Ein Dorf für Kinder

Finden statt erfinden – Bernardo Bader und sein Team versuchen stets offen und unvoreingenommen an neue Aufgaben heranzugehen. Im Mittelpunkt stehen bei allen Überlegungen zuerst der Ort und die späteren Nutzergruppen: „Wir greifen auf, was schon da ist, und fügen dem etwas möglichst Stimmiges hinzu.“ Dieses Konzept gilt auch für das Kinderhaus im Park in Egg, einer Bregenzerwälder Marktgemeinde mit nicht einmal 4.000 Einwohner:innen.

Ein Dorf für Kinder

„Ihre Unübersetzbarkeit ist ein wichtiger Schlüssel in meinem persönlichen Verständnis von Architektur. Ich misstraue mehr und mehr den Worten, dem, was nur mit freundlicher Beharrlichkeit erdacht wurde. Es ist Teil meiner Rezeptions- und Gestaltungsstrategie, das Vertraute, die Erinnerungen und den eigenen Körper in die Wahrnehmung einzubringen“, sagt Bernardo Bader. Was er damit meint: Architektur soll die Nutzer:innen berühren und sinnlich ansprechen. Zuallererst die Kinder.

 

 

Finden statt erfinden – Bernardo Bader und sein Team versuchen stets offen und unvoreingenommen an neue Aufgaben heranzugehen. Im Mittelpunkt stehen bei allen Überlegungen zuerst der Ort und die späteren Nutzergruppen: „Wir greifen auf, was schon da ist, und fügen dem etwas möglichst Stimmiges hinzu.“ Dieses Konzept gilt auch für das Kinderhaus im Park in Egg, einer Bregenzerwälder Marktgemeinde mit nicht einmal 4.000 Einwohner:innen.

 

 

Wohl behütet

Sechs Dachspitzen markieren – nahtlos aneinandergereiht – scheinbar mitten auf der grünen Wiese einen wichtigen Teil des Dorfkerns der größten Gemeinde des Bregenzerwaldes. Umgeben von hügeligen Wiesen und alten Baumbeständen und doch mitten im Zentrum gelegen ist das neue Kinderhaus als Antwort auf den umgebenden Dorfraum zu verstehen – und als Verdichtung der örtlichen Typologie zum Kindergarten. Das einladend gestaltete Gebäude umfasst vier Gruppen – jede unter einem Satteldach –, Gemeinschafts- und Bewegungszonen, Servicebereiche und ein Stockwerk tiefer eine Parkgarage.

 

 

Auch wer achtlos an dem Baukörper vorbeifährt oder -spaziert, dem sticht der markante Bau sofort ins Auge. Dennoch fügt sich das langgezogene Volumen auf eine gewisse Weise zurückhaltend in die Umgebung ein. Es will und soll gefunden werden, aufdrängen tut sich das Kinderhaus dabei aber nicht. Dadurch, dass die Architekten das Objekt bewusst von der Landesstraße abgerückt haben, ist ein großzügiger Vorplatz entstanden – ein Drehkreuz sozusagen für das Ankommen und Abholen der Kinder. Zum Außenraumkonzept gehört auch ein Bach, der sich nordseitig am Kindergarten entlang schlängelt. Der umgebende Grünraum bietet zusätzlich attraktive Spiel- und Platzflächen und setzt das Gebäude in einen zentrumsnahen Naturraum. Neben dem Bach erschließt eine Zufahrtsstraße die dahinter liegenden landwirtschaftlichen Grundstücke sowie die Parkgarage im Untergeschoss.

 

 

Naturnah gebaut

Bereits versiert, was das Bauen für Kinder anbelangt, soll der von bernardo bader architekten pavillonartig konzipierte Kindergarten den Kindern eine leicht zu überblickende Welt samt intensivem Bezug zum Außenraum und zur Natur eröffnen. Der an der kurzen Seite positionierte Eingang führt in den öffentlichen Bereich des Kinderhauses mit Küche, Essplatz und Bewegungsraum. Dieser Bereich wurde so flexibel konzipiert, dass die gesamte Fläche je nach Bedarf als eine Art kleine Mehrzweckhalle, als Familienzentrum oder für kulturelle Veranstaltungen genutzt werden kann.

 

 

Im Sinne der Typologie einer gewachsenen Dorfstruktur reihen sich daran anschließend entlang der „Dorfstraße“ auf beiden Seiten die Räume für die Kinder lose aneinander. So wie sich unter Nachbarn an verschiedenen Stellen Kontaktpunkte oder Sichtbezüge ergeben, so stehen auch die Gruppenräume in einem offenen und zugleich spannungsvollen Bezug zueinander. Der „Marktplatz“ in der Gebäudemitte dient als zentraler Treffpunkt und ist Dreh- und Angelpunkt des Kindergartenlebens.

 

 

So viel Holz wie möglich

Decke, Böden, Wände, Fassaden, Einbaumöbel, Sportgeräte – Bernardo Bader setzte auch bei diesem Projekt auf das bregenzerwäldertypische Baumaterial Holz in all seinen Facetten von Täfer in Weißtanne bis zur Fassade aus Lärche und Holzdielen in Kombination mit Lehm-Kasein: „Wir versuchen, Gebäude gesamtheitlich zu sehen, gute Materialien angemessen einzusetzen und dadurch dauerhafte Architektur zu entwickeln.“ Abseits von aktuellen Trends oder bestimmten gesellschaftsfähigen Tendenzen ist es dem Architekten mit Sitz in Bregenz ein Anliegen, Konzepte zu entwickeln, die Bestand haben und Modeerscheinungen im Sinne der Nutzerfreundlichkeit überdauern.

 

 

Aus konstruktiver Sicht wurde das Kinderhaus bei vollständigem Verzicht auf industrielle Holzprodukte durchgehend als eingeschossiger Holzelementbau in Vollholz ausgeführt. Vorgefertigte Außenwand- und Dachelemente ermöglichten in diesem Zuge eine entsprechend kurze Bauzeit von weniger als 16 Monaten. Allein die Kernzone besteht aus Beton, das Dach ist kupfergedeckt. Allseitig belichtet und dank Raumhöhen von bis zu sechs Metern wirken sowohl Gruppen- und Gemeinschaftsbereiche mehr als Atelier denn als ein gewöhnlicher Kindergarten. Die Kombination aus dem gewachsten Kaseinboden, großzügigen Glasfronten und weich anmutenden Holzoberflächen verstärkt diesen wertigen Eindruck. „Das Dorf nach Maß für kleine Menschen soll diese zum selbstständigen Werken und Begreifen animieren“, sagt Bernardo Bader, der unlängst für seine Verdienste um die Stärkung regionaler Architekturlandschaften mit dem Nodi del CITRAC ausgezeichnet wurde.

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Kinderhaus im Park
Egg, Vorarlberg

Bauherr: Marktgemeinde Egg
Planung: bernardo bader architekten
Tragwerksplanung: merz kley partner
Zimmermann: Fetz Holzbau

BGF: 2.000 m2
Bauzeit: Mai 2021 – August 2022
Fertigstellung: August 2022

www.bernardobader.com

 

 

Text: Linda Pezzei
Fotos: Adolf Bereuter