Shikhara – Am Gipfel der Innovation
Mit „Shikhara“ – dem Berggipfel – realisierten die Wallmakers in Südindien ein innovatives Wohnhaus. Das Projekt zeichnet sich aus durch eine nachhaltige Konstruktionsweise, die das Abfallproblem in der Baubranche adressiert, klare Geometrien und eine Mischung aus verschiedenen Materialien. Im Inneren gibt es unkonventionelle Grundrisse, liebevolle Details und ein recyceltes Interieur. Der Beitrag Shikhara – Am Gipfel der Innovation erschien zuerst auf architektur-online.
Mit „Shikhara“ – dem Berggipfel – realisierten die Wallmakers in Südindien ein innovatives Wohnhaus. Das Projekt zeichnet sich aus durch eine nachhaltige Konstruktionsweise, die das Abfallproblem in der Baubranche adressiert, klare Geometrien und eine Mischung aus verschiedenen Materialien. Im Inneren gibt es unkonventionelle Grundrisse, liebevolle Details und ein recyceltes Interieur.
Seit seiner Gründung beschäftigt sich das indische Entwurfsbüro rund um Vinu Daniel mit nachhaltiger, kosteneffizienter Architektur. In Wegwerfprodukten wie Müll und Schlamm sahen die Wallmakers schon immer eine Möglichkeit, ausgedienten Materialien ein zweites Leben zu schenken. Über die Jahre hinweg entwickelte sich aus dieser Überzeugung und vielen Experimenten ein innovatives Verfahren: die sogenannte „Shuttered Debris Wall“-Technik. Mit dieser werden aus Zement und Erde unter Zugabe von Abfall oder Bauschutt Wände hergestellt. Die als Zuschlagstoffe verwendeten Partikel können einen Durchmesser von 10-70 mm haben und werden in stabile, tragende Elemente verwandelt.
Traditionelle Konstruktionsweisen wie Lehmziegelbauten sind aufgrund der Verschmutzung des Bodens oder einem hohen Anteil an Schutt oder Gestein in Indien oft nicht möglich. Die Technik der Wallmakers ermöglicht es, genau dieses Aushubmaterial durch Verschalen doch noch zu nutzen – so auch im Falle des Einfamilienhauses, wo der verunreinigte Aushub eine neue Verwendung fand. „Shikhara“ befindet sich in der Stadt Pothencode im Distrikt Trivandum in Südindien. Auf einer Anhöhe gelegen macht es seinem Namen, der übersetzt soviel wie „Berggipfel“ bedeutet, alle Ehre. Der Bauherr, selbst ein Weltenbummler mit einer Faszination für den Himalaya, verwirklicht sich mit dem Neubau den Traum vom eigenen, kleinen Berg-Domizil. Die Architekten setzten diesen Wunsch gewissenhaft auf ganzer Linie um: sowohl in Form von kantigen, spitz nach oben zulaufenden Dachflächen als auch mit der Panoramaaussicht auf die umliegende Landschaft.
Der scharfkantige Baukörper ist nicht nur nachhaltig und innovativ, sondern steckt auch sonst voller Überraschungen. „Shikhara“ setzt sich aus großflächigen Wandscheiben zusammen, die in unterschiedlichen Winkeln aufeinandertreffen und das Haus von rundum zu einem ungewöhnlichen Hingucker machen. Die überwiegend geschlossene Westansicht schützt vor der sengenden Sonne, behindert allerdings auch die Querlüftung. Um dennoch ausreichend Luft und Licht in die Innenräume zu bringen, führten die Planer das erste Stockwerk an der westlichen Front in gelochtem Aluminiumblech aus. Die feine Perforierung, die man von außen nur bei genauer Betrachtung erkennt, lockert die hermetische Fassade auf. Während sich das Blech an einer Seite glatt auf die Ansicht legt, nimmt es zur anderen hin eine wellenförmige Gestalt an und entwickelt sich zu einem dreidimensionalen Körper, der die Unterkonstruktion der Treppe ins Dachgeschoss bildet.
Betonierte Abschnitte komplettieren das tragende System des Wohnhauses. Die Grenzen zwischen Innen und Außen scheinen bei „Shikhara“ fließend ineinander überzugehen. Großflächige Verglasungen sorgen für eine angenehme Wohnatmosphäre und holen die Natur bis in die Räume. Im oberen Niveau regnet es durch eine geplante Öffnung im Dach sogar direkt in das Haus hinein. Das Regenwasser tropft hier in eine dreieckige Ausnehmung im Boden, aus der ein kleines Pflänzchen wächst.
Auf rund 180 m2 gibt es in dem Wohnhaus, stets begleitet vom Blick in die üppige, indische Vegetation und trotzdem vor der Hitze abgeschirmt, reichlich Platz zum Entspannen, Arbeiten, Kochen, Schlafen und Wohnen. Im unteren Level befindet sich neben dem Regenwassertank und einem Autoabstellplatz ein Schlafraum mit anschließender Nasszelle. Das Zwischengeschoss, das durch die doppelte Raumhöhe noch geräumiger wirkt, umfasst den großen Ess-Wohnbereich mit offener Küche sowie ein weiteres Zimmer. Den Abschluss bildet der kleine Schlafbereich unter dem Dach. Dieser formt den Gipfel des Baus und öffnet sich zu einer Terrasse hin.
Das Aussehen von „Shrikhara“ ist rundum geprägt von der Optik der braunen „Shuttered Debris Walls“. Diese verbessern nicht nur die Energiebilanz des Hauses, sondern fügen es zudem harmonisch in die Natur ein. Durch das Beimischen des Aushubs erhalten die Wände die gleiche charakteristische Färbung, die auch die umgebende Landschaft aufweist. Der Baustoff kommt ganz ohne Oberflächenveredelung aus und versprüht einen modernen und doch natürlichen Charme. In den Innenräumen werden die „Shuttered Debris Walls“ von Böden und Wänden, die mit Oxid in Grau und Weiß vorbehandelt wurden, ergänzt. Sichtbeton und Metalldetails komplettieren die Materialpalette des Projekts. Einen heimeligen Charakter erhält das Wohnhaus durch recycelte Holzelemente. Diese ziehen sich in Form von Türen, Einbauten und Möbelstücken durch sämtliche Räume und verleihen dem sonst eher kühlen Bau mit seinen Ecken und Kanten Gemütlichkeit und Nahbarkeit.
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Mit der „Shuttered Debris Wall“-Technik demonstrieren die Wallmakers, wie man Abfallprodukten neues Leben einhauchen kann und ihnen damit auf nachhaltige und sinnvolle Weise einen neuen Nutzen gibt. Das patentierte Verfahren bietet eine Chance für den gesamten Bausektor, der oft alles andere als innovativ ist. Viel zu oft geraten Umweltthemen zugunsten von Profit und Gewinnoptimierung in den Hintergrund. Dabei muss Innovation nicht immer kompliziert sein – manchmal liegt sie näher als man denkt.
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Shikhara
Pothencode, Trivadrum, Indien
Bauherr: Privat – Harikumar Karunakaran
Planung: Wallmakers
Mitarbeiter: Vinu Daniel, J M Srivarshini, Gayatri Maithani, Sagar Kudtarkar & Team
Statik: Adcons Infrastructure Pvt
Nutzfläche: 177 m2
Planungsbeginn: 2018
Bauzeit: 1.5 Jahre
Fertigstellung: 2019
Baukosten: Rs. 6.500.000 (ca. € 73.000)
Text: Edina Obermoser
Fotos: Jino Sam, Sidharthan, Chirantan Khastgir, Akash Sharma, Sagar Kudtarkar
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