Bauteil- und Restebörsen: Wiederverwenden, statt verschwenden
Die aktuelle Materialknappheit am Bau, aber auch ein Umdenken im Konsumverhalten geben der Wiederverwendung von Materialresten, gebrauchten oder historischen Bauteilen einen neuen Schub. Zahlreiche Bauteil- und Restebörsen bieten sie an. Wer bietet was?
Die aktuelle Materialknappheit am Bau, aber auch ein Umdenken im Konsumverhalten geben der Wiederverwendung von Materialresten, gebrauchten oder historischen Bauteilen einen neuen Schub. Zahlreiche Bauteil- und Restebörsen bieten sie an. Wer bietet was?
Die direkte Wiederverwendung gebrauchter Bauteile über Online-Börsen ist ein Gewinn für alle – für Planer, Handwerker, Bauherren und die Umwelt. © Bauteilkarussell / Teamwork
Der Bausektor ist der mit Abstand ressourcen- und abfallintensivste Wirtschaftsbereich. Bau- und Abbruchabfälle machen den Großteil am gesamten Brutto-Abfallaufkommen aus. Manches wird verwertet, vieles aber auch deponiert oder verbrannt. Wertvolle Rohstoffe werden damit dem Materialkreislauf entzogen. Neben dem Recycling, also der stofflichen Wiederverwertung, hat die direkte Wiederverwendung alter oder übrig gebliebener Bauteile deshalb eine wichtige gesellschaftliche, ökologische und sogar kulturelle Bedeutung.
Bauteil- und Restebörsen wirken der Materialverschwendung entgegen, schonen Ressourcen und bewahren wertvolles Kulturgut. © Florian Langenbeck, Historische Türen & Baustoffe
Welche Vorteile bietet die Wiederverwendung?
Die Herstellung und Entsorgung von Baustoffen und Bauteilen ist mit vielen negativen Folgen für Umwelt und Ressourcen verbunden. Die direkte Wieder- und Weiterverwendung von Bauprodukten spart dagegen wertvolle Rohstoffe und Energie und weist gegenüber dem Recycling eine deutlich bessere Ökobilanz auf. Viele alte Baustoffe können aufgrund ihrer Qualität sogar mehrfach verwendet werden, wenn beim Abriss behutsam vorgegangen wird. Alte Holzbalken, Fußbodendielen, Treppen und Treppenstufen, Geländer, Fenster, Türen oder Beschläge sind in der Regel handgefertigt, qualitativ oft sehr hochwertig und langlebig. Mit ihrer Patina und ihren Gebrauchsspuren verfügen sie zudem über eine Ausstrahlung, über die neue Produkte kaum verfügen. In Kombination mit „modernen“ Materialien entfalten gebrauchte oder historische Bauteile zudem einen besonderen gestalterischen Reiz. Alte oder historische Baustoffe sind auch wertvoll. Alte Dielenböden etwa sind erst ab 100 Euro pro Quadratmeter zu haben und für gut erhaltene alte Eichenbalken lassen sich 1.000 Euro und mehr pro Kubikmeter erzielen. Aus einem fachgerechten Gebäuderückbau können so mehrere tausend Euro erlöst und Entsorgungskosten eingespart werden. Wertvoll sind historische Baustoffe auch in kultureller Hinsicht, denn mit jedem wiederverwendeten Bauteil wird auch ein Stück traditioneller Handwerkskunst bewahrt und für nachfolgende Generationen erhalten.
Je besser das Materiallager sortiert ist, desto schneller wird man fündig. © Historische Bauelemente
Wie funktionieren Bauteil- und Restebörsen?
Neben dem Handel mit gebrauchten und historischen Baustoffen organisieren Bauteilbörsen teilweise auch den Ausbau, den Transport, die Aufarbeitung und die Beratung zum Wiedereinbau oder zur Weiterverwendung. Die Bauteile werden vom Anbieter aus verschiedenen Quellen bezogen, teilweise auch selbst ausgebaut, fotografiert und beschrieben, eingelagert und in die Online-Bauteilbörse eingestellt. Damit sich Besucher im teilweise beachtlichen Angebot zurechtfinden, sind die Bauteile zunächst nach Kategorien wie Türen/Tore, Fenster, Treppen, Böden, Dach, Sanitär, Elektro etc. sortiert. In einer Übersicht werden die Bauteile mit Foto und Kurztext, in der Detailansicht zusätzlich mit den Abmessungen, Eigenschaften, dem Baujahr, den verfügbaren Mengen, dem Zustand und weiteren Detailangaben sowie dem Anbieter/Standort und dem Preis beschrieben. Über die Detailsuche können Besucher Objekte mit bestimmten Eigenschaften schneller finden, indem sie die gewünschten Abmessungen, den Preis, das Material, das Herstellungsjahr und weitere Details eingeben und die Datenbank durchsuchen. Die Preise der Produkte setzen sich aus dem Materialwert sowie den Ausbau- und Lagerkosten zusammen. Hat man Interesse an einem konkreten Objekt, kann man den Anbieter per Kontaktformular, E-Mail oder Chatfunktion kontaktieren. Ein Direktverkauf per Online-Shop ist in der Regel nicht üblich, da die meisten Interessenten die Ware zunächst begutachten wollen. Neben einer Selbstabholung ist auch eine Lieferung mit einer ein- bis zwei wöchigen Lieferzeit möglich. Die Lieferkosten sind objekt- und lieferortabhängig. Materialreste werden von Holzverarbeitern oder anderen Gewerken entweder auf der eigenen Homepage oder in einschlägigen Restebörsen angeboten. Während die Materialsuche kostenfrei ist, verlangen Restebörsen für das Anbieten von Objekten in der Regel Gebühren. Die Verkaufsabwicklung erfolgt dagegen ohne Provision direkt über die Anbieter/Käufer.
Einige Börsen wie Restado handeln sowohl mit gebrauchten Bauteilen als auch mit Materialresten. © Concular
Welche Bauteil- und Restebörsen gibt es?
Das Internet ist häufig ein lohnender Ausgangspunkt für die Bauteilsuche: Neben allgemeinen Verkaufsplattformen wie Ebay oder Hood ermöglichen auf gebrauchte oder historische Bauteile spezialisierte Portale wie zum Beispiel das Baukarussell, das Bauteilnetz, Materialnomaden, Restado oder Salza eine bauteilspezifische Suche. Zielgruppen sind Bauherren, Planer, Händler, Handwerker oder Denkmalpfleger. Im Folgenden werden interessante Adressen aus D-A-CH beispielhaft vorgestellt:
Das BauKarussell setzt sich für den verwertungsorientierten Rückbau durch Social Urban Mining ein. Mit einem Online-Bauteilkatalog ermöglicht es die Wiederverwendung und Verwertung von Bauteilen. Neben dem Bauteilkatalog unterstützt das BauKarussell auch die Rückbauplanung und durchführung sowie die fachgerechte Entnahme von Rohstoffen und Abfallprodukten (www.baukarussell.at). Der Bauteilladen ist ein Online-Marktplatz für hochwertige Secondhand-Bauteile wie Böden und Wandbeläge, Elektro und Leuchten, Fenster, Türen und Tore, Sanitär, Heizung, Treppen, Decken und Dächer etc. Die ausgewählten Bauteile können online erworben und auch geliefert werden (www.bauteilladen.ch). Das Bauteilnetz Deutschland ist ein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördertes Portal, das den bewussteren Umgang mit gebrauchten Bauteilen fördert, informiert und auch neue Bauteilbörsen im Aufbau unterstützt. Das Portal enthält neben zahlreichen Informationen und Links auch einen gut gefüllten und sortierten Bauteilkatalog, indem auch Angebote regionaler Bauteilbörsen enthalten sind (www.bauteilnetz.de).
Eine Fundgrube für historische Türen- und Fensterbeschläge ist z.B. historische-kleinteile.de. © Florian Langenbeck, Historische Türen & Baustoffe
Auch der Unternehmerverband Historische Baustoffe (UHB) hat sich der Förderung der Wiederverwendung historischer Baustoffe verschrieben und bietet auf seiner Webseite neben zahlreichen Informationen eine nach Postleitzahlen strukturierte Mitgliederliste mit einer Kurzvorstellung und einem Link auf die jeweiligen Bauteilbörsen sowie eine Biete/Suche-Rubrik (www.historische-baustoffe.de). Das Portal Materialnomaden offeriert Beratung beim Bau mit gebrauchten Bauteilen sowie die Bauteil- und Restebörse Re:store. Diese bietet neben recycelten Bauteilen auch Produkte aus recycelten Rohstoffen an. In den Kategorien Redesign, Refurbished und Reuse werden recycelte und wiederaufbereitete Produkte oder Second-hand Bauteile im Originalzustand angeboten (www.materialnomaden.at, www.restore.or.at). „Wiederverwenden statt verschwenden“ ist das Motto von Restado. (Siehe auch das Interview mit Dominik Campanella Co-Founder und CEO in Ausgabe 5/2023.) Der Online-Marktplatz für alte, historische, aber auch übriggebliebene Baustoffe und Bauteile umfasst eine große Auswahl an Altholzbrettern und balken, Türen und Fenstern, Beschlägen, Bodenbelägen oder Treppen (www.restado.de). Salza ist eine Bauteildatenbank, die auch Beratung von größeren Rückbauten mit wiederverwendbaren Bauteilen anbietet. Besonderes Augenmerk legt Salza auf die direkte Rückführung der Baustoffe in den Baukreislauf. Bauteilkategorien, Filterfunktionen und eine Umkreissuche ermöglichen eine einfache Suche in der Bauteildatenbank (www.salza.ch).
Wie gut Altes mit modernem Design harmoniert, zeigt dieses Beispiel einer Stahlwangentreppe. © Jürgen Zmelty, Schreinerei Dinkholder Mühle
Was sind die Hürden?
Obwohl die Sinnhaftigkeit einer energie- und ressourcenschonenden Wiederverwendung gebrauchter oder übrig gebliebener Materialien und Bauteile unbestritten ist, wird sie viel zu selten umgesetzt. Das hat mehrere Gründe: So fehlt für eine zerstörungsfreie Bauteilentnahme und gegebenenfalls Aufarbeitung häufig qualifiziertes Personal, Know-how oder die Zeit. Sie ist zudem kostenintensiv, ebenso wie die Lagerung von Materialresten oder alten Bauteilen. Auch der Transport insbesondere schwerer und sperriger Bauteile vom Abbruchort zum Lager und vom Lager zum Kunden ist teuer. Deshalb kosten gebrauchte Bauteile manchmal etwas mehr als Neue. Es fehlt zudem an flächendeckenden Vermarktungsstrukturen, auch weil es in vielen Regionen kaum Absatzmöglichkeiten gibt. Informationsdefizite sind ein weiteres Problem – viele Planer, Bauherren und Kunden kennen die Möglichkeiten und entsprechende Adressen einfach nicht. Auch organisatorische und rechtliche Hürden sind ein Hemmschuh: So werden bei Ausschreibungen gebrauchte Bauteile, ebenso wie recycelte Baustoffe, so gut wie nie berücksichtigt. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zum Kauf und Wiedereinbau gebrauchter Materialien, zu Haftungs- und Gewährleistungsfragen sind nicht ausreichend geregelt. Hier muss sich angesichts der Materialknappheit auf Baustellen, Nachhaltigkeits- und Klimaschutzaspekten dringend etwas ändern. Es fehlt auch an wirtschaftlichen Anreizen sowie an neuen Strategien für den Umgang mit gebrauchtem Material. Akzeptanz- und Imageprobleme gegenüber Gebrauchtem spielen inzwischen eine untergeordnete Rolle. Gebrauchtes gilt zunehmend als schick, Secondhand, Vintage und Retro sind „in“ und sprechen insbesondere ein junges Kundenklientel an.
Altholz hat einen unvergleichlichen Charme: Brillenladen-Einrichtung mit unbehandelter alter Eiche.© Thomas Knapp Historische Baustoffe
Bauteil- und Restebörsen sind ein Gewinn für alle
Bauteil- und Restebörsen sind ökonomisch und ökologisch sinnvoll, funktionieren aber nur dann, wenn sie auch genutzt werden. Denn der Aufwand für den Aufbau und Betrieb von Bauteil- und Restebörsen ist hoch. Bleiben die Anbieter auf den eingelagerten Teilen sitzen, gehen wertvolle Ressourcen und Kulturgüter letztlich doch verloren. Handwerker sollten ihre Kunden deshalb auf die gestalterischen Möglichkeiten auch im Kontext moderner Architektur und auf die ökologischen Vorteile hinweisen. Einbaubeispiele zeigen eindrucksvoll, welchen Charme wiederverwendete historische Bauteile entwickeln können (siehe z.B.: www.historische-tueren.de oder (www.knapp-online.de). Eine Zusammenarbeit mit Bauteilbörsen kann sich lohnen, denn in der Aufbereitung, gegebenenfalls Modernisierung und dem Einbau historischer Bauteile steckt viel Wertschöpfungs-Potenzial. Auch Restebörsen sollten konsequenter genutzt werden. Schließlich sind Materialreste kein Abfall, sondern ein wertvoller Rohstoff, den man kreativ verwerten kann (siehe z.B.: www.restemoebel.net). Bauteil- und Restebörsen sind ein Gewinn für alle – für Planer, Handwerker, Bauherren und die Umwelt!
Ästhetisch, nachhaltig und widerstandsfähig: auch für Fassadenverkleidungen eignet sich Altholz bestens. © Thomas Knapp Historische Baustoffe
Literaturtipps
Abegg A., Streiff, O. (Hrsg.): Die Wiederverwendung von Bauteilen. Ein Überblick aus rechtlicher Perspektive, Dike Verlag, Zürich 2021
Institut Konstruktives Entwerfen u.a. (Hrsg.): Bauteile wiederverwenden. Ein Kompendium zum zirkulären Bauen, Park Books, Zürich 2021
Kessler A., Kneidinger, P.: Bauteilbörsen und Materialdatenbanken. Eine Bestandsaufnahme, aus: Zuschnitt 88 Reuse und Recycling 3/2023, Proholz Austria, Wien,
Download: www.proholz.at/zuschnitt/88/bauteilboersen-und-materialdatenbanken
Umweltbundesamt (Hrsg.): Instrumente zur Wiederverwendung von Bauteilen und hochwertigen Verwertung von Baustoffen, Eigenverlag, Berlin, 2015,
Download: www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/texte_93_2015_wiederverwertung_von_bauteilen_0.pdf
Text: Marian Behaneck