State of the Art

Im Oktober 2023 hat die Brown University in Rhode Island, eine der acht US-Ivy League­-Universitäten, auf ihrem knapp 600.000 m2 großen Campus das Lindemann Performing Arts Center eröffnet. Mit dem Zentrum für darstellende und bildende Kunst möchte die Eliteuni international renommierte Künstler anziehen.

State of the Art

Im Oktober 2023 hat die Brown University in Rhode Island, eine der acht US-Ivy League­-Universitäten, auf ihrem knapp 600.000 m2 großen Campus das Lindemann Performing Arts Center eröffnet. Mit dem Zentrum für darstellende und bildende Kunst möchte die Eliteuni international renommierte Künstler anziehen.

 

 

Als „Symphonie aus Aluminium und Glas“ bezeichnet die amerikanische Architekturbloggerin Pooja Hollannavar die Außenhülle des Lindemann Centers. Das Gebäude ist in einen Vorhang aus stranggepresstem, geriffeltem Aluminium gehüllt, dessen Muster auf fraktaler Geometrie beruht, der Wiederholung einfacher Prozesse auf verschiedenen Maßstabsebenen, wodurch komplexe Muster erzeugt werden können. Die Farbe und das Muster der Fassade verändern ihr Erscheinungsbild je nach Jahreszeit und Tageszeit. Mit seiner hellen, strahlenden Hülle markiert das Gebäude einen starken städtebaulichen Kontrast zu den roten Klinkerfassaden der umliegenden Häuser auf dem Universitätscampus, ohne wie ein Fremdkörper zu wirken. Volumen und Höhe des Neubaus orientieren sich an der gebauten Umgebung. 

 

 

Räumliche und akustische Modulierung

Entworfen hat das Center mit knapp 11.000 Quadratmetern Nutzfläche, für das ein bestehendes Haus aus viktorianischer Zeit abgebaut und an anderer Stelle wieder errichtet werden musste, das New Yorker Architekturbüro REX, das nicht nur in den USA baut, sondern unter anderem auch in Australien, Südkorea, der Türkei, Katar und Europa. Gegründet wurde es 2006 von dem Architekten Joshua Ramus nach seinem Weggang von OMA New York.

Für das Innenleben des Centers entwarf das Büro eine Typologie von fünf definierten Konfigurationen des Zuschauerraumes, der für ein hundertköpfiges Orchester mit Chor ebenso angepasst werden kann wie für Solisten-Konzerte, große Theaterproduktionen, immersive Video- und Bühnenprojektionen, digitales Kino oder konventionelle Vorträge und Empfänge, wobei der Hauptsaal in seiner größten Konfiguration bis zu 625 Sitzplätze bietet.

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Alle sechs Oberflächen der quaderförmigen Haupthalle – der Boden aus Holz, die Decke und die vier Wände aus Trockenbau- und Akustikplatten – lassen sich automatisiert und manuell räumlich und akustisch modulieren. Möglich machen das fünf an Trägern aufgehängte Plattformen mit vier Ebenen – zwei Ebenen für das Publikum und zwei für das technische Personal, vierzig verstellbare Akustikreflektorplatten, sieben motorisierte Versorgungsplattformen, drei Lichtbrücken, zwei Bühnenlifte, drei Hebebühnen, sechs ausziehbare Orchesterpodeste, drei Sitzwagenaufzüge, ein aus drei Einheiten bestehendes Sitzsystem, das sich einziehen lässt, fünf Sitzwagen sowie ein Ring aus ausfahrbaren Akustikvorhängen und ein Gitterrost, der knapp 17 Meter über dem Boden schwebt. Hydraulische Brücken auf allen Seiten des Innenraums können manuell horizontal hin und her bewegt werden. Auf diesen Brücken wurden 72 gerade und gebogene Glaspaneele montiert. Die Statik und die Glasstruktur mussten so angepasst werden, dass sie die Bewegung der Brücken und die damit verbundenen Vibrationen aufnehmen konnten. So kompliziert das System klingt, so praktisch ist es: Es kann von fünf Technikern in nur drei Stunden entsprechend umgebaut werden.

 

 

Auf der mit einem Kautschukboden belegten unteren Ebene des Gebäudes befinden sich drei zusätzliche Proberäume, die zugleich als Veranstaltungsorte dienen: ein Orchesterproberaum als Aufführungsraum mit 135 Sitzplätzen für kleinere Ensembles, ein Tanzproberaum für Tanzaufführungen mit 98 Sitzplätzen und im Theaterproberaum können Vorstellungen für 50 Zuschauer stattfinden.

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Fachwerk und Glas

Für die Bühne entwarfen die Tragwerksplaner von Magnusson Klemencic Associates eine weitgespannte Fachwerk- und Glaskonstruktion. Das Ingenieurbüro WSP wiederum suchte nach einem eleganten, modernen und ästhetisch ansprechenden Design, das es den Menschen außerhalb des Gebäudes ermöglicht, mit dessen Innenleben in Kontakt zu treten, und gleichzeitig sicherstellt, dass die hervorragende Akustik der Aufführungen im Gebäude nicht durch Geräusche von außen beeinträchtigt wird. Im Gebäudeinneren schützen Gipskartonplatten und Stahlträger das Theater vor Umgebungsgeräuschen. An der Fassade führt ein transparentes Fensterband an drei Seiten des Gebäudes als zugleich architektonisches Ausrufezeichen und bauphysikalisches Element um den im ersten Obergeschoss liegenden Hauptaufführungssaal und den Eingangsbereich herum und schafft geschützte Außenbereiche. Die geradlinige Einfassung aus einer 50 Millimeter starken, laminierten, teilweise chrombeschichteten rahmenlosen Verglasung sorgt durch ihre Masse für eine vollfrequente Reflexion des Musikklangs. Das Licht von außen kann durch einen umlaufenden Vorhang im Gebäudeinneren vollständig blockiert werden. Die fast 19 Meter hohe Aluminiumblechfassade über den Glaselementen ist in vier Abschnitte unterteilt, jede Profilleiste wurde vor Ort einzeln aufgehängt.

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Eine zweite, innere Reihe von Glasbögen, die an den Portalen aufgehängt sind und sich mit ihnen bewegen, ist so konfiguriert, dass sie den Klang über die Bühne und die Zuschauerbereiche verteilt. Durch die Öffnungen zwischen den Bögen kann ein Teil des Klangs in den Hohlraum dahinter entweichen, was bei der Kontrolle der Lautstärke hilft und gleichzeitig die akustische Energie ausreichend eindämmt. Innerhalb der Glasbögen können Gitter und Verdunkelungen angebracht werden, um innere Schallreflexionen zu unterdrücken oder Zuschauerströme zu lenken.

Bautechnisch elegant gelöst wurde die Herausforderung, eine Tragkonstruktion für das Dach zu finden, ohne die Fenster durch Säulen oder Wände zu blockieren. Da dickes Glas zwar akustisch widerstandsfähig ist, das Gewicht einer so großen Struktur jedoch nicht tragen kann, entwickelten die Bauingenieure ein weitgespanntes Stahlband-Fachwerksystem, das nur an den vier Ecken des Gebäudes gestützt wird. Dank dieses eleganten Designs scheint das Gebäude über dem Band aus Sichtglas zu schweben.

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The Lindemann Performing Arts Center
Providence, Rhode Island

Bauherr: Brown University, Brown Arts Institute
Planung: REX architecture, New York
Landschaftsplanung:   Stimson, Cambridge
Tragwerksplanung: Odeh Engineers, Providence, Rhode Island
Magnusson Klemencic Associates, Seattle

Grundstücksfläche: 3.400 m2
Nutzfläche: 11.000 m2
Planungsbeginn: 09/2017
Baubeginn: 2019
Fertigstellung: 09/2023

www.rex-ny.com

 

 

Text: Roland Kanfer
Fotos: Iwan Baan