersheim in Spanien – weltweit gibt es lediglich 15 Pflegestationen dieser Art.

Gestalterisch steht der Zubau nicht für sich allein: Ziel der Planer war es, mit ihm in einen architektonischen Dialog zum bereits existierenden Gebäude zu treten. Der Neubau fungiert als kompakter, minimalistischer Sockel, da viele seiner Räume und Funktionen unterirdisch angeordnet sind. Mehrere begrünte Innenhöfe fördern die räumliche Vernetzung der beiden Bauten. Das neue Passivhaus fügt sich nahtlos in diese Grünflächen ein. Das Projekt besteht aus drei länglichen, nach Süden ausgerichteten „Bändern“, die ein Korridor miteinander vernetzt. Der erste Abschnitt steht den Bewohnern für diverse Tagesaktivitäten zur Verfügung, während er gleichzeitig ein Gewächshaus enthält. Die übrigen Bereiche beinhalten die Wohnungen mit einer eigenen Terrasse und einem direkten Zugang zum Innenhof. An eine sterile Krankenstation erinnert die Einrichtung keinesfalls. Denn bewusst entwarfen die Architekten warme und einladende Zimmer – die Bewohner sollen sich im Pflegeheim schließlich wie zuhause fühlen. Große Fenster, die den Tageslichteinfall gewährleisten, und natürliche Materialien fördern die heimelige Atmosphäre.

 


Residencia de Ancianos © David Frutos

 

Zur Konstruktion des Baus verwendeten die Planer vorgefertigte Holzelemente. Deren Herstellung erfolgte in einer Werkstatt in Barcelona, wobei die Einzelteile anschließend zur Baustelle transportiert und dort innerhalb einer Woche zusammengesetzt wurden. Die Elemente bringen nicht nur eine Zeitersparnis mit sich, sondern sie verbessern gleichermaßen die thermischen Eigenschaften des Baus und verringern so dessen ökologischen Fußabdruck. Diese Ausstattung macht das Pflegeheim zur sogenannten „Energiemaschine“. Die Einrichtung ist also ein passives Gebäude, das kaum Energie verbraucht, während es diese sogar selbst herstellt.

Eine wichtige Rolle für die Energiegewinnung spielt die 18-Kilowatt-Photovoltaikanlage auf dem Dach. Eine mechanische Ventilation versorgt die Innenräume mit Frisch­luft und eine Fußbodenheizung gewährleistet darüber hinaus komfortable Wärme. Selbstverständlich versah man alle Fußböden, Dächer und Wände mit einer soliden Wärmedämmung. Mit dieser Maßnahme erwirkten die Architekten einen dauerhaft geringen U-Wert – der Wärmeverlust im Gebäude bleibt daher verschwindend gering.

 


Residencia de Ancianos © David Frutos

 

Heizen ohne Kohle, Öl und Gas – zeitgemäße Lösungen sind gefragt

Gemäß Wolfgang Feist, dem Gründer des Passivhaus Instituts in Darmstadt, ist es heute durchaus möglich, Gebäude weltweit klimaneutral zu erwärmen. Laut dem Experten ist es dafür notwendig, die Bauten energieeffizient zu gestalten. Die Lösung liegt also in der Bauplanung. „Im Vergleich zu Standard-Bauten, lassen sich mit Belüftungssystemen und guter Dämmung bis zu 90 Prozent Energie sparen – bei Altbauten bewirkt die energetische Sanierung eine Ersparnis von bis zu 80 Prozent“, so Feist. Der verbleibende Bedarf ließe sich mit einem Mix aus erneuerbaren Energien decken. Zur Umsetzung der gaslosen Zukunft braucht es neben effektiver Wärmedämmung also nachhaltige Heizsysteme – immerhin entsteht rund ein Vierteil der globalen Treibhausgasemissionen durch das Heizen mit fossiler Energie

Holz oder Holzpellets eignen sich durchaus zum Beheizen einzelner Gebäude. In Städten und bei Industrieanlagen sei dies aber keine geeignete Option – denn die Ansprüche fielen hier zu komplex aus. Der Bedarf an Biomasse wäre hier zu groß, was dem Klimaschutz schaden würde.

Als effektive und nachhaltige Alternative erweisen sich in diesem Kontext Wärmepumpen. Sie punkten mit einer effizienten und schnell wachsenden Technologie. Tatsächlich ersetzen sie weltweit immer mehr fossile Systeme. In Europa sind die Pumpen derzeit vor allem in Skandinavien auf dem Vormarsch. Da man Strom in den Staaten Nordeuropas vor allem mit Wind- und Wasserkraft erzeugt, ist der Betrieb der Systeme dort noch umweltfreundlicher. Nach den Berechnungen des Fraunhofer ISE verursachen Wärmepumpen-Heizungen um 90 Prozent weniger CO2-Emissionen als ihr Erdgas-Äquivalent.

Zum klimaschonenden Heizen von Gebäuden bedarf es also einer Kombination aus Passivhausstandards und erneuerbaren Energien. Damit ließe sich selbst der Wärmebedarf größerer Wohnsiedlungen und Industrieanlagen – oder sogar ganzer Stadtteile – decken.

 

 

Text: Dolores Stuttner