Den Menschen Raum geben
Interview: Unter dem Motto "den Menschen Raum geben" streben Jakob Dunkl, Gerd Erhartt, Peter Sapp und ihr Team unter dem Namen querkraft seit 1998 von Wien aus nach Großzügigkeit in der räumlichen Gestaltung sowie nach Freiheit zur Entfaltung für die Nutzer:innen. Zu ihrem Repertoire zählen unter anderem Büro- und Museumsbauten oder Projekte im öffentlichen Raum.
Unter dem Motto „den Menschen Raum geben“ streben Jakob Dunkl, Gerd Erhartt, Peter Sapp und ihr Team unter dem Namen querkraft seit 1998 von Wien aus nach Großzügigkeit in der räumlichen Gestaltung sowie nach Freiheit zur Entfaltung für die Nutzer:innen. Zu ihrem Repertoire zählen unter anderem Büro- und Museumsbauten oder Projekte im öffentlichen Raum.
Freundschaft, Respekt und Freude an der Arbeit sind das Credo für Jakob Dunkl, Gerd Erhartt und Peter Sapp aka querkraft. Seit 1998 ersinnt das Team mit Sitz in Wien immer wieder wegweisende und überraschende Lösungen, die „den Menschen Raum geben“ sollen. Im Mittelpunkt dieser Philosophie des poetischen Pragmatismus stehen dabei stets die Nutzer:innen. Diverse Nachhaltigkeitspreise – unter anderem für den ersten autofreien IKEA in Wien und den Österreich-Pavillon der Weltausstellung in Dubai – honorieren den umfassenden Architekturansatz der Architekten.
Der gute Nachbar – IKEA geht mit dem urbanen, autofreien Einrichtungshaus mit Hostel und öffentlicher Dachterrasse neue Wege. © querkraft – heausler
Wenn Sie sich heute an Ihr erstes gemeinsames Projekt erinnern – welche Assoziationen löst das bei Ihnen aus?
Ein wirklich besonderes Erstprojekt war – neben ein paar Umbauten und ersten Einfamilienhäusern – der gewonnene Wettbewerb für eine temporäre Gestaltung der Außenfassade der historischen Hofstallungen während der Umbauphase zum MQ. Wir haben quer gedacht, die Aufgabe anders interpretiert und den riesigen Vorbereich mit orangen Netzplanen bespannt. Wir bekamen ein Budget für die Gestaltung, welches aber nur für den Aufbau reichte. Es war kein Geld mehr vorhanden, um die langen Planen wieder abbauen zu lassen. Orange Overalls konnten wir uns noch leisten und wir bauten somit in dieser optisch gut dazu passenden Montur die gesamte Installation selbst ab. Dazu gab es eine Party mit Fackeln, die wir auf die Hunderten Holzpfosten montierten, die nach Entfernung der Planen noch im Vorplatz steckten. Die Aktion hieß „NICHT LANGE FACKELN“ und war ein ziemlicher Spaß für alle Beteiligten und Freund:innen der frisch gegründeten querkraft.
MUSEUM LIAUNIG – Das Architekturerlebnis des Museums gründet in der Konzentration auf das Wesentliche und die konsequente Reduktion, die der Kunst ihren Raum lässt.
© querkraft – Lisa Rastl
Hat sich Ihr Verständnis von Architektur im Laufe der Jahre gewandelt und wenn ja inwiefern?
Wir hatten von Beginn an das Ziel, Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. In der Zusammenarbeit und beim Ergebnis, der Architektur. Das Ziel haben wir nie in Frage gestellt, sondern eher gestärkt. Was nun hinzukommt ist das viel intensivere Nachdenken über Nachhaltigkeit in all ihren Aspekten. Das kann bis zum Ablehnen von Aufträgen führen.
War in der Architektur früher alles besser?
Architektur ist ein Spiegel der Gesellschaft. Wer glaubt, früher war alles besser, der täuscht sich gewaltig. So arbeiteten unsere Eltern als Architektinnen und Architekten beispielsweise am Samstag. Das machen wir nicht. Wir selbst kratzten noch kurz nach dem Studium mit der Rasierklinge auf Transparentpapierplänen unsere Fehler aus. Das war reinstes Mittelalter. Heute gibt es coole Entwicklungen in der Architektur. Dafür gab es früher andere Dinge, die toll waren. Alles ist im Fluss.
WOHNHOCHHÄUSER ZAC CLICHY BATIGNOLLES – Wohnhochhaus, Arbeiterwohnheim und Kinderbetreuungseinrichtung bilden ein identitätsstiftendes Ensemble, im nach ökologisch effizienten Kriterien geplanten Stadtentwicklungsgebiet Clichy-Batignolles, auf dem Areal eines ehemaligen Güterbahnhofs.
© querkraft – Schnepp Renou
Im Mittelpunkt Ihrer Architektur steht immer der Mensch – wie beeinflusst das Ihren Schaffensprozess?
Wir beginnen bei uns selbst. Wir akzeptieren im Büro nur die Hierarchie der Argumente. Bei uns hat nicht automatisch der Chef oder die Projektleitung recht. So freuen wir uns mehr über eine gute Idee einer Praktikantin oder eines Praktikanten, als wenn wir sie selbst haben. Weil wir dann spüren, dass die Menschen gerne bei uns arbeiten. Zweitens nehmen wir unsere Auftraggeber und Auftraggeberinnen ernst. Nie sagen wir, dass etwas keine gute Idee ist, das von dieser Seite kommt. Und selbst wenn wir es denken, dann überprüfen wir den Vorschlag dennoch und sind oft über unsere anfängliche Abneigung überrascht, weil manchmal ein Stein ins Rollen kommt, der das Projekt nochmals verbessert. Und ganz wichtig: Am Ende fragen wir die Nutzer, wie es ihnen geht. Wir sind ernsthaft am Feedback interessiert.
HOLZWOHNBAU ASPERN – Die Qualität des in Zusammenarbeit mit Berger+Parkkinen entstandenen Sozialen Wohnbaus in der Seestadt Aspern, basiert auf abwechslungsreichen Erschließungswegen und dem konsequenten Einsatz des Baustoffes Holz.
© querkraft – Hertha Hurnaus
Sie legen großen Wert darauf, Strukturen langlebig, flexibel und adaptierter zu gestalten – welche Herausforderungen bringt das mit sich?
Man muss sich mehr anstrengen, die unterschiedlichen zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten in der Konstruktion zu berücksichtigen. Das ist ein intellektueller Aufwand. Am einfachsten klappt dies, wenn man sich vorstellt, was man in einigen Jahrzehnten stehen lässt, wenn sich die Nutzung total verändert. Ein klar konzipierter Rohbau ist die Folge.
Die größte Herausforderung beim Bauen in der heutigen Zeit und Zukunft?
Nachhaltigkeit. Unser Planet. Wir haben alle viel zu lange nachlässig agiert, dass muss sich sofort ändern.
EXPO 2020 – Ein Netzwerk aus 38 miteinander verschnittenen Kegeln markiert den österreichischen Pavillon auf der EXPO in Dubai und schafft eine Hülle, deren Kern sich mit der Frage nach dem achtsamen und respektvollen Umgang mit unseren irdischen Ressourcen befasst.
© EXPO-2020 – Dany Eid
Ein Projekt, das Sie schon lange begleitet oder das Sie nachhaltig beeindruckt hat und an das Sie häufig zurückdenken?
Unser Museum Liaunig in Kärnten. Die erste Bauphase liegt lang zurück – das war 2008. Dann folgten zwei Erweiterungsstufen und unsere Architektur wurde unter Denkmalschutz gestellt. Wir werden jedes Mal zur alljährlichen Saisoneröffnung eingeladen, von der Familie Liaunig hoch gelobt und bekommen von den dort ausgestellten Künstler:innen sowie von Besucher:innen sehr viel Lob. Was wollen wir mehr?
Ein Projekt, das Sie unbedingt noch verwirklichen möchten?
Etwas Sinnstiftendes, das für Mensch und Umwelt positive Effekte hat. Und groß darf es auch sein, denn wir lieben Herausforderungen.
KIVIK ART CENTRE KUNSTINSTALLATION – Ein begehbarer, skulpturaler Regenbogen für ein Kunstzentrum im schwedischen Kivik, das sich an der Schnittstelle zwischen Skulptur, Architektur und Natur bewegt.
© querkraft – Lisa Rastl
Interview: Linda Pezzei