Gekommen, um zu bleiben?!
Mit dem neuen Stow-Away Boutique-Aparthotel ist es den Architekten von Doone Silver Kerr gelungen, ein innovatives und flexibles Hotelkonzept in London zu etablieren. Das fünfstöckige Gebäude umfasst 20 eigenständige Wohneinheiten in Form von ehemaligen Seecontainern, die im Bedarfsfall wieder abgebaut und an eine andere Stelle versetzt werden können. Der Beitrag Gekommen, um zu bleiben?! erschien zuerst auf architektur-online.
Mit dem neuen Stow-Away Boutique-Aparthotel ist es den Architekten von Doone Silver Kerr gelungen, ein innovatives und flexibles Hotelkonzept in London zu etablieren. Das fünfstöckige Gebäude umfasst 20 eigenständige Wohneinheiten in Form von ehemaligen Seecontainern, die im Bedarfsfall wieder abgebaut und an eine andere Stelle versetzt werden können.
„Stow-Away steht für unsere Begeisterung für neue Bautechniken, die das Potenzial von komplexen und eingeschränkten Standorten freisetzen können, indem sie eine Antwort auf die Anforderungen nach immer flexibleren, innovativeren und technologiegetriebenen Stadtstrukturen geben,“ beschreibt Ross Kerr, Partner des Londoner Architekturbüros Doone Silver Kerr, den Grundgedanken hinter dem Ende 2018 für Stow Projects fertiggestellten Boutique-Aparthotels im Herzen der City.
Die Anforderungen an die heutige Arbeitswelt sowie deren Arbeitsplätze und -orte befinden sich in einem stetigen Wandel. Flexible Strukturen können individuell und schnell darauf reagieren. Neben dem Home Office etabliert sich zunehmend die Arbeit auf Zeit an einem fremden Ort. Kultur und Technik sind global vernetzt, Unternehmer wie Arbeitnehmer werden zu ewig Reisenden. Aparthotels bieten zu diesem Zweck individuellen Wohnkomfort und maximale Flexibilität. Anders als in Hotels sind die Zimmer voll ausgestattet und umfassen neben Bad und Wohn- wie Schlafbereich auch eine Kochmöglichkeit. Serviceleistungen wie Reinigung und Frühstück sind meist inklusive.
Das von dem Designstudio Doone Silver Kerr (DSK) entworfene Aparthotel Stow-Away befindet sich inmitten der Lower Marsh Conservation Area. 1984 wurde das Gebiet südöstlich der Waterloo Station zum Schutzgebiet erklärt, um die architektonischen und historischen Strukturen zu erhalten und zu stärken. Die Mischung aus Geschäften, Büros, Lokalen, Werkstätten, Pubs sowie dem beliebten Lower Marsh Street Markt machen das Viertel zu einem interessanten Ballungsraum für Kreative und Unternehmer. Der perfekte Standort für das innovative Konzept eines Boutique-Aparthotels.
Im Herzen der Lower Marsh Conservation Area befinden sich einige der ältesten Strukturen des Londoner Stadtteils Lambeth. Im Jahr 1062 erstmalig als Lambehitha und im Jahr 1089 als Lamhytha urkundlich erwähnt, geht der Name etymologisch auf die altenglischen Worte “Lamm” und “Hafen” oder “Landepunkt” zurück. So liegt es nahe, dass sich die Architekten von DSK bei der Konzeption des Projekts vom Seehandel inspirieren ließen. Das 5-stöckige Gebäude umfasst 20 Wohneinheiten und wurde mittels 30-Fuß-Seecontainern konstruiert. Eine raffinierte Antwort auf die anspruchsvollen technischen Herausforderungen des Bauplatzes.
Der Fokus lag von Anfang darauf, eine einfache, robuste und langlebige Struktur zu entwickeln. Dazu wurden ehemalige Seecontainer recycelt und zu eigenständigen Wohnkuben umgebaut. Die Innenflächen der Container sind mit bereits fertigen Oberflächen wie Stein oder gebeizten sowie naturbelassenen Sperrholzplatten beplankt. Auf diese Weise wurden nicht nur Haltbarkeit und Langlebigkeit maximiert, es konnte auch ein möglichst geringer Verlust an Raumfläche erzielt werden. Laut eingehender Untersuchungen der Planer entsprechen die voneinander unabhängigen Elemente den geltenden Bauvorschriften, obwohl jedes einzelne als geschlossenes System funktioniert.
Raum, Nutzen und Funktion jeder Wohneinheit folgen einem schlichten und zurückhaltenden Design, das durch einige bewusst gesetzte Details besticht, wie beispielsweise hochwertige Oberflächen in Holz und Marmor. Dank der effizienten Ausnutzung des Raums steht dem Nutzer eine voll ausgestattete Küche inklusive Geschirrspüler, Spülbecken, Mikrowelle, mobiler Kochplatte sowie Töpfen, Besteck und Geschirr zur Verfügung. Das funktioniert, da der Schlafbereich multifunktional gestaltet wurde. Das Bett erstreckt sich über die gesamte Zimmerbreite mit Ausblick auf das bunte Treiben des Viertels. Dank der seitlich angebrachten Wandpolster dient das Bett gleichzeitig als Sofa und Ort zum Entspannen, Lesen oder Fernsehen.
Die Räume des Stow-Away wirken trotz ihrer bescheidenen Größe nicht drückend oder eng. Das große Fenster holt viel Licht bis tief in den Raum. Die eingesetzte Farbpalette aus gedämpften Tönen wechselt diesen Eindruck verstärkend subtil von hell nach dunkel. Anstelle eines Tunneleffekts entsteht so der Eindruck von Offenheit und Weite. Das Projekt verbindet auf diese Weise die Designqualitäten eines Boutique-Hotels mit der Privatsphäre eines Apartments und generiert so eine anpassungsfähige, hochwertige städtische Unterkunft, in der die Bewohner leben, arbeiten, essen und schlafen können.
Im Erdgeschoss des Bauwerks befinden sich die Rezeption und die Weinbar “Unwined”. Das bis dato als Pop-Up-Bar etablierte Konzept ergänzt nun erstmals an einem festen Standort die vielseitige, unabhängige und kollaborative Gemeinschaft von Lower Marsh und bietet einen neuen Anziehungspunkt für Einheimische und Touristen. Das Wohnen wird so nach außen getragen, neue Strukturen stehen nicht nur für sich, sondern binden sich aktiv in das Gemeinschaftsleben ein und schaffen so Berührungspunkte. Gerade beim Wohnen auf Zeit sind solche sozialen Kontakte von immenser Bedeutung und bieten den Bewohnern einen echten Mehrwert.
Aus diesem Grund war die Berücksichtigung der städtischen Umgebung für die Architekten ein weiteres Schlüsselelement des Entwurfs. Die Rückseite des Hotels ermöglicht den Ausblick auf Londons Skyline, die Southbank und sogar das weltberühmte “London Eye”. Angesichts der damit einhergehenden Nähe der South Western Main Line ergriffen DSK umfassende Maßnahmen, um Vibrationen und Geräusche abzuschwächen. Auf jeder Ebene wurden dazu spezielle Akustik-Gummipads in verschiedenen Stärken zwischen den einzelnen Modulen verlegt. Zudem wurden Türen eingebaut, die sowohl akustischen wie sicherheitstechnischen Anforderungen entsprechen.
Zur Straße hin präsentiert sich das Hotel auffällig und selbstbewusst. Die Fassade springt dem Betrachter gleich bei der Ankunft oder im Vorbeischlendern ins Auge. Skulptural anmutende, aufgeschweißte Lamellen bieten neben Privatsphäre auch Schutz vor zu intensiver Sonneneinstrahlung. Die Facettierung verleiht dem Gebäude eine unverwechselbare Identität und verändert den Eindruck je nach Perspektive des Betrachters. Während die Hülle nach außen hin in ein strahlendes Weiß getaucht ist, spiegelt das Innere der Lamellen mit einem verwitterten rostbraunen Ton den Ursprung des Konstruktionsmaterials wider. Die Fenster sind als feste, doppelt verglaste Hochleistungselemente ausgeführt, die im unteren Bereich satiniert sind, um die Privatsphäre zu wahren.
Besonderer Clou des Konzepts: Aufgrund der Flexibilität der einzelnen Elemente kann die gesamte Struktur bei Auslaufen des Pachtvertrags an einen anderen Ort übersiedelt werden. Ob es dann per Schiff auf zu neuen Ufern gehen wird, wird sich zeigen. Momentan jedenfalls ist das Stow-Away als bereicherndes Element des Quartiers erst einmal gekommen, um zu bleiben …
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Stow-Away Hotel, Lower Marsh
London, Großbritannien
Bauherr: Stow Projects / Ciel Capital
Planung: Doone Silver Kerr
Statik: Price & Myers/ JMS Consulting Engineers
Bruttogeschossfläche: 5.650 m2
Nutzfläche: 5.100 m2
Planungsbeginn: 5/2016
Bauzeit: 2017 – 2019
Fertigstellung: 1/2019
Text: Linda Pezzei
Fotos: Edmund Sumner
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