Es brodelt und gärt
Ein altes Industriegelände einer weltbekannten Brauerei wird zum pulsierenden, nachhaltigen und qualitätsvollen modernen Wohn- und Büroquartier im Herzen der Weltstadt Kopenhagen. ADEPT ist es mit dem Theodora Haus gelungen, mit viel Fingerspitzengefühl und Innovationsgeist gegebene historische Bautraditionen in die Gegenwart zu übersetzen und so ein stadtteilprägendes Quartier zu gestalten. Der Beitrag Es brodelt und gärt erschien zuerst auf architektur-online.
Ein altes Industriegelände einer weltbekannten Brauerei wird zum pulsierenden, nachhaltigen und qualitätsvollen modernen Wohn- und Büroquartier im Herzen der Weltstadt Kopenhagen. ADEPT ist es mit dem Theodorahus gelungen, mit viel Fingerspitzengefühl und Innovationsgeist gegebene historische Bautraditionen in die Gegenwart zu übersetzen und so ein stadtteilprägendes Quartier zu gestalten.
Bereits 1847 gründete der Däne Jacob Christian Jacobsen die heute weltbekannte Brauerei Carlsberg-Bryggerier Kjøbenhavn in Kopenhagen. Ende des 19. Jahrhunderts erlebte die Brauerei dank der industriellen Produktionsweise einen rasanten Aufschwung. Nach 160 Jahren turbulenter Industriegeschichte inmitten des beliebten Stadtteils Vesterbro wurde die Bierproduktion mit dem Jahr 2008 an andere Standorte in Dänemark verlagert. Der Startschuss, um das ehemalige Brauereigelände und Industrieareal in ein neues Wohnquartier zu verwandeln.
Der Masterplan für das 30 ha umfassende Gelände sah neben der Aufwertung der Umgebung allen voran die Gestaltung eines nachhaltig aktiv-urbanen Lebens vor. Das entstandene Ensemble zeichnet sich heute auf der einen Seite durch zeitgemäße Ergänzungsbauten aus, auf der anderen Seite wurden so viele historische Gebäudeteile wie möglich behutsam konserviert und restauriert. Das besondere Flair liegt in der an allen Ecken erlebbaren Industriegeschichte und dem kontrastierend-pulsierenden Leben dieses modernen Stadtviertels.
Das ortsansässige Architekturkollektiv ADEPT verwandelte das Areal rund um den ehemaligen Hefespeicher im Sinne des Masterplans in ein modernes Wohn- und Büroquartier. Ab 1883 wurde in den Forschungslabors von Carlsberg ein untergäriger Hefepilz gezüchtet, der später nach der Brauerei benannt und vor Ort in großen Mengen zur Biergewinnung gelagert wurde. Gleich nebenan steht auch das berühmte Elefantentor. Das mit rot verzierten Kacheln verblendete Wahrzeichen der Carlsberg Brauerei wurde 1901 von Vilhelm Dahlerup entworfen und diente als Wasserturm und Hopfen-Silo.
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“Wir glauben, dass wir die Lebensfähigkeit und Vielfalt unserer Städte verbessern können, wenn wir positive Interaktionen zwischen Menschen, Funktionen und öffentlichem Raum fördern. Wir beziehen Kunden und Benutzer in die Konzeption von Orten ein, die ihnen als flexibles Rahmengerüst dienen sollen, und zielen darauf ab, die richtigen Bedingungen für eine positive Entwicklung der Gemeinschaft in Städten und Gebäuden zu schaffen”, bringen die Planer von ADEPT den Kerngedanken des Projekts auf den Punkt. Das Theodora Haus ist ein gemischt genutztes Gebäude, das sich aus mehreren Wohnungstypologien sowie einem Büroflügel zusammensetzt. Letzterer befindet sich in dem einzigen historischen Gebäudeteil, der sich als konservierbar erwies und bietet Ausblick auf einen der vielen kleinen Plätze des Carlsberg-Quartiers. Die 58 Wohneinheiten hingegen sind in dem U-förmig dazu ergänzten Neubau untergebracht und um einen halböffentlichen Hof angeordnet.
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Durch Blick- und Wegebeziehungen fügt sich das neue (alte) Quartier nahtlos in das städtebauliche Gefüge ein und erweitert den Stadtteil um ein lebendiges Konglomerat aus Damals und Heute. Besonderes Augenmerk legten die Architekten dabei auf die Gestaltung der zur Umgebung hin orientierten Flächen und so betont das Theodora Haus ganz bewusst den komplexen Charakter des Viertels, das durch die vielen unterschiedlichen Fassaden geprägt ist, welche die lokale Geschichte widerspiegeln. “Nachhaltigkeit ist kein Branding. Es ist eine Notwendigkeit.” Nach diesem Credo ist auch die ursprüngliche Backsteinfassade des Hefespeichers in seinem charakteristischen Verbund erhalten geblieben. Der optische Übergang zu dem neuen Gebäudeteil geschieht auf behutsame Weise über das Elefantentor hinweg. Farbe und Oberflächenstruktur der Ziegel wurden sorgfältig ausgewählt. So wird die historische Fassade zwar respektvoll ergänzt, aber dennoch ein modernes Statement gesetzt.
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Um diesen subtilen Eindruck zu erzielen, entwickelten die Architekten in enger Zusammenarbeit mit einem örtlichen Hersteller einen besonderen Ziegel, dessen schmale Vorderseite konkav gewölbt ist. So ergibt sich im Verbund verlegt an der einem der Hauptboulevards des Carlsberg Komplexes zugewandten Fassadenfront ein abwechslungsreiches Spiel aus Schatten und Texturen, das sich in einer schwungvollen Bewegung in Richtung Himmel aufzulösen scheint. Das Besondere liegt in der Kombination des altbekannten und historischen Baumaterials Ziegel und dessen völlig neuer Interpretation in Form und Verlegetechnik. Auf diese Weise entsteht ein äußerst moderner und zeitgemäßer Eindruck, der dennoch das Gefühl vermittelt, als wären die Gebäude schon genau so seit jeher an Ort und Stelle gestanden.
Die perforierten Metall-Fensterläden zur Straße hin sind in Kopenhagen-Grün gestrichen und spiegeln mittels ausgewählter grafischer Motive die Geschichte des Hefespeichers auf dekorative Weise wider. Auch dieses Element basiert auf einem der Prinzipien der Köpfe von ADEPT: “Wir fördern eine experimentelle Denkweise, die auf kreativen Ideen basiert, geprüft durch das Brennglas unseres skandinavischen Ansatzes, der Orte vor Gebäude setzt. Wir erkunden unbekannte Gebiete, um innovative Lösungen hervorzubringen.” Und als innovativ und unkonventionell lässt sich das unbekümmerte Spiel und die Interaktion mit den umgebenden Bauten, Strukturen und der Historie durchaus beschreiben.
Der eher private Innenhof bildet schließlich einen starken Kontrast zu den detaillierten und kleinteiligen Ziegelstrukturen, die der Nachbarschaft zugewandt sind. Die hofseitigen Fassadenflächen sind als weißer Faserzement ausgeführt und mit einem davor montierten Rankgerüst aus hellem Holz versehen. Mit der Zeit sollen diese bewachsen als grüne Wände den kleinen Garten einfassen, der den Bewohnern als Ruheoase und nachbarschaftlicher Treffpunkt dient. Eine organisch geschwungene, über Ebenen begehbare Landschaft aus Grünflächen, Bäumen und Beeten wird von einem Band aus Cortenstahl eingefasst, rundherum laden Bänke aus Holz zum Verweilen ein.
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Auch wenn die Zeiten des hektischen Brauereialltags vorbei sind, so brodelt und gärt es doch weiter auf diesem faszinierenden historischen Industriegelände im Herzen Kopenhagens. Alt und Neu, Geschichte und Gegenwart verschmelzen zu einem feingewebten, vielschichtigen Konglomerat, dessen besonderes Flair von ADEPT mit viel Fingerspitzengefühl geformt wurde.
“ADEPT ist eine in Kopenhagen ansässige Architekturgemeinschaft. Unser Credo lautet “Ort vor Bauwerk”, denn wir sehen die Stadt als einen Organismus, eine Synergie zwischen Menschen, Funktionen und Orten. Wir arbeiten in allen Maßstäben – unsere Entwürfe wachsen immer aus einer sorgfältigen Studie der örtlichen Gegebenheiten. Der Kontext ist uns wichtiger als klassische Begriffe der Ästhetik. Denn in all unseren Projekten dreht sich alles um die Menschen, welche die Orte letztendlich benutzen und bewohnen. (v.l.n.r.) Martin Krogh, Simon Poulsen, Camilla Klingenberg, Anders Lonka, Martin Laursen
Foto:Jakob Birgens
Theodorahus
Kopenhagen, Dänemark
Bauherr: Carlsberg Byen
Planung: ADEPT
Mitarbeiter: Anders Lonka, Martin Laursen, Martin Krogh, Simon Poulsen, Camilla Klingenberg, Jens Arnar Árnason, Arminas Sadzevicius, Telma Ribeiro
Statik: NorConsult
Grundstücksfläche: 2.618 m2
Bebaute Fläche: 2.187 m2
Bruttogeschossfläche: 15.502 m2
Innenhof: 426 m2
Balkone + Terrassen: 622 m2
Fläche Wohneinheiten: 58 Wohneinheiten / 4.405 m2= 75.9 m2 (von 46 m2bis 168 m2)
Wohnfläche: 4.405 m2
Bürofläche: 7.290 m2
Öffentliche Flächen: 3.185 m2
Planungsbeginn: 08/2017
Bauzeit: 2 Jahre
Fertigstellung: 03/2020
Baukosten: ca. 25,9 Mio. €
Text: Linda Pezzei
Fotos: Rasmus Hjortshoj,
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