Wohnen im Gewächshaus

Inspiriert von der Geschichte des Grundstücks, entwarfen Hayhurst & Co Architects mit dem Green House ein unkonventionelles Einfamilienhaus. Mit seiner einfachen Konstruktion, lebendiger Bepflanzung und fließenden Übergängen zwischen Innen und Außen sticht es im Londoner Norden klar hervor. Trotz des begrenzten Budgets gelang es dem Planerteam, ein gemütliches, flexibles Zuhause zu entwickeln, das zugleich als nachhaltiges Vorbild für vergleichbare Projekte dienen soll.

Wohnen im Gewächshaus

Inspiriert von der Geschichte des Grundstücks, entwarfen Hayhurst & Co Architects mit dem Green House ein unkonventionelles Einfamilienhaus. Mit seiner einfachen Konstruktion, lebendiger Bepflanzung und fließenden Übergängen zwischen Innen und Außen sticht es im Londoner Norden klar hervor. Trotz des begrenzten Budgets gelang es dem Planerteam, ein gemütliches, flexibles Zuhause zu entwickeln, das zugleich als nachhaltiges Vorbild für vergleichbare Projekte dienen soll.

 

 

Erschwingliche Architektur mit Kontext

Das Wohnhaus liegt in einer unbefestigten, schmalen Sackgasse in Tottenham Clyde Circus, einer denkmalgeschützten Gegend im Bezirk Borough of Haringey. Früher war das Gebiet im Norden der britischen Hauptstadt – und auch der Bauplatz – geprägt von Obsthainen, Gewächshäusern und Gärtnereien. Ein verwildertes Wäldchen und eine alte Remise zeugen auf der gegenüberliegenden Straßenseite bis heute von vergangenen Tagen. Rundum schließen die für England typischen Backsteinbauten im viktorianischen Stil an. In den 2000er-Jahren erbaut, wurden die zweistöckigen Nachbargebäude inzwischen weitgehend in Wohnungen unterteilt. Dazwischen wünschte sich das Bauherrenpaar für seine zwei Kinder und sich ein Haus, das den begrenzten Platz bestmöglich nutzt und zugleich großzügig und naturverbunden ist. Pro Quadratmeter sollten die Kosten dabei nicht über 3.000 Pfund (rund 3.500 Euro – und damit merklich unter dem Londoner Durchschnitt) liegen.

 

 

Modern, energieeffizient & grün

Die Architekten verpackten all diese Anforderungen in einem innovativen Entwurf. Mit dem Green House interpretierten sie die Typologie des Gewächshauses auf moderne und energieeffiziente Weise neu und griffen damit den grünen Charakter des Standortes auf. Aus Effizienzgründen fiel die Wahl auf einen rechteckigen Baukörper. Die reduzierte Blockform ermöglicht eine einfache Konstruktion und spart zugleich Material. Während die Rückseite des Hauses in dunkles Wellblech gekleidet ist, wird an der nach Süden ausgerichteten Hauptfassade der Name des Gebäudes deutlich: Die Ansicht ist in verschiebbaren Polycarbonat-Paneelen ausgeführt. Sie erinnern an ein Gewächshaus und stellen eine kostengünstige Alternative dar. Zusätzlich wurde die mehrschichtige, funktionale Fassade mit Bambus bepflanzt. Wie ein grüner Filter wird die Vegetation hinter den semi-transparenten Wänden zum natürlichen Sonnenschutz und bewahrt die Privatsphäre der Bewohner.

 

 

Konstruktion trifft Gestaltung

Holz spielt im gesamten Haus eine wichtige Rolle: Das Tragwerk beruht auf einer Brettsperrholz-Struktur. Für eine optimale, thermische Performance des Neubaus legten die Planer großen Wert auf eine hochisolierte Gebäudehülle. Die konstruktiven Elemente wurden vorgefertigt und in das Designkonzept integriert. So konnte auf zusätzliche Verkleidungen verzichtet und noch mehr CO2 eingespart werden. Im Inneren bleibt das Naturmaterial ebenfalls weitgehend sichtbar. Die Wände erhalten dank der Maserung der nackten CLT-Bauteile eine spannende Textur und tragen zu einer angenehmen, wohnlichen Atmosphäre bei. Die Liebe zum Detail wird im Inneren des Green House bis in jede Ecke sichtbar: z.B. bei den Innentüren. Anstelle von Rahmen und Blenden sind die Zargen direkt in die hellen Zwischenwände eingekerbt. Durch die kreative Verwendung von Materialien ließen sich die Kosten weiter reduzieren. Im Außenbereich kamen recycelte Betonblöcke zum Einsatz und die Böden im Obergeschoss wurden aus Gummikork aus einstigen Dichtungen gefertigt. Einen Farbtupfer bringen lediglich die zentral positionierte Stahltreppe sowie die Unterkonstruktion und das Geländer der Galerie in die sonst schlicht gestalteten Räume. In Grün gestrichen, harmonieren diese bunten Bauteile mit den Protagonisten des Hauses: den Pflanzen hinter der Fassade und im Freien.

 

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Atrium als Herzstück

Aufgrund der angrenzenden Bebauung gestaltete sich die Tageslichtversorgung über die Stirnseiten schwierig. Das Planerteam bediente sich deshalb eines Elements aus der marokkanischen Architektur: dem Riad, einem traditionellen Bau mit Innenhof oder Garten. Das Green House wurde mit einem zentralen Atrium versehen und sämtliche Räume rundherum auf zwei Niveaus angeordnet. Dieses Herzstück verleiht dem Projekt den liebevollen Beinamen Tottenham Riad. Der von oben belichtete Hof sorgt für helle, freundliche Innenräume und verbindet die einzelnen Funktionen. Im offen gestalteten Erdgeschoss befinden sich die große Küche mit Essbereich sowie das zum Garten hin orientierte Wohnzimmer. Mit fünf Schlafzimmern in der oberen Etage erhalten alle Bewohner einen privaten Rückzugsort. Gleichzeitig bietet der Neubau der Familie ausreichend Platz, um weiter wachsen zu können. Alle Räume des Neubaus verfügen über einen Ausblick in den Himmel oder ins Grüne – entweder in den Vorgarten, den rückseitigen Freibereich oder auf die umliegenden Bäume. Großflächige Verglasungen lassen die Grenzen zwischen den Innen- und Außenräumen verschwimmen. Das Atrium lässt sich im unteren Stock mit raumhohen Vorhängen von den übrigen Wohnflächen abtrennen. So verwandelt sich die lichtdurchflutete Mitte des Einfamilienhauses bei Bedarf in einen spektakulären Speisesaal. Der schwere Stoff in Beige und Gelb schafft nicht nur eine optische Abgrenzung, sondern reguliert zudem die Raumakustik.

 

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Nachhaltiges Energiekonzept

Im Sinne der Nachhaltigkeit setzte man neben der effizienten Kubatur des Green House ausschließlich auf erneuerbare Energien. Das Heizsystem basiert auf einer Luftwärmepumpe, Solarpaneele auf dem Dach decken den Strombedarf des Hauses. Das Regenwasser wird in einer Tonne gesammelt und für die Bewässerung des Grundstücks verwendet. Zusätzlich wirkt sich das Atrium positiv auf das Raumklima aus und trägt in den heißen Sommermonaten zur passiven Kühlung bei: Dank Kamineffekts kann die warme Abluft nach oben entweichen, während unten Frischluft nachströmt. So demonstrierten Hayhurst & Co Architects mit dem einfachen Wohnhaus einmal mehr, wie viel man auch mit begrenzten finanziellen Mitteln und in der Stadt erreichen kann. Nachhaltige Architektur kann so einfach sein…

 

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Green House
Haringey, London

Bauherr: Privat
Planung: Hayhurst & Co Architects
Statik: Iain Wright Associates
Holzbau: Eurban
Stahlkonstruktion: Surrey Steel Trading
Landschaftsplanung: Ollie Allen
Energieplanung: Mesh Energy

Wohnfläche: 189 m2
Baubeginn: 2020
Fertigstellung: 2021
Baukosten: £ 500.000

www.hayhurstand.co.uk

 

 

Text: Edina Obermoser
Fotos: Kilian O‘Sullivan