Ästhetische Gesamtkomposition

Javier de las Heras Solé ergänzte im spanischen Amorebieta-Etxano das Kulturzentrum der Gemeinde um eine neue Musikschule. Als hoch aufragender Solitär dockt die Zubiaur Musika Eskola behutsam an den Bestand an und fügt sich so schlicht ins urbane Gefüge ein. Gleichzeitig wird sie mit ihren klaren Linien und einer mehrschichtigen Fassadenkonstruktion aus Glas und rostfarbenem Metall zum besonderen Hingucker.

Ästhetische Gesamtkomposition

Javier de las Heras Solé ergänzte im spanischen Amorebieta-Etxano das Kulturzentrum der Gemeinde um eine neue Musikschule. Als hoch aufragender Solitär dockt die Zubiaur Musika Eskola behutsam an den Bestand an und fügt sich so schlicht ins urbane Gefüge ein. Gleichzeitig wird sie mit ihren klaren Linien und einer mehrschichtigen Fassadenkonstruktion aus Glas und rostfarbenem Metall zum besonderen Hingucker.

 

 

Die baskische Ortschaft liegt etwa 20 km nordöstlich von Bilbao. Ihr soziales und gemeinschaftliches Leben wird maßgeblich von dem großen Kulturzentrum Zeleieta Zentroa geprägt, welches ein buntes, kulturelles Programm, verschiedene Sportangebote und Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung unter einem Dach vereint. Um zusätzlichen Platz für Musik zu schaffen, sollte am nördlichen Ende des Komplexes ein Anbau entstehen. Das Ergebnis ist ein langgezogener Riegel, der über fünf Stockwerke verteilt rund 1.000 m2 Nutzfläche bietet.

 

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Anstatt Kulturzentrum und Musikschule vollflächig zusammenzuschließen, entschieden sich der Architekt Javier de las Heras Solé und sein Team dafür, den neuen Baukörper parallel zum Bestand zu positionieren, ihn allerdings leicht abzusetzen. Sie orientierten sich an der orthogonalen Ausrichtung des Nachbarn und ließen zwischen den beiden Gebäuden einen Abstand, den sie bewusst nutzten und in Szene setzten. Auf diese Weise erhält der neue Bau vier eigenständige Ansichten. Zudem bleibt die charakteristische Nordfassade des bestehenden Zentrums sichtbar und soll laut den Planern die unterschiedlichen Zeitschichten repräsentieren. Ganz in dunklem Naturstein gekleidet, diente die Trennmauer bis zur Erweiterung als Frontón – eine Prellwand, gegen die beim baskischen Ballspiel Pelota gespielt wird. Lediglich zwei verglaste Erschließungstürme verbinden hier nun Alt und Neu direkt miteinander. Der übrige Zwischenraum soll als begrünter Hof für lichtdurchflutete Innenräume sorgen und gleichzeitig als Versickerungsfläche dienen.

 

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Formal setzt sich der Erweiterungsbau aus zwei Bestandteilen zusammen: einer Sockelzone und einem viergeschossigen Quader. Letzterer kragt weit über das Eingangsniveau aus. Dadurch entsteht ein überdachter Vorplatz, der Besucher geschützt nach drinnen leitet und das Gebäude mit dem Stadtraum in Interaktion treten lässt. Die Fassaden sind lastabtragend und mehrschichtig ausgeführt. Während sich die schmale, östliche Querseite der Musikschule komplett verglast zum angrenzenden Stadtpark Zelaieta Parkea öffnet, verstecken sich die übrigen Außenwände hinter einer leichten Struktur aus Cortenstahl. Die Metallpaneele legen sich wie ein orangebrauner Vorhang sowohl vor die Stahlbetonmauern als auch vor die raumhohen Fenster. Nur vereinzelt werden die Bleche der äußeren Hülle durch Glasflächen ergänzt und lassen ungehinderte Aus- und Einblicke zu. Die rechteckigen Streckmetallgitter rhythmisieren den Baukörper und verleihen ihm seine prägnante, rostfarbene Färbung. Mit ihrer feinen Struktur filtern die vorgehängten Gitter einfallende Sonnenstrahlen, ermöglichen den Nutzern der Musikschule die nötige Privatsphäre und mindern die Ablenkung im Inneren.

 

 

Die Cortenstahl-Elemente ziehen sich bis auf die Untersichten des Quaders und lassen das obere Volumen wie eine aufgesetzte Box wirken. Im Sockelbereich fasst das rostfarbene Material den Eingang ein und hebt ihn von den grauen Sichtbetonwänden ab. Beim Betreten gelangen Besucher direkt in die Lobby. Auf der gegenüberliegenden Seite befinden sich hier das in Glas gehüllte Treppenhaus und einer von zwei Durchgängen in das benachbarte Kulturzentrum. Das Erdgeschoss wird über einen langen Korridor erschlossen. Er verläuft über die gesamte Längsseite und ist mit verglasten Enden von außen einsehbar. Neben dem Empfang gibt es einen multifunktionalen Saal mit Blick in den grünen Patio sowie Sanitärbereiche und schließlich die rückwärtige Verbindung zum Bestand.

 

 

In den oberen Etagen sind die einzelnen Funktionen verschachtelt angeordnet. Mit unterschiedlichen Höhen greifen sie ineinander und ergeben ein raffiniertes Raumgefüge. Die geschickte Verzahnung bringt nicht nur reichlich Licht und Luft ins Innere, sondern nutzt außerdem den begrenzten Platz in dem schmalen Baukörper bestmöglich. Im ersten Geschoss ist neben einem zweistöckigen Konzertsaal mit 90 Sitzplätzen ein Probe- und Aufführungsraum untergebracht. Dieser erstreckt sich hinter der – dem Park zugewandten – östlichen Glasfassade bis unters Dach. Der Luftraum ist rundum in Holzpaneele gekleidet und endet in einem Oberlicht. Von oben erhellt, ergeben sich durch Fenster in den darüberliegenden Niveaus interessante Blickbezüge quer durch die verschiedenen Bereiche der Musikschule. Gemeinschaftsflächen und kleinere Unterrichtsräume im dritten und vierten Stock komplettieren das Programm. Die Materialpalette der Zubiaur Musika Eskola umfasst dunkelgraue Schieferböden, schlicht-weiße Wände und Decken sowie graue Betonoberflächen. Warme Holzverkleidungen und -einbauten vervollständigen den Innenausbau. Sie wurden von einer lokalen Tischlerei umgesetzt und fallen durch ihre hohe Ausführungsqualität und Liebe zum Detail auf.

 

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Neben der minimalistischen Ästhetik und akribischen Umsetzung legte Javier de las Heras Solé großen Wert auf Nachhaltigkeit. Bei der Isolierung der Musikschule fiel die Wahl deshalb mit Korkplatten auf ein effizientes und organisches Dämmmaterial. Dank maximaler natürlicher Belichtung von allen Seiten kann der Stromverbrauch im Gebäude reduziert werden. Auch sonst beruht die Planung des Erweiterungsbaus gänzlich auf erneuerbaren Energien. In einer Zisterne wird Regenwasser gesammelt, gespeichert und anschließend in den hauseigenen Brauchwasserkreislauf eingespeist. Zusätzlich setzt man auf Querlüftung und Geothermie. Neun Sonden temperieren die Innenräume mittels Erdwärme das ganze Jahr über und runden so das umweltfreundliche Konzept des Projekts stimmig ab.

 

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Auf subtile Art und Weise integriert sich die Zubiaur Musika Eskola in die spanische Gemeinde. Ohne den Bestand überlagern zu wollen, setzt sie ein modernes Statement und hebt sich mit ihrer raffinierten Gebäudehülle aus Cortenstahl und Glas doch selbstbewusst von ihrem Umfeld ab. Mit dem Wechsel aus transparenten und undurchlässigen Abschnitten bildet die Fassade spannende Kontraste und macht zugleich neugierig auf mehr. Eine gelungene Gesamtkomposition, die als neuer Anlaufpunkt in Amorebieta-Etxano einen ästhetischen und angenehmen Rahmen für Proben, musikalische Darbietungen und kulturelle Veranstaltungen schafft.

 

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Zubiaur Musika Eskola
Amorebieta-Etxano, Spanien

Bauherr: Amorebieta-Etxano Udala
Planung: Javier de las Heras Solé
Statik: Eskubi-Turró Arquitectes
Akustik: Eko Ingenieria Acústica
Energieeffizienz: Societat Orgànica

Nutzfläche: 1.010 m2
Planungsbeginn: 2015
Fertigstellung:April 2020

 

 

Text: Edina Obermoser
Fotos: Adrià Goula