Eine neue Stadt
Begriffe wie „urban farming“ oder „vertical farming“ weisen schon auf eine Verbindung von Landwirtschaft, Nahrungsmittelproduktion mit Architektur und Stadt hin. Superstädte, Superstrukturen sind weltweit im wachsen, warum also nicht auch eine Superfarm? Der urbane Raum ändert sich momentan stark und wird es in der nahen Zukunft auch weiter tun. Der Beitrag Eine neue Stadt erschien zuerst auf architektur-online.
Begriffe wie „urban farming“ oder „vertical farming“ weisen schon auf eine Verbindung von Landwirtschaft, Nahrungsmittelproduktion mit Architektur und Stadt hin. Superstädte, Superstrukturen sind weltweit im wachsen, warum also nicht auch eine Superfarm? Der urbane Raum ändert sich momentan stark und wird es in der nahen Zukunft auch weiter tun.
Laut den meisten wissenschaftlichen und demografischen Prognosen werden um 2050 ca. 9,7 Milliarden Menschen die Erde bevölkern, wovon rund 80% in urbanen Gebieten leben sollen, in Ballungsräumen, in sogenannten Megacitys. Diese Entwicklung erfordert ein Mehr an Nahrungsmittel, wofür zusätzliche Anbauflächen benötigt werden, die es erst zu schaffen gilt. Da die Welt in ihrer zweidimensionalen Ausdehnung nicht wächst, liegt der Gedanke nahe, die dritte Dimension, also die Höhe zu nutzen. Somit ist die Idee des „urban farming“ oder besser noch, des „vertical farming“ eine Chance, und zwar ganz im Sinne der – auch von Stadtplanern – propagierten Idee des „Verdichtens“. Diesmal aber nicht für Profitmaximierung durch verkaufbare Flächen, sondern als Anbauflächen für Nahrungsmittel.
Das Team von Superfarm® hat sich an den Ideen des Pioniers für vertikale Landwirtschaft, Dr. Dickson Despommier (US-amerikanischer Mikrobiologe, Ökologe und emeritierter Professor für Public Health an der Columbia University) orientiert und versucht, eine Lösung für das urbane Nahrungsmittelproblem der Zukunft zu finden. Sie haben eine Idee entwickelt, wie man im urbanen Raum – mit Vermeidung der oft mehrere Hundert Kilometer langen Transportwege – Nahrungsmittel produzieren kann. Und zwar nicht beliebige, sondern speziell Produkte mit einem hohen Nährwert. Produkte, die im Rahmen einer gesunden Ernährung gebraucht werden, aber ebenso Fische und Honig. Dieser Ansatz führt weg von der traditionellen Auffassung des „urban farming“ mit Salat und Gemüse und fokussiert sich auf die Anreicherung der Nahrung mit essenziellen Nährstoffen, Spurenelementen, Mineralstoffen, Fettsäuren, Proteinen und Ballaststoffen, Enzymen, Aminosäuren und Antioxidantien. Man müsste diesen Ansatz fast als „indoor farming“ bezeichnen, denn die typischen hängenden Gärten und begrünten Dachflächen sind hier nicht wesentlich. Das Projekt soll das Aussehen der Städte in der Zukunft entscheidend verändern, es zielt auf die Errichtung eines neuen Ökosystems im urbanen Environment: Seegraskulturen, Bienenzucht, Insektenzucht, Aquaponik und verschiedenste Glashaustechniken, sowie Außenraumkulturen ermöglichen ein Miteinander und ein Sich-gegenseitig-unterstützen.
Auf einer Grundfläche von nur 12 x 12 Meter und mit einer Höhe von 34 Meter, wird ein sechsgeschossiges Gebäude auf dem Wasser errichtet und umgeht so den Mangel an nutzbaren Flächen sowie die überteuerten Grundstückspreise in den Städten. In Städten, die nicht am Meer oder an einem See liegen, findet sich sicher eine Wasserfläche oder ein Fluss, der dafür genutzt werden kann. Außerdem ist das Wasser für den Betrieb der Superfarm notwendig. So wird einerseits der Krise des Anthropozän begegnet, indem menschliche Aktivitäten aus der Natur abgezogen werden und gleichzeitig wird Land der Natur zurückgegeben, indem neue Ökosysteme im urbanen Zusammenhang installieren werden.
Aber diese Idee hat noch weitere Vorteile:
Durch eine kontrollierte Innenraumatmosphäre können Krankheiten der Pflanzen verhindert werden. Außerdem lassen sich so Pestizide, die normalerweise auf „natürlichem“ Weg in die Nahrungsmittel einfließen, vermeiden.
Das Nutzwasser wird recycelt und gespart, indem die Verdunstungsfeuchte des Pflanzenwachstums zurückgewonnen wird. Und die in kontrollierter Umgebung hergestellten Nahrungsmittel sind sauber und müssen nicht mehr gewaschen werden.
Indem die soziale Distanz zwischen Verbraucher und Produzent in der Stadt abgebaut wird, erhalten die Menschen einen leichteren und direkteren Zugang zu immer frischen Lebensmitteln, die gerade von der Farm kommen. Über eine Fußgängerbrücke ist die Architektur mit einer Verkaufszone den Bewohnern der Stadt zugänglich. Auf der Eingangsebene könnten auch Lager- oder Kühlräume für frische Produkte enthalten sein.
Auch neue Arbeitsplätze können so entstehen. Mit Dreirädern sollen Nahrungsmittel an Einzelpersonen, Restaurants oder Firmen geliefert werden.
Der Stress der Pflanzen wird ebenfalls reduziert, indem sie das, was sie brauchen – wenn sie es brauchen – auch bekommen.
Es gilt auch die architektonische Herausforderung für zukünftige Architekten – statt leer stehender Hotels und Büros, sinnvolle Architektur für die Ernährung der Menschen zu gestalten.
Und natürlich werden Windräder und Sonnenkollektoren, die für Kühlung, Erwärmung, Beleuchtung und Bewässerung notwendige Energie liefern. Möglicherweise wird die Architektur sogar energieautark sein. Jedenfalls stellt sie eine interessante, architektonische Alternative für die Städte der Zukunft dar.
Text: Peter Reischer
Renderings: Superfarm
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