Gut getarnt

Scheinbar losgelöst vom urbanen Kontext der tschechischen Industriestadt Zlín, liegt das private Wohnhaus LAZY von petrjanda/brainwork. Der Name bezieht sich auf den Ort und den Passivhausstandard. Um mit der umgebenden Landschaft zu verschmelzen, nutzte der Architekt das Prinzip der Tarnung von Flugzeugen, um mittels Spiegelung und Moiré-Fassaden eine Art Entmaterialisierung zu erreichen.

Gut getarnt

Scheinbar losgelöst vom urbanen Kontext der tschechischen Industriestadt Zlín, liegt das private Wohnhaus LAZY von petrjanda/brainwork. Der Name bezieht sich auf den Ort und den Passivhausstandard. Um mit der umgebenden Landschaft zu verschmelzen, nutzte der Architekt das Prinzip der Tarnung von Flugzeugen, um mittels Spiegelung und Moiré-Fassaden eine Art Entmaterialisierung zu erreichen.

 

 

Das LAZY HOUSE macht mehr aus als nur die rein physische Form. Das Konzept basiert auf dem Prinzip der räumlichen Interaktion mit der Umgebung und wurde entsprechend von innen nach außen gedacht. Architekt Petr Jandas Wunsch war es, ein Objekt aus der Naturlandschaft heraus wachsen zu lassen, von und aus dem deren Schönheit erlebbar wird. Die Kommunikationsebenen sind daher mehrschichtig, aber dennoch ineinander verwoben aufgebaut: Haus – Stadt, Stadt – Garten, Garten – Haus. Dieses Beziehungsschema wiederholt sich im Inneren des Hauses. Sowohl die Gemeinschafts- wie auch privaten Bereiche gehen nahezu fließend in den Außenraum über. Dass die Privatsphäre dennoch gewahrt bleibt, liegt an den speziellen Fassadenmembranen, die von innen nach außen ein Maximum an Einblicken zulassen, selbige in umgekehrter Richtung hingegen einschränken.

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Angebunden an das Quartier Lazy und auf dem Grundstück einer ehemaligen Kleingartenkolonie situiert, bietet die ruhig gelegene Privatvilla in Richtung Norden Ausblicke auf das sonnige Tal von Zlín, während das Gelände im Süden durch einen bewaldeten Hang begrenzt wird. Durch die visuelle Anbindung an die urbane Industriestadt (Heimat des Konzerns Bat’a) mit ihren grünen Wohnvierteln wird der Ereignishorizont des gesamten architektonischen Konzepts letztlich definiert. Die typologischen Referenzbauten, auf deren Gefühl sich LAZY HOUSE stützt, sind charakteristische Solitärvillen an Orten, die eine einzigartige Aussicht bieten. Es ist der wesentliche Archetyp eines Hauses, das von der Einzigartigkeit seiner Lage profitiert.

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Der kompakte Körper orientiert sich an der Konturlogik der umliegenden Häuser, wodurch der quadratische Grundriss leicht gedreht ausgerichtet ist. Das Haus besteht aus einem in den Hang versenkten Sockelgeschoss und dem als Prisma darauf aufgesetzten Wohngeschoss, was dem Objekt aus südlicher Sicht einen äußerst zurückhaltenden Charakter verleiht. Im Sinne des in die Natur eingebetteten Bauens, soll das begrünte Dach den fehlenden Teil des Gartens ersetzen, welcher der Grundfläche des Hauses weichen musste. Das Konzept ermöglicht zudem die (spätere) Nutzung als Mehrgenerationenhaus mit zwei separaten Gästetrakten sowie eigenen Zugängen.

 

 

Das auf den ersten Blick bestechendste Stilmittel, auf das Petr Janda bei der Gestaltung seines LAZY HOUSE setzt, ist das Prinzip der Tarnung: das Wohngeschoss wirkt aufgrund von Spiegelungen und Moiré-Fassaden regelrecht entmaterialisiert und visuell mit dem Himmel verbunden. Der in den Hang versenkte Sockel aus Cortenstahl verstärkt diese Wirkung auf eindrucksvolle Weise und lässt die Villa beinahe vom Erdboden abgehoben – schwebend wie ein Flugobjekt – erscheinen. Aus der Vogelperspektive bilden das begrünte Dach mit dem Atelier und die mit Häusern getupfte Gartenstadt eine natürliche Einheit. Der Weinkeller, das Schwimmbad mit Grotte, der Zugangsbereich, die Einfriedung mit Eingangstor und das Müllhäuschen wachsen in den Hang hinein und verschmelzen mit der Gartenlandschaft, die sich fließend um das Haus herum erstreckt und versteckte Rückzugsorte bietet. Dank der die Grundstücksgrenzen schützenden Bepflanzung bietet das Ensemble bei maximaler Offenheit dennoch ein natürliches Maß an Privatsphäre.

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Möchte man das LAZY HOUSE als lebendigen Körper verstehen, so nutzt dieser seine tragende Struktur als Skelett, die Dämmung steht für die Muskeln, die Heizung für den Blutkreislauf, die Klimatisierung sind Lunge und Luftröhre, die Wasserversorgung und die Kanalisation bilden den Verdauungstrakt, die Technik das Nervensystem und die Fassaden die Haut, welche den gesamten Körper schützt und seine Oberfläche atmen lässt. Aus architektonischer Sicht handelt es sich um einen Monolith aus Stahlbeton, isoliert mit einer Hochleistungs-Wärmedämmung, die dem Niedrigenergie- oder Passivhausstandard entspricht. Das Volumen des Wohngeschosses verfügt über eine voll verglaste Nord- und Südfassade mit großformatiger, metallisierter Dreifachverglasung mit Tarneffekt. Die Fassaden zu den Nachbarn hin sind mit einem seidig glänzenden Edelstahlgewebe versehen, das dem Moiré-Effekt entsprechend auch die Fenster abdeckt.

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Die mit vorkorrodierten Corten-Stahlblechen ummantelte untere Etage verbindet das Haus aus sinnlicher Sicht mit dem Naturraum und auf materieller Ebene mit dem Eingangstor sowie den Gartenelementen. Die verwendeten Farben und Materialien basieren auf der semantischen Trennung von Außen und Innen, wobei das metallische Äußere mit dem holzlastigen Inneren kontrastiert. Wände, Türen und Einbaumöbel sind in Ulmenholzfurnier, die Böden in massivem Iroko ausgeführt. So entsteht der Eindruck eines kontinuierlichen Raumflusses, der schließlich mit den einzelnen Grundriss-Epizentren kulminiert. Verglaste Elemente rhythmisieren die Oberflächen der Wände durch die Reflexion des Lichts und ziehen den Blick über die großen Fenster in die tieferen Bereiche des Wohnraums, der in seiner Gesamtheit gerade von der Abstinenz an Details lebt.

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Die Atmosphäre der Villa lebt von der Variabilität, die im Spannungsfeld zwischen natürlicher und modulierter Beleuchtung und ihrer intensiven Veränderlichkeit im Laufe des Tages entsteht. Die künstliche Beleuchtung ist als integrale (und dennoch autonome) Schicht des Innenraums konzipiert und basiert auf einer Kombination aus direktem und indirektem Licht in Verbindung mit den charakteristischen Materialien des Interieurs. Die Decken sind mit einem subtilen, reflektierenden Effekt in Form eines Perlmuttlacks versehen, dessen Intensität von der Grundrissmitte zu den Rändern hin abnimmt.

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Petr Jandas LAZY HOUSE weiß auf mehreren Ebenen zu überzeugen, denn auch die technischen Finessen machen diese Villa zu einem von vorn bis hinten zu Ende gedachten Gesamtwerk. Die kontrollierte Be- und Entlüftung ist kombiniert mit einer Fußbodenheizung, die an eine Wärmepumpe mit zwei Erdbohrungen unter der Bodenplatte des Hauses angeschlossen ist und im Sommer im Umkehrbetrieb zur Kühlung genutzt wird. Heizung und Kühlung erfolgen mit Niedertemperatur und sind auf den Böden nicht wahrnehmbar. Die Lüftungskanäle werden vom Maschinenraum unter der Garagendecke und in den Bodenkonstruktionen zu den Auslässen geführt, wobei die Verteilung durch fast unsichtbare Schlitze an der Stelle erfolgt, wo Böden und raumhohe Fenster aufeinandertreffen.

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Das LAZY HOUSE besticht neben einer einmaligen Optik allen voran durch seine narrative Stärke. Die Außenhaut, welche auf einer mehrschichtigen, allmählichen Trennung des Innenraums vom Außenbereich basiert, spielt dabei eine tragende Rolle. Im Inneren funktioniert dies mit Hilfe von Membranen aus Vorhängen, Gardinen und Paravents aus Stoffen, die dem Charakter der Wände entsprechen und eine unterschiedliche Lichtdurchlässigkeit aufweisen. Von feiner Transluzenz bis zur völligen Verdunkelung ist alles möglich. Von außen betrachtet lassen Spiegelungen und Reflexionen die Grenzen zwischen Natur und Bauwerk verschwimmen. Die Stärke der Materialsprache liegt in diesem beispielhaften Projekt auf seiner leisen Zurückhaltung anstelle eines lauten Ausrufs.

 

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Lazy House
Zlín, Tschechische Republik

Bauherr: privat
Planung: petrjanda/brainwork

Grundstücksfläche: 1.400 m2
Bebaute Fläche: 225 m2
Nutzfläche: 345 m2
Planungsbeginn: 2006
Bauzeit: 2007 – 2020
Fertigstellung: 2020

www.petrjanda.com

 

“Das Haus ist ein Manifest des Widerstands gegen die „tschechische Strenge“, eine falsche Doktrin, die der zeitgenössischen tschechischen Architektur zugeschrieben wird. Die architektonische Sprache des Hauses ist universell, sie ist nicht auf die formalen Dogmen des pseudo-regionalen Neofunktionalismus beschränkt, sie arbeitet mit dem breitesten Kontext und mit der Überzeugung, dass Schönheit und Individualität integrale Funktionalität des Hauses sind.“

 Petr Janda

 

 

Text: Linda Pezzei
Fotos: BoysPlayNice