XXL-Holzhybrid
Unter dem Titel EDGE Südkreuz Berlin realisierten Tchoban Voss Architekten im Herzen der deutschen Hauptstadt ein zweiteiliges Büroensemble. Mit einer Bruttogrundfläche von 32.000 Quadratmetern wird es zum größten Projekt in modularer Holz-Hybrid-Bauweise der Bundesrepublik und will auch in Sachen ökologische Nachhaltigkeit und Energieeffizienz neue Maßstäbe setzen.
Unter dem Titel EDGE Südkreuz Berlin realisierten Tchoban Voss Architekten im Herzen der deutschen Hauptstadt ein zweiteiliges Büroensemble. Mit einer Bruttogrundfläche von 32.000 m2 wird es zum größten Projekt in modularer Holz-Hybrid-Bauweise der Bundesrepublik und will auch in Sachen ökologische Nachhaltigkeit und Energieeffizienz neue Maßstäbe setzen.
Mit vielfältigen Wohn- und Bürobauten sowie Kultur- und Gewerbeflächen verwandelt sich die Schöneberger Linse, das Areal zwischen dem Bahnhof Südkreuz und dem S-Bahnhof Schöneberg, aktuell in ein lebendiges Stadtquartier mit Mischnutzung. Auf einem über 10.000 m2 großen Grundstück galt es am Ostrand des Geländes, mit der Zentrale des Energieversorgers Vattenfall einen neuen Office-Standort und zugleich einen städtebaulichen Abschluss des einstigen Entwicklungsgebiets zu schaffen. Das Planerteam entwarf dafür ein auffälliges Duo, das sich aus zwei freistehenden Gebäuden mit je sieben Geschossen zusammensetzt: einem Karree mit trapezförmigem Grundriss und einem kleineren Riegel. Beide Baukörper sind parallel zur Hedwig-Dohm-Straße positioniert, folgen der gleichen Flucht und werden durch eine Parkgarage unterirdisch verbunden. Der Hildegard-Knef-Platz in nördlicher Richtung erhält – begrenzt von dem kompakten, langgezogenen Volumen – als Bahnhofs-Vorplatz mit Grünanlagen und Sitzmöglichkeiten ein zeitgemäßes Make-over.
[See image gallery at www.architektur-online.com]
Luftiges Atrium als Herzstück
Das größere der beiden Gebäude wird von den Architekten als Carré bezeichnet und legt sich rund um ein riesiges, lichtdurchflutetes Atrium. Mit 26 m erstreckt sich dieses über die gesamte Höhe des Hauses. Von filigranen Holzbindern getragen, wird der 1.600 m2 große Luftraum von einer pneumatischen Foliendachkonstruktion aus transparenten ETFE-Kissen überspannt. Eine 7 m hohe Eingangslobby markiert den Zugang zur Firmenzentrale und lenkt den Blick durch großflächige Verglasungen bereits von außen in den imposanten Innenhof. Zum Highlight des Atriums werden vier baumartige Stützen. Sie sind mit Fichtenholz-Lamellen verkleidet und scheinen sich wie Pilze dem Licht entgegenzustrecken. Zwischen 4 und knapp 15 m hoch, trägt jedes der Gebilde eine Plattform. Treppen verbinden die einzelnen Stützen und führen – unterbrochen von den Erholungs- und Kommunikationszonen auf den Kronen der sogenannten Trees – bis ganz nach oben. Zusätzlich gibt es an den Innenecken vier Erschließungskerne mit Aufzügen. Rund um das Atrium schließen die vier Flügel des leicht asymmetrischen Karrees an. Die Büroetagen der 14 m tiefen Riegelbauten öffnen sich nicht nur an der Außenseite, sondern auch zum Atrium hin über raumhohe Fenster. Im fünften Stock befindet sich über dem Foyer mit der Sky-Lounge eine Loggia mit Panoramaverglasungen und Außenterrasse.
Leichte Konstruktion mit ökologischer Gesamtbilanz
Beide Volumen auf dem EDGE Südkreuz Berlin-Areal wurden als Holz-Hybridbauten ausgeführt. Fundament und Untergeschoss bestehen jeweils aus Beton. Darüber kam das modulare System des Dornbirner Unternehmens CREE zum Einsatz. Dieses kombiniert Holz-Beton-Verbunddecken mit einer Tragstruktur aus Holzstützen und -balken. Während an den Ansichten lediglich die lastabtragenden Doppelstützen aus Brettschichtholz sichtbar bleiben, prägen die schlanken Betonplatten und Deckenträger im Abstand von 1,35 m die Untersichten der Geschossdecken und mit ihnen die Räume. Die schlichten Lochfassaden sind hingegen mit Platten aus Glasfaserbeton verkleidet. Diese sollen dank einer speziellen Zementoberschicht CO2 aus der Luft aufnehmen können und somit dekarbonisierend wirken.
Sowohl Solitär als auch Carré beruhen auf einem modularen Raster, wodurch sich die Grundrisse in Zukunft flexibel anpassen lassen. Auch ein etwaiger Rückbau wurde von Anfang an bedacht und somit zugunsten der Zirkularität auf tragende Innenwände verzichtet. Das innenarchitektonische Gestaltungskonzept der neuen Arbeitswelten für Vattenfall sowie Möblierung, Farb- und Grünplanung stammen von dem in Berlin ansässigen Büro de Winder Architekten.
Mit der hybriden Konstruktionsweise setzt man entsprechend des Cradle-to-Cradle-Prinzips überwiegend auf nachhaltige, recyclingfähige Materialien. Außerdem sinkt das Gewicht im Vergleich zu einem vergleichbaren Stahlbetonbau auf ein Drittel. Das vereinfacht Transport und Montage und resultiert in Kombination mit den vorgefertigten Modulen wiederum in einer kürzeren Bauzeit. Pro Quadratmeter Nutzfläche ergeben sich daraus laut Berechnungen der Tragwerksplaner von Buro Happold CO2-Einsparungen von bis zu 50 %.
[See image gallery at www.architektur-online.com]
Smarte Energie- und Klimatechnik
Insgesamt wurden bei dem Projekt rund 3.500 m³ PEFC-zertifiziertes, regionales Fichtenholz verwendet. Holz hat als natürliche Ressource nicht nur aus ökologischer Sicht einen positiven Effekt, sondern leistet auch einen wesentlichen Beitrag zum Raumklima. Aufgrund seiner Materialeigenschaften besitzt der Werkstoff bei einer hohen Wärmespeicherkapazität eine geringe Leitfähigkeit. Das bedeutet, dass die Büroflächen länger warm bleiben und somit der Energiebedarf sinkt. Auch sonst verfolgte man bei der energetischen Planung des EDGE Südkreuz Berlin-Ensembles ambitionierte Ziele. Ein nachhaltiges Energie- und Klimatechnik-Konzept soll für maximale Effizienz sorgen und gleichzeitig die Nutzer für das Thema sensibilisieren. Das Raumklima wird dabei ausschließlich mittels App gesteuert. So kann man z.B. CO2-Werte, Temperatur und Leuchtfeuchtigkeit bequem auf dem Smartphone abrufen. Selbst Beleuchtung und Temperierung der Offices und Meetingräume werden auf diesem Wege angepasst. Die Fenster schützen dank MicroShade-Sonnenschutzfolie vor Überhitzung und lassen sich bei Bedarf manuell öffnen. Heizung und Kühlung erfolgen durch abgehängte Smart Ceilings über die Belüftung. Im Atrium garantieren ergänzend zur Fußbodenkühlung, Luftauslässe und Kühlgeräte eine optimale Klimatisierung. Mit einem hauseigenen Blockheizkraftwerk produziert man sowohl Wärme als auch Strom und will sich damit bewusst vom – leider nicht gänzlich fossil-freien – Fernwärmenetz der Stadt unabhängig machen.
[See image gallery at www.architektur-online.com]
Platin-prämiertes Gebäudekonzept
Effiziente Haustechnik und nachhaltige Konstruktion brachten dem Gebäude von Tchoban Voss Architekten diverse Auszeichnungen ein: Von der DGNB holte sich das Projekt EDGE Südkreuz Berlin ein Platin-Zertifikat für seine nachhaltige Gesamtperformance. Mit 95,4 % erhielt es die deutschlandweit höchste, jemals erreichte Bewertung. Eine WELL v2-Zertifizierung in Platin würdigt zudem die Qualität der Arbeitsflächen hinsichtlich Gesundheit, Wohlbefinden und Produktivität und komplettiert die eindrucksvolle Bilanz des Büroensembles.
[See image gallery at www.architektur-online.com]
EDGE Südkreuz Berlin
Berlin
Bauherr: SXB S.à r.l. / EDGE
Planung: Tchoban Voss Architekten
Kooperation (Leistungsphase 5): granz + zecher architekten
Statik/TGA-Planung/Nachhaltigkeitsberatung: Buro Happold
Landschaftsplanung: hochC
Fassadenplanung: Arup
Innenarchitektur: de Winder Architekten
Grundstücksfläche: 10.100 m2
Bruttogrundfläche: 32.000 m2
Fertigstellung: Mai 2022
Text: Edina Obermoser
Fotos: HG Esch