Tête-à-Tête in Holz und Lehm

Eine Kindertagesstätte aus Holz und Lehm gehört zu den jüngsten Projekten des Büros atelier Régis Roudil architectes. Das Besondere daran? Der Neubau befindet sich - umgeben von jeder Menge Stein und Beton - mitten in Paris im siebten Arrondissement. Mit ihrer ökologischen Bauweise gliedert sich die Kita dort in den Garten des französischen Präsidialamts, des Palais de l´Alma, ein und soll zum nachhaltigen Vorzeigeobjekt werden.

Tête-à-Tête in Holz und Lehm

Eine Kindertagesstätte aus Holz und Lehm gehört zu den jüngsten Projekten des Büros atelier Régis Roudil architectes. Das Besondere daran? Der Neubau befindet sich – umgeben von jeder Menge Stein und Beton – mitten in Paris im siebten Arrondissement. Mit ihrer ökologischen Bauweise gliedert sich die Kita dort in den Garten des französischen Präsidialamts, des Palais de l’Alma, ein und soll zum nachhaltigen Vorzeigeobjekt werden.

 

 

Der innerstädtische Bezirk am linken Ufer der ­Seine zieht mit zahlreichen, kulturellen Sehenswürdigkeiten nicht nur viele Touristen an, sondern ist als Verwaltungssitz auch der Arbeitsplatz zahlreicher Staatsangestellter. Ein solcher Standort ist das Palais de l’Alma. Das historische Ensemble wurde im 19. Jahrhundert zu Ehren von Kaiser Napoleon III. errichtet. Neben einem repräsentativen Hauptgebäude, mehreren Seitenflügeln und Innenhöfen umfasste dieses später auch die Stallungen des Präsidenten. Heute steht der monumentale Komplex unter Denkmalschutz. Er dient als Präsidialamt und beinhaltet die Büros und Dienstwohnungen der Angestellten des französischen Staatsoberhauptes Macron.

 

 

Zwischen dem geschichtsträchtigen Bestand galt es, eine neue Kinderkrippe zu bauen und so die Betreuungssituation für den Nachwuchs der Mitarbeiter zu verbessern. Anders als das vorherige Angebot – in einem alten, wenig geeigneten Gebäude in der Rue de l‘Elysée – sollte mit dem Neubau im Herzen des Palais ein kindgerechter Ort entstehen. Aufgabe der Architekten war es, die Kita behutsam in das dichte, urbane Gefüge zu integrieren und sie gleichzeitig zum ökologischen Vorbild zu machen. Das Ergebnis ist ein kompaktes Gebäude am südlichen Rand des Geländes, welches sich an den Maßstab der kleinen Nutzer anzupassen scheint. Von den Grundstücksmauern eingefasst und so vom geschäftigen Treiben der Metropole abgeschirmt, entwickelt sich der Neubau parallel zur draußen vorbeiführenden Rue de l’Université. Lediglich ein schmaler Streifen bleibt zwischen Mauer und Kita frei und lässt gerade genügend Platz für den patrouillierenden Sicherheitsdienst.

 

 

Das Planerteam wählte einen langgezogenen Grundriss, um den Garten der Behörde mit seinem alten Baumbestand bestmöglich als Grünraum zu erhalten. Entlang der nach Norden orientierten Längsfassade öffnet sich der Bau über großflächige Verglasungen nach draußen. Während hier im vorderen Bereich der Zugang untergebracht ist, grenzt den flachen Gebäuderiegel im hinteren Teil ein Zaun vom halb­öffentlichen Hof ab und schafft einen kleinen, privaten Außenbereich für die Kindertagesstätte. Vom Stadtraum aus bleibt der pavillonartige Neubau verborgen. Nur das üppig begrünte Dach soll künftig über die Begrenzungsmauer lugen. Zentral auf der Dachfläche befindet sich ein konkaver Aufsatz, der die schlichte Kubatur auflockert. Die geschwungene Laterne bringt reichlich Tageslicht ins Gebäudeinnere und dient zudem der Belüftung.

Besonders interessant ist, dass man sich bei der Umsetzung des eingeschossigen Baukörpers auf Wunsch der auftraggebenden Behörde ausschließlich für Naturmaterialien wie Holz und Lehm entscheid. Aus konstruktiver Sicht handelt es sich bei dem Kindergarten um einen Hybrid, der sich aus zwei Komponenten zusammensetzt: Eine Holzskelettstruktur mit Stützen und Trägern aus Fichte und Douglasie bildet den Kern des Gebäudes. Diese wird seitlich von zwei U-förmigen Stampflehmvolumen eingefasst, welche den riegelförmigen Kindergarten in Querrichtung abschließen. Im Gegensatz zu den geschlossenen Lehmkuben, sind die schmalen Pfosten und Riegel des Holztragwerks mit Glas ausgefacht. Mit der pragmatischen Kubatur will man zum einen eine flexible Nutzung und zum anderen eine künftige Skalierung der Kita ermöglichen. Trotz der unterschiedlichen Funktionen ist die Anordnung der Räume im Inneren symmetrisch. Die massiven, nach Ost und West ausgerichteten Gebäudeenden beinhalten Büros und administrative Bereiche. Der Mittelteil bildet das Herzstück der Kinderkrippe: In ihm sind die lichtdurchfluteten Gruppenräume für bis zu 24 Kinder untergebracht. Leichte Trennwände aus Holz und Glas grenzen innerhalb des großen Spielbereichs einzelne Kuben mit Ruhezonen, Küche und Sanitärflächen ab. Die raumhohen Fenstertüren können in den warmen Monaten aufgeschoben werden und lassen Innen- und Außenraum fließend ineinander übergehen.

 

 

 

Die Mauern aus Stampflehm fertigte man in Kooperation mit einem Expertenteam aus lokalem Aushubmaterial vor Ort. Sie bestehen aus 12 cm dicken Schichten, die anschließend auf je 8 cm verdichtet wurden. Zur Stabilisierung der Wände stampfte man alle sechs Lagen eine Kalkschicht ein. An den Ecken wechseln sich Kalk und Lehm für maximale Festigkeit lagenweise ab. Das verwendete Holz stammt aus Frankreich und macht – laut den Architekten – rund 82 % der gesamten Baumasse aus. Dabei kam die nachwachsende Ressource nicht nur bei der Kon­struktion, sondern in Form von Verkleidungen, Akustikdecken, Einbauten und Möbeln auch beim Innenausbau zum Einsatz. Um den CO2-Fußabdruck des Projekts möglichst gering zu halten, transportierte man den Großteil der Materialien über die Seine auf dem Wasserweg direkt zur Baustelle.

 

 

Im Inneren des Kindergartens fiel die Wahl ebenfalls auf eine natürliche Materialpalette. Die rohen Lehmwände und naturbelassenen Holzoberflächen werden hier durchgehend von warmen Erdtönen ergänzt. Bodenbeläge aus gegossenem Kork passen nicht nur perfekt zum nachhaltigen Konzept. Der recycelte Rohstoff wirkt sich zusätzlich positiv auf die Akustik aus, fungiert als Wärmedämmung und federt bei Bedarf Stürze der kleinen Schützlinge ab. So wird der effiziente Neubau stimmig abgerundet und zugleich für eine angenehme Atmosphäre sowie ein gesundes Raumklima gesorgt. Vor der historischen Kulisse gelang es Régis Roudil architectes mit der neuen Kita außerdem einen Bau voller spannender Kontraste zu schaffen. Aufgrund seiner Materialität fungiert dieser sowohl als ökologisches Vorzeigeprojekt als auch als geschütztes Umfeld, in dem die Entwicklung der Kleinen im Mittelpunkt steht: Während der opake, raue Stampflehm den Kindern Geborgenheit bietet, vermitteln die transparenten, glatten Fensterflächen zum Garten des Palais de l‘Alma hin ein gewisses Maß an Offenheit. Diese Gegensätze verankern das Gebäude nonchalant in seiner Umgebung und machen die Krippe inmitten von Paris zur grünen, kindgerechten Oase.

 

„Die warmen Farbtöne von Holz und Lehm schaffen eine gemütliche Atmosphäre, in der sich die Kleinen wie zu Hause fühlen können. Während der Stampflehm das Projekt fest im Garten verwurzelt, sorgt Holz für die nötige Sanftheit und Ruhe, die die Kinder für ihre Entwicklung brauchen.“

 atelier Régis Roudil architectes

 

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Kindertagesstätte Palais de l‘Alma
Paris

Bauherr:                Présidence de la République
Planung:                atelier Régis Roudil architectes
Statik:                   Vessière
TGA-Planung:       B52
Akustik:                 Viasonora

Nutzfläche:           308 m2
Planungsbeginn:   03/2020
Baubeginn:            07/2020
Fertigstellung:      03/2022

www.regisroudil.fr

 

 

 

Text: Edina Obermoser
Fotos: 11h45 – Florent Michel