Architektur der Pädagogik
Eine Investition in die Bildung ist eine Investition in die Zukunft – um Fortschritt zu ermöglichen, braucht es innovative Gebäude. Diesem Grundsatz folgen heute immer mehr Architekten. Und dies ist durchaus erfreulich. Denn auch bei der Realisierung öffentlicher Bauten und Bildungseinrichtungen ist eine durchdachte und kreative Planung wichtig. Der Beitrag Architektur der Pädagogik erschien zuerst auf architektur-online.
Wie Baukunst Bildung schafft
Eine Investition in die Bildung ist eine Investition in die Zukunft – um Fortschritt zu ermöglichen, braucht es innovative Gebäude. Diesem Grundsatz folgen heute immer mehr Architekten. Und dies ist durchaus erfreulich. Denn auch bei der Realisierung öffentlicher Bauten und Bildungseinrichtungen ist eine durchdachte und kreative Planung wichtig.
Immerhin sind Kultur und Bildung – heute mehr denn je – einem steten Wandel unterworfen. Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt ein drastischer Umschwung in den Grundsätzen der Schulpädagogik. Der klassische Frontalunterricht ist vielerorts schon fast Geschichte, wobei moderne didaktische Konzepte und die dafür benötigten offenen Raumstrukturen die Architektur vor eine große Herausforderung stellen.
Offene Raumstrukturen fördern freies Lernen
In Bildungseinrichtungen wie Schulen und auch Kulturbauten halten langsam, aber stetig, neue Konzepte Einzug. Doch zeitgemäße Ideen lassen sich in einem in die Jahre gekommenen Schulgebäude nur schwer realisieren. Ein Interieur aus langen Gängen, das in erster Linie der räumlichen Vernetzung separater Klassenräume dient, macht freies Lernen fast unmöglich. Kinder verbringen zudem immer mehr Zeit in der Schule – Wohnlichkeit steht in den heutigen Schulen also hoch im Kurs. Um den diversifizierten Anforderungen von Lehrpersonal und Schülern gerecht zu werden, müssen Schul- und Kulturbauten eine Vielzahl an Funktionen erfüllen.
Laut TU Wien-Professor Christian Kühn ist eine zeitgemäße Bildungseinrichtung auf Flexibilität ausgerichtet. Lehrern soll sie die Möglichkeit gewähren, verschiedene Lernarrangements anzubieten, sodass Schüler den Unterricht gemäß ihren Begabungen und Talenten in Anspruch nehmen können.
Da das Ende des klassischen Frontalunterrichts angepasster Konzepte bedarf, richtet sich bei neuen Projekten der Fokus der Planer vermehrt auf „Campus statt Klasse“. Eine strikte bauliche Trennung der Klassen und auch der Altersgruppen ist heute nicht mehr vorgesehen. Daher werden immer mehr Schulbauten gemäß dem Clusterprinzip realisiert – Schüler haben so die Möglichkeit, altersübergreifend voneinander zu lernen. Kernstück solch moderner Schulen sind Bildungsräume, die offen um eine Multifunktionsfläche angeordnet sind. Kinder sitzen in Gruppen zusammen und haben unter Aufsicht trotzdem Rückzugsorte. Flexibilität hält ebenfalls bei der Versorgung der Kinder Einzug. Viele Campusse sind ganztägig geführt und stehen den Schülern das gesamte Jahr über offen.
Doch die offene Form des Unterrichts und die freien Raumstrukturen stoßen noch nicht überall auf Anklang. Um den modernen pädagogischen Konzepten eine würdige architektonische Grundlage zu bieten, braucht es vielerorts noch Überzeugungsarbeit und nicht zuletzt Pionierprojekte und Mut. Unbestritten ist aber, dass auch Lehrkräfte und Schüler lernen müssen, mit offen angelegten Bildungseinrichtungen umzugehen. Wie sich Multifunktionalität in Kultur und Bildung umsetzen lässt, verdeutlicht das Haus der Musik in Innsbruck.
Bildung und Moderne – eine Notwendigkeit?
Noch immer residieren viele Bildungseinrichtungen in veralteten Bauten. Für die Pädagogik sind die Bauwerke nicht mehr zeitgemäß, was für den Unterricht mit erheblichen Nachteilen verbunden ist. Oft bieten die betagten Gebäude zu wenig Platz für Lehrveranstaltungen und ermöglichen keine Anpassung an moderne Technologien und Lehrmethoden.
Ebendiese Mängel führten schließlich in Innsbruck zum Bau vom Haus der Musik, das die Funktion der Stadtsäle übernahm. Regelmäßige Wasserschäden, kaputte Lüftungsanlagen, zu wenig Platz und Schimmelbefall waren weitere Probleme in dem 1890 errichteten Gebäude – sie führten letztendlich sogar zur Absage von Veranstaltungen und letztlich zum Abriss des historischen Bauwerks.
Ein Neubau musste also her. 126 Architekten aus ganz Europa beteiligten sich an diesem Projekt und wurden von einer hochkarätigen Jury bewertet und ausgewählt. Als Sieger des Wettbewerbs ging schließlich der Innsbrucker Architekt Erich Strolz hervor, der den Bau gemeinsam mit dem Vorarlberger Büro Dietrich Untertrifaller realisierte. Das 2018 eröffnete Haus der Musik ist nicht nur ein Kulturbau, sondern es bietet auch musikalischen Ausbildungsstätten Platz. Als Multifunktionsgebäude punktet es neben zahlreichen Unterrichtsräumen ebenfalls mit einer großen Bibliothek.
Mit dem modernen Kultur- und Bildungsbau schaffte es Innsbruck, das Institut der Musikwissenschaft, den Standort des Mozarteums und Teile des Konservatoriums unter einem Dach unterzubringen. Es treffen auch hier Auszubildende verschiedener Schulstufen und Altersklassen aufeinander – die Möglichkeit, voneinander zu lernen, ist also gegeben. Das Haus der Musik macht deutlich, dass der Nutzungsmix in der Bildung machbar und in einer kulturell bedeutenden Stadt wie Innsbruck sogar notwendig ist.
Ein Pionier bekennt Farbe
Nach dessen Fertigstellung sorgte das Gebäude von Erich Strolz für Gesprächsstoff. Denn der Architekt setzte auf minimalistische und trotzdem auffallende Elemente. Glas und Keramik wechseln sich an der Außenhülle ab und ermöglichen so gezielt Einblicke ins Innere des Gebäudes. Auch für verspielte Lichteffekte wird mit diesem Kniff Raum geschaffen. Die klare Linienführung unterstreicht den Bau, der durch seine unmittelbare Nähe zur Innsbrucker Altstadt geradezu futuristisch wirkt.
Doch nicht nur mit der modernen Formgebung, sondern auch durch die Farbwahl überzeugt das neue „Haus der Musik“. In Österreich ist es üblich, innovative Bauten mit hellen Fassaden zu schmücken. Diesen Kompromiss gingen die Planer bei jenem Projekt nicht ein. Dabei handelt es sich bei der gewählten Farbe, die heute – genauso wie das Haus der Musik selbst – Gegenstand zahlreicher Diskussionen ist, nicht um einfaches Schwarz. Vielmehr ist es ein dunkel schimmernder Farbton, der sich trotz seiner unverkennbaren Intensität seiner Umgebung anpasst. Je nach Wetter, Jahres- und Tageszeit schmücken die Fassade somit rote, braune oder gar auberginefarbene Muster.
Auf Anklang stößt der Kontrast aber nicht überall. Kritisch stehen der Farbwahl Innsbrucker Ortsbild- und Denkmalschützer gegenüber. Als zu kontrastreich und farblich dominant wirke das Haus der Musik als Nachbar des Landestheaters. Architekt Erich Strolz sieht dies anders. Die Keramiklamellen auf der Fassade wurden eigens für das Projekt angefertigt und sind auf dem Bauwerk in fixer und beweglicher Ausführung vertreten. Außerdem wurde die Gestaltung bewusst so gewählt, dass sich das Gebäude in die Umgebung einfügt. Doch der Planer respektiert, dass die Fassade nicht jedem gefällt. „Architektur ist nun einmal auch Geschmackssache“, sagt Strolz.
Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten – über den Nutzen eines Gebäudes aber nicht. Und diesen hat das Haus der Musik in Innsbruck durchaus erfüllt. Für die Kulturszene, aber ebenso für den Bildungssektor ist es eine zukunftsweisende Bereicherung.
Wie viel darf Bildung kosten?
Geht es um Ausgaben für die Bildung, so ist in der Öffentlichkeit zumeist nur von den laufenden Kosten die Rede. Selten wird der Preis für die dahinter stehende Architektur diskutiert. Dabei schafft sie das Fundament für die Ausbildung – sie stellt geschützte Räume für die intellektuelle und soziale Entfaltung der Individuen zur Verfügung.
Zum Streitthema wurden die Kosten auch beim Innsbrucker Haus der Musik. Grund war die Überschreitung des ursprünglich angesetzten Betrags von 52 Millionen Euro um rund 5 Millionen Euro – eine Fehlkalkulation, die politische Diskussionen nach sich zog. Eine zu geringe Zahl an Firmenangeboten für einzelne Bauabschnitte war der Grund für die Kostenüberschreitung. Laut Georg Preyer, dem Projektleiter der Innsbrucker Immobilien GmbH, die das Haus errichtete, sei der mittlerweile als „Ort der Begegnung“ ausgewiesene Bau aber trotz der Mehrkosten eine gute Investition in Kultur und Bildung. Dies gelte vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass Innsbruck als Musikhauptstadt bisher kaum wahrgenommen wurde. Das Haus der Musik könne durch die Funktionsbündelung im Haus ein Umdenken und damit eine Wende herbeiführen.
Auch bei Schulbauten ist davon auszugehen, dass die Projektkosten in Zukunft höher ausfallen. Denn kooperatives Lernen braucht in Form der Campusse mehr Platz und Innovation. Gesellschaftlich machen sich die Ausgaben für moderne Architektur, die Qualität, Funktionalität und sozialen Fortschritt gewährleistet, langfristig durchaus bezahlt. Denn Bildung ist ein wichtiges, unverzichtbares Gut.
Text: Dolores Stuttner
Fotos: Günther Egger
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