Altehrwürdige Eleganz

Sigurd Larsen Design & Architecture haben das jahrhundertealte Dortmanngut im Ruhrpott mit ihrem Konzept eines übergroßen Raummöbels für eine Musikerfamilie zu neuem Leben erweckt. Alt und Neu bilden eine perfekte Harmonie Der Beitrag Altehrwürdige Eleganz erschien zuerst auf architektur-online.

Altehrwürdige Eleganz

Dortmannhof im Ruhrpott

 

Sigurd Larsen Design & Architecture haben den jahrhundertealte Dortmannhof im Ruhrpott mit ihrem Konzept eines übergroßen Raummöbels für eine Musikerfamilie zu neuem Leben erweckt. Alt und Neu bilden eine perfekte Harmonie, vorhandene Strukturen wurden erhalten und in das Hier und Jetzt übertragen. Dank der zurückhaltenden Herangehensweise der Architekten wurde das denkmalgeschützte Gebäude aber auch für nachkommende Genera­tionen fit gemacht.

Den Wert alter Strukturen und Bauwerke erkennt man an der Hingabe und Sorgfalt, mit der diese bis heute gepflegt und erhalten werden. Die Qualität dieser “Urahnen“ unserer heutigen Wohnformen liegt in deren Schlichtheit. Gebaut wurde nur, was wirklich notwendig und für den Alltag im Laufe der Jahreszeiten sinnvoll war. Räumliche Qualitäten, die maximale Ausnutzung der Sonneneinstrahlung oder eine natürliche Durchlüftung sind nur einige Merkmale, die damals schon bedacht waren, heute aber durch technisches Equipment wie Klimaanlagen oder Luftbefeuchter gewährleistet werden müssen. Der Dortmannhof in der Nähe der deutschen Großstadt Essen ist einer jener betagten Urahnen.

 

Dortmannhof im Ruhrpott

 

Auf 500 Jahre bewegte Geschichte kann der unter Denkmalschutz stehende Dortmannhof zurückblicken. Das ehemalige Behandigungsgut des Stiftes Essen umfasst ein Hofgebäude von 1791, das bis heute noch weitgehend im Originalgrundriss erhalten geblieben ist. Zwischenzeitlich wechselte das Gut den Besitzer, doch die Zeche Zollverein verpachtete den Bauernhof weiter, anstelle das Land mit den geplanten Arbeitersiedlungen zu bebauen. Zum Glück. So blieb dieses herausragende Exemplar eines niederdeutschen Hallenhauses in Fachwerkbauweise bis heute bestehen. Typisch für diese Bauform ist, dass Wohnbereiche und Stallungen unter einem Dach errichtet wurden, wobei von der Diele im Wohnteil eine zentral angeordnete Treppe in das Obergeschoss führt. Solche Hallenhäuser konnten dank ihrer kompakten Bauweise bis zu fünf Stockwerke hoch sein.

Heute wird der Dortmannhof zwar nicht mehr von Bauern bewohnt, dafür hat eine Musikerfamilie hier ihr neues Zuhause gefunden. Die vorgefundene  Bausubstanz bot für deren Ansprüche an ihr neues Zuhause perfekte Voraussetzungen: Der Wunsch der Bauherren war es, ein räumlich sehr hohes Musikstudio in ihr neues Heim zu integrieren. So windet sich dieses Studio nun in der Mitte der drei parallelen Scheunenräume elf Meter in die Höhe und endet erst knapp unter dem bestehenden Dach. Zusätzlich wurde in der östlichen Scheune ein Gästehaus mit separatem Eingang sowie in der westlichen Scheune ein großes zusätzliches Badezimmer errichtet. Das bildgewaltige Konzept stammt aus der Feder des in Berlin ansässigen Architektur- und Designbüros von Sigurd Larsen.

 

 

Die alten Tragstrukturen, die äußere Erscheinung, die Holzläden, das Dach mit seinen Balken sowie die Bodenbeläge wurden dabei fast vollständig erhalten. Von außen erscheint das Gehöft wie vor 200 Jahren, als hätten Zeit, Wind und Wetter dem stolzen Bauwerk nichts anhaben können. Im Inneren offenbart sich ein überraschend heller, luftiger und wohnlicher Raum. Das strahlend reine Weiß der Einbauten kontrastiert perfekt mit den umliegenden rauen Naturoberflächen verschiedenster Steine und Hölzer. Auch innerhalb der Raumelemente durchstoßen alte Holzbalken deren Außenwände, die Hände der Bewohner berühren die jahrhundertealten Steinmauern, die weiß getüncht wurden und anstelle von Bildern schmücken alte Holzläden die Wände. So verbindet sich Neu und Alt zu einem harmonischen Ganzen, ohne dabei dem jeweils Einzelnen die Individualität zu rauben. Alle Einbauten sind als übergroße, bewohnbare Möbel konzipiert, die sich bei Bedarf wieder entfernen lassen, ohne dass in den Bestand eingegriffen werden muss. Auf diese Weise konnten Architekt und Bauherr den Anforderungen des Denkmalschutzgesetzes gerecht werden, das es ermöglicht, historische Gebäude für die moderne Nutzung zu adaptieren.

 

 

Schmal und zart entwickeln sich die neuen Raum­elemente in die Höhe, ganz so, als würden sie es den umliegenden Pflanzen gleichtun wollen. Durch großzügige, nach Norden ausgerichtete Fenster fällt viel Tageslicht ins Innere. Die davor liegenden Lochwände waren ursprünglich zur Belüftung des Heus gedacht, heute ergibt sich durch den indirekten Lichteinfall ein sich ständig wechselndes Spiel aus Licht und Schatten. Vorhänge aus weißem Textil zonieren die Flächen zusätzlich, bieten Rückzugsmöglichkeiten und verleihen den Räumen Behaglichkeit. Wenige, dafür kräftige Akzentfarben sorgen für Stimmung. Bestehende Holzelemente wie Treppen, Türen oder Fensterläden sind, soweit nicht naturbelassen, in erdige Grün- und Blautöne getaucht, die an vergangene Zeiten erinnern. Designelemente wie Leuchten oder Stühle setzen farblich dazu kontrastierende Akzentpunkte. Auch bei der Gestaltung des Badezimmers spielten die Planer rund um Sigurd Larsen mit der Kombination von Alt und Neu: Während die Waschbecken ganz in weiß gekalkt an eine Viehtränke erinnern, setzt die Dusche mit ihrem rosa Anstrich und dem Boden in Terrazzo-Optik ein klares Statement der aktuellen Trends.

 

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Das historische Gebäude umfasst gleich mehrere Eingänge und interne Verbindungswege. Diese ermöglichten es den früheren Bewohnern, verschiedenen landwirtschaftlichen Aktivitäten gleichzeitig nachzugehen. Für die Zukunft bauen heißt aus der Vergangenheit lernen und praktische wie erprobte Merkmale der bestehenden Architektur und Strukturen  in die neue Zeit zu übersetzen. So wurden diese Anknüpfungspunkte beibehalten, sodass Familienleben, kreatives Schaffen und tägliche Arbeit auf dem Dortmannhof auch heute in einem ähnlichen Geist nebeneinander existieren können.

So stellt das alte Westdeutsche Gut heute einen äußerst modernen und nachhaltigen Ansatz für unser zukünftiges Wohnen dar. Alte, funktionierende Strukturen konnten konserviert und ein architektonisches Erbe für die Nachwelt erhalten werden, ohne dass dieses zum Museum verkommen muss. Wie vor mehr als 200 Jahren auch, füllen die Bewohner das Bauwerk mit – und erhalten es somit auch am Leben. Durch das Konzept des Einbaus von bewohnbaren Möbeln bleibt das Gebäude aber auch für nachfolgende Nutzer nach deren Bedürfnissen individuell nutzbar – denn die Anforderungen an unsere Wohnwelten werden sich wohl wie in den vergangenen 200 Jahren auch in den kommenden Jahrhunderten wandeln. Solche und ähnliche Konzepte bieten gerade für unsere ländlichen Strukturen und gewachsenen Gehöfte interessante Möglichkeiten und Chancen, die wir noch viel öfter nutzen sollten.

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Dortmannhof
Essen, Deutschland

Bauherr: Privat
Planung: Sigurd Larsen Design & Architecture
Statik: Scheuten Bautechnik

Grundstücksfläche: 800 m2 (plus 260 m2 Bestand)
Bebaute Fläche: 260 m2
Nutzfläche: 80 m2 Neubau + plus 270 m2 Bestand
Planungsbeginn: 08/2016
Bauzeit: 3,5 Jahre
Fertigstellung: 02/2020

 

 

Text: Linda Pezzei
Fotos: Christian Flatscher

 

 

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