Gesamtkunstwerk

Als Teil des Forschungsprogramms „Stadt der Zukunft“ des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie nahmen die Bauherren der Steirereck Stadtpark GmbH gemeinsam mit den Architekten von PPAG die Herausforderung an, eine vom Naturerlebnis geprägte Situation und einen anspruchsvollen, zeitgemäßen Gastronomiebetrieb innerhalb einer harmonischen Gesamtlösung architektonisch wie konzeptionell in die Zukunft zu führen.

Gesamtkunstwerk

Als Teil des Forschungsprogramms „Stadt der Zukunft“ des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie nahmen die Bauherren der Steirereck Stadtpark GmbH gemeinsam mit den Architekten von PPAG die Herausforderung an, eine vom Naturerlebnis geprägte Situation und einen anspruchsvollen, zeitgemäßen Gastronomiebetrieb innerhalb einer harmonischen Gesamtlösung architektonisch wie konzeptionell in die Zukunft zu führen.

 

 

Zwischen den Gemeinden Turnau und Sankt Lorenzen im Mürztal lädt idyllisch gelegen auf dem 1.059 Meter hohen Alpenpass das gleichnamige Wirtshaus „Steirereck am Pogusch“ zur Einkehr ein. Während das Wiener Pendant seit vielen Jahrzehnten einen Fixpunkt der gastronomischen Spitze Österreichs repräsentiert, wollte die Familie Reitbauer mit dem Zu- und Umbau der steirischen Liegenschaft zeigen, wie innovativ und naturnah ein gastronomischer Betrieb gerade in der heutigen Zeit geführt werden kann.

 

 

Bis ins kleinste Detail

Dass die Planer:innen von PPAG mit dem Steirereck am Pogusch ihr zweites Projekt nach dem Umbau des Restaurants Steirereck im Wiener Stadtpark in einer extrem ausgeprägten Detailtiefe bis hin zu den Möbeln realisieren konnten, liegt zum einen an der sorgfältigen Auswahl hinsichtlich der Zusammenarbeit mit motivierten und talentierten Handwerksbetrieben und zum anderen wohl an dem (Selbst)Verständnis der Bauherrschaft. Der Komplex umfasst nun eine Landwirtschaft, ein Biomassekraftwerk sowie ein gehobenes Hotellerie- und Gastronomieangebot. Details wie eigens entworfene, organomorphe Türgriffe, 3D-gedruckte Waschbecken und raumwirksame Holzlamellenvorhänge verleihen dem Projekt die Dimension einer Art hochmodernen Gesamtkunstwerkes, das dennoch fest in der Region und Naturlandschaft verwurzelt ist.

 

 

Hightech trifft Landwirtschaft

Indem das Wirtshaus und Haubenrestaurant Haute Cuisine und Bodenständigkeit nonchalant vereint, beweist das Projekt, dass nachhaltige Landwirtschaft und Luxushotellerie sich nicht ausschließen müssen, sondern sogar gegenseitig befruchten können. Dabei sticht das neu Ergänzte nur bei genauem Hinsehen ins Auge: Zurückhaltend und dezent wurden das bestehende Steinhaus und Holzhaus durch Zubauten wie das Salettl, die Schankküche und zwei teilweise in den Hang eingegrabene Glashäuser ergänzt. Die über Jahre und Generationen gewachsene Landwirtschaft mit angeschlossener Gastronomie stand laut der Bauherrschaft weniger am Punkt einer inhaltlichen Neuorientierung, vielmehr sollte die schon gelebte achtsame Lebensweise im Gebauten manifestiert, für die Betreiber selbst und für die Gäste nutz-, spür- und sichtbar werden.

 

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Die Glashäuser

Dieses Ansinnen zeigt sich am eindrucksvollsten bei genauerer Betrachtung der Glashäuser. Die Höhenlage stellte in der Ausführung eine besondere Herausforderung dar. Schließlich entschieden sich die Architekt:innen, entsprechend der späteren Nutzung, eines der Objekte „kalt“ und eines „warm“ zu konzipieren. So wird das größere, kalte Glashaus mit einer Mindesttemperatur um den Gefrierpunkt ganzjährig zur Pflanzenzucht verwendet. Unkonventionelle Gäste erwarten hier zudem ebenso unkonventionelle Übernachtungsmöglichkeiten samt spezieller Badelandschaft. Im warmen Glashaus herrschen hingegen rund 22 °C. Hier befinden sich – sozusagen der Backstagebereich der Küche – ein Kräutergarten und das gastronomische Ideenlabor. Beide Glashäuser sind über Atrien mit dem darunterliegenden Küchen-Hinterland verbunden und bieten den Mitarbeiter:innen mit direktem Tageslicht belichtete Arbeitsplätze von hoher räumlicher Qualität.

 

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Fresh Up

Der Bestand, Teile der Küche, das Steinhaus aus dem 17. Jahrhundert und das Holzhaus wurden gezielt von altem Ballast befreit und durch individuelle Einbauten und Möbel ergänzt. Eine neue Schank- und Feuerküche mit großem Grill bilden sozusagen das atmosphärische Herz des Hauses. Die alternierende Verlegerichtung der Kielstegdecke lässt die dünnen, gebogenen Sperrholzplatten, die Ober- mit Untergurt verbinden, bewusst sichtbar und sorgt für eine stimmungsvolle, indirekte Beleuchtung des Raumes. Gemeinsam mit dem bestehenden Steinhaus und Holzhaus schafft das neue Salettl ein differenziertes und flexibel nutzbares Gastraumangebot mit Ausblick auf die umgebende Natur. Individuell adaptierbare Holzlammellenvorhänge sorgen auf einfache Weise, rasch und unkompliziert für unterschiedliche Szenarien räumlicher Behaglichkeit.

 

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Das Nachhaltigkeitskonzept

Zusätzlich zur Zusammenarbeit mit regionalen Handwerksbetrieben legten PPAG einen weiteren Schwerpunkt auf die Versorgung mit erneuerbaren Energien. So konnte für den gesamten Standort dank einer innovativen Systemlösung ein Plus-Energie-Standard erreicht werden. Die bereits bestehenden Versorgungssysteme (150 kW Holzhackschnitzelanlage, 100m2 Solarthermieanlage und eine 5 kWp Photovoltaikanlage) bilden die Basis. Die Neubauten wurden im Niedrigenergiestandard unter teilweiser Verwendung von Passivhauskomponenten konzipiert. Eine kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung ist überall Standard. Die Wärmeabgabe erfolgt über Niedertemperatursysteme (Fußboden- und Wandheizung). Die Gewächshäuser wurden nach einem hohen Wärmestandard konzipiert. Die bereits bestehenden Gebäude, die sich in einem sehr guten thermischen Zustand (50 kWh/m2a) befinden, sind mit einer kontrollierten Lüftung und Wärmerückgewinnung ausgestattet.

Im Sinne der Verringerung des Ressourcenverbrauchs setzt das Steirereck am Pogusch auf eine Lebensmittelproduktion vor Ort, die auf dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft basiert und Aspekte wie die Kompostierung umfasst. Bei der Auswahl der Baumaterialien zogen die Architekten ökologische Varianten herkömmlichen Materialien vor. Das neue Konzept führe laut PPAG trotz der isolierten Lage in den Bergen zu einem nahezu energieautarken, ressourcenschonenden Hospitality-Projekt.

 

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Gastronomie der Zukunft?

Als Teil des Forschungsprogramms „Stadt der Zukunft“ des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie will das Projekt einen Beitrag zur Entwicklung resilienter Strukturen leisten. Dabei stehen neben einer hohen Ressourcen- und Energieeffizienz die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energieträger sowie eine hohe Lebensqualität im Fokus. Ziel des Programms ist es aber auch, die internationale Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen zu stärken. Das Steirereck am Pogusch scheint in diesem Sinne ein Vorzeigemodell und Ansporn für Nachahmer:innen zu sein.

 

 

Steirereck am Pogusch
Turnau, Österreich

Bauherr: Steirereck Stadtpark GmbH
Planung: PPAG architects ztgmbh
Projektteam: Anna Popelka, Georg Poduschka, Paul Fürst, Lukas Ortner, Christian Wegerer, Jakub Dvorak, Billie Murphy, Jonas Steinmetz, Maximilian Keil
Statik: Werkraum Ingenieure
Brandschutzplanung: kunz DIE INNOVATIVEN BRANDSCHUTZPLANER

Vegetationskonzept Glashäuser: Green4Cities
Landschaftsarchitektur: Bauherr:in und Viereck Architekten
Dämmung: Austrotherm XPS®

Grundstücksfläche: 11.762 m2
BGF Bestand: 756 m2
BGF Neubau: 2.957 m2
Planung: Mai 2018 – März 2022
Baubzeit: März 2020 – Juni 2022

www.ppag.at

 

Text: Linda Pezzei
Fotos: Hertha Hurnaus