Plan B für ein Mehrfamilienhaus
In enger Zusammenarbeit mit den Bauherren fand das Architekturbüro Spiekermann die perfekte Lösung für einen Sechzigerjahrebau im deutschen Münster. Das einstige Studentenwohnheim sollte abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Aufgrund von Änderungen war das plötzlich nicht mehr möglich und es musste schnell eine Alternative gefunden werden. Der Plan B entpuppte sich letztendlich als Variante mit Potenzial und resultierte in einem modernen Dreifamilienhaus voller Charakter. Der Beitrag Plan B für ein Mehrfamilienhaus erschien zuerst auf architektur-online.
In enger Zusammenarbeit mit den Bauherren fand das Architekturbüro Spiekermann die perfekte Lösung für einen Sechzigerjahrebau im deutschen Münster. Das einstige Studentenwohnheim sollte abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Aufgrund von Änderungen war das plötzlich nicht mehr möglich und es musste schnell eine Alternative gefunden werden. Der Plan B entpuppte sich letztendlich als Variante mit Potenzial und resultierte in einem modernen Dreifamilienhaus voller Charakter.
Für die Abtragung des Bestands war bereits alles vorbereitet, als es auf einmal hieß, dass der Bau doch erhalten bleiben sollte. Aus der Not machten die Architekten in Münster eine Tugend. Sie sind bekannt für ihren Umgang mit traditionellen Bauten. Mit ihrem jahrelangen Know-how in dem Bereich erstellten die Planer im Eiltempo ein Konzept für die Sanierung und den Umbau des Wohnhauses S, das den Namen der Auftraggeber trägt. Dafür kombinierten sie die vorhandenen Strukturen mit modernen Elementen und entwickelten daraus einen zeitgemäßen Plan B.
Was in der Theorie einfach und unkompliziert klingt, sah in der Praxis etwas anders aus. Das Mehrfamilienhaus am Rande der geschichtsträchtigen Altstadt von Münster unterlag einer Vielzahl an Auflagen durch das Bauamt. Einen der Hauptpunkte stellte die Fassade dar. Sie sollte auch nach der Erneuerung in charakteristischem, rotem Klinker erscheinen und sich harmonisch in die historischen Bauten der westfälischen Metropole integrieren. Mithilfe der Klinkermanufaktur Janinhoff konnte hier das perfekte Material für die Ansichten gefunden werden. Ziegelsteine aus dem Ringofen mit Kohle- und Schmelzbrandanteilen vereinen die Wünsche der Bauherrschaft mit denen der Stadt und verleihen dem Haus seine typisch münsterländische Optik. Durch die verschiedenen Rottöne des speziellen Klinkers erhalten die Außenwände einen modernen Touch und zugleich eine natürliche Dynamik.
Auch in statischer und energetischer Hinsicht erforderte der Altbau einige Anpassungen an heutige Maßstäbe. Das vormalige Wohnheim wurde deshalb komplett entkernt. Nichttragende Zwischenwände mussten weichen, um den bis dahin wenig attraktiven Bestand freundlicher zu gestalten. Die Wände wurden komplett neu gedämmt, sämtliche Leitungen und Installationen erneuert und die Fenster an das neue Konzept angepasst. Im Inneren ging es vor allem darum, den kleinteiligen Grundriss und die dunklen Räume zu öffnen, um Platz für drei neue Wohneinheiten zu schaffen. Für mehr Tageslicht in den Räumen sorgen größere Öffnungen und neue Balkone. Ein zentraler Liftschacht in Sichtbeton erschließt alle Stockwerke des Hauses. Neben den beiden, bereits vorher genutzten Etagen wurde im Zuge der Sanierung auch das Dachgeschoss ausgebaut. Die Tragstruktur wurde an die neuen Anforderungen adaptiert und mit Kalksandsteinelementen verstärkt. Diese unterstützen nicht nur die Konstruktion, sondern wirken sich mit ihren schallschutztechnischen Eigenschaften auch positiv auf die Akustik aus.
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Das revitalisierte Wohnhaus umfasst nun drei Einheiten – zwei in den unteren beiden Niveaus und eine unter dem Dach. Einen Teil des Erdgeschosses nehmen drei Garagenstellplätze ein. Daneben ist eine Maisonette untergebracht. Sie teilt sich in einen offenen Wohnbereich unten und die darüberliegenden, privateren Bereiche auf. Im ersten Stock gibt es Platz für ein weiteres, kleines Apartment. Dieses ist ebenfalls mit einem großen Wohn-Essbereich ausgestattet. Ein Schlafzimmer dient als Rückzugsmöglichkeit.
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Den krönenden Abschluss bildet die Dachgeschosswohnung. Mit einer Größe von 160 m2 wird sie zum neuen Domizil der Bauherren, die sich mit ihrer Designaffinität selbst aktiv in die Gestaltung miteinbrachten. Ihr Wunsch war ein stilvoller Mix aus Alt und Neu. Die Architekten Spiekermann nutzten deshalb die Konstruktion des Bestands und machten sie zum gestalterischen Highlight. Sie setzten die originalen Stahlträger schwarz gestrichten neu in Szene. Durch die Freilegung des Dachstuhls erhielt die Wohnung zusätzliche Höhe und wirkt trotz der Schrägen nicht beengend. Die Kombination an schlicht weißen Oberflächen und dunklen Akzenten sorgt für ein großzügiges und doch gemütliches Raumgefühl.
Mit dem Aufzug gelangt man direkt in den offenen Wohnraum mit anschließender Küche. Der Sichtbetonschacht wird zum Herzstück dieses Bereichs, um den sich die unterschiedlichen Funktionen anordnen. Ein drehbarer Kamin orientiert sich in seiner Designsprache an den schwarzen Dachbalken, er kann beliebig untertags zum Esstisch und abends zur Sofalandschaft hin ausgerichtet werden. Zwei mittig in den Längsfassaden positionierte Loggien sowie neue Gauben öffnen das Dachgeschossapartment zu beiden Seiten hin und bringen zusätzliches Licht in die Räume. Dunkle Details ziehen sich auch durch die übrigen Bereiche der Wohnung. Die Giebelwand in der Küche kleiden, passend zu den dunklen Fronten, schwarze Fliesen – ein Andenken der Eigentümer aus Marokko. Glastrennwände mit dezenten Stahlrahmen und graue Wände fügen sich perfekt in das moderne Konzept ein. Auch das Bad ist in verschiedenen Grautönen gefliest. Raffinierte Einbauten, wie zum Beispiel für Waschmaschine und Trockner, werden zu funktionalen Verstecken und runden die Wohnung unter dem Dach, zusammen mit warmen Holzböden harmonisch ab.
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Spiekermann Architekten reagierten auf die veränderten Umstände schnell und unkompliziert. Sie sanierten den Bestand behutsam und verhelfen den alten Mauern zu neuem Glanz. Das Ergebnis ist ein zeitgenössischer Wohnbau, dem man keineswegs anmerkt, dass es sich dabei lediglich um einen Plan B handelt. Das Dreifamilienhaus S zeigt einmal mehr, dass Gebäudesanierungen viele Möglichkeiten bieten. Mit geschickter Planung können bestehende Strukturen in wahre Schmuckstücke verwandelt werden. Im Vergleich zu Neubauten haben sie dabei einen klaren Vorteil – sie stecken voller erlebbarer Geschichte.
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Haus S
Münster, Deutschland
Bauherr: Privat
Planung: Architekten Spiekermann (Oliver Spiekermann)
Statik: Wiening Ingenieurgemeinschaft
Grundstücksfläche: 299 m2
Bebaute Fläche: 267 m2
Nutzfläche: 394 m2
Planungsbeginn: Ende 2017
Bauzeit: ca. 14 Monate
Fertigstellung: Mai 2019
Text: Edina Obermoser
Fotos: Frank Vinken
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