Konnektivität am dritten Ort

Für ihre Masterarbeit im Fachbereich Innenarchitektur-Möbeldesign entwarf Katharina Volgger einen Hybrid aus Architektur und Möbel, der abseits unserer virtuellen Lebenswelten einen realen Raum für neue Begegnungen aufspannen soll. Einen besonderen Fokus legte die junge Absolventin auf den Kontext der Konnektivität zwischen Wasser, Land und Nutzer:innen.

Konnektivität am dritten Ort

Für ihre Masterarbeit im Fachbereich Innenarchitektur-Möbeldesign entwarf Katharina Volgger einen Hybrid aus Architektur und Möbel, der abseits unserer virtuellen Lebenswelten einen realen Raum für neue Begegnungen aufspannen soll. Einen besonderen Fokus legte die junge Absolventin auf den Kontext der Konnektivität zwischen Wasser, Land und Nutzer:innen.

 


Die Salzburgerin Katharina Volgger absolvierte, begleitet von Praktika in diversen Innenarchitektur- und Design-Büros, ein Bachelorstudium in der Fachrichtung Innenarchitektur an der Technischen Hochschule in Rosenheim. Anschließend sammelte die junge Absolventin drei Jahre Berufserfahrung in einem Architekturbüro in Tirol, bevor sie ihr Masterstudium im Bereich Innenarchitektur und Möbeldesign mit dem Schwerpunkt Möbeldesign abschloss und als Innenarchitektin bei einem Architekturbüro in Wien einstieg. © Andrea Ehrenreich

 

Unser digitales Zeitalter, in dem alltägliche Dinge wie Arbeiten, Einkaufen und Kommunikation nahezu ausschließlich online stattfinden (können), inspirierte Katharina ­Volgger zu einer Masterarbeit, die darauf abzielt, öffentliche Begegnungsräume zu schaffen. So sollen auch – und gerade – im städtischen Umfeld, verknüpft mit dem Element Wasser, konsumfreie und ästhetisch anspruchsvolle Orte entstehen, die zufällige Begegnungen ebenso wie das individuelle Sein ohne bestimmten Anlass oder Zweck ermöglichen.

 

Im Kontext der Megatrends

Unter den 12 Megatrends hat Katharina Volgger die Megatrends Konnektivität und Urbanisierung als treibende Motoren ihres eigenen Schaffens identifiziert. Die Vernetzung auf digitaler Basis evoziere laut ­Volgger im 21. Jahrhundert nicht nur neue Arten der Lebensführung, Verhaltensweisen und Geschäftsmodelle, der digitale Wandel zeige sich auch auf sozialer und kultureller Ebene. Nicht zuletzt die Pandemie habe sich in diesem Zusammenhang als Treiber einer neuen Real-Digitalität erwiesen – also der Digitalisierung unsere Realität, die mit den menschlichen Bedürfnissen im Zentrum ein ganzheitliches Zusammenspiel von Digitalem und Analogem fordere.

 


Katharina Volgger hat ihr Stadtmöbel am Fluss verortet, denkbare Standorte wären aber auch Kanäle und stehende Gewässer wie Seen.

 

Hinzu kommt eine stetig wachsende Anzahl an Menschen in den Megacitys rund um den Globus. Laut Katharina Volgger werde die Stadt damit als Lebensraum immer wichtiger: „Gerade in Zeiten des Kampfes gegen den Klimawandel und dessen Auswirkungen ist es besonders wichtig, ein Augenmerk auf die Gestaltung der Umwelt zu werfen, und somit die menschliche Lebensqualität in städtischen sowie ländlichen Lebensräumen zu erhöhen.“ Dazu zählten eben auch und vor allem attraktive öffentliche Begegnungsräume, die niederschwellig und barrierefrei für eine möglichst breite Nutzergruppe zugänglich sein sollten.

 

 

Dritte Orte

1989 stellte der Soziologe Ray Oldenburg sein Konzept der Dritten Orte vor. Dazu unterteilte er unseren Lebensraum in den ersten Ort – das Zuhause und die Familie –, den zweiten Ort im Sinne des Arbeitsplatzes und dritte Orte, die dem Ausgleich zwischen erstem und zweitem Ort sowie als Treffpunkt dienen sollten. Als dritte Orte definierte Oldenburg öffentliche Plätze wie den Stadtraum, halböffentliche Angebote wie Bildungseinrichtungen, Bahnhöfe, Sport- oder Kulturstätten sowie als konsumorientierte Variante die Gastronomie. Anforderungen an dritte Orte waren laut Oldenburg die Verortung auf neutralem Boden, die Inklusivität sowie die Funktionalität.

 

 

Der dritte Ort und seine Nutzer:innen

Im Sinne des Bereitstellens eines nachhaltig nutzbaren dritten Ortes als Treffpunkt außerhalb vom Ort der Familie und der Arbeit sowie unter dem Leitfaden der Konnektivität als Metapher entwickelte ­Katharina mit ihrem Floating Furniture ein benutzerfreundliches Stadtmöbel für den Standort Rosenheim. Dabei spielte nicht nur die Berücksichtigung verschiedener Aktivitäten eine wichtige Rolle in der Entwurfsphase, sondern auch das Eingehen auf diverse Nutzergruppen und deren Anforderungen: „Für mich war von Anfang an klar, dass mein Stadtmöbel für jedermann zugänglich und gleichermaßen attraktiv sein sollte. Anhand eingehender Zielgruppen- und Generationenrecherchen habe ich verschiedenste Nutzerszenarien simuliert und in den Entwurf integriert.“ Denkbare Interaktionen umfassen Afterwork-Meetings, Dates, Picknicks, Vorträge und Aufführungen. In Kombination mit dem Faktor Wasser ist so ein flexibles Möbel entstanden, das neben der Vernetzung noch die Möglichkeit des Arbeitens, der Erholung oder des einfachen „Seins“ bietet und unbenutzt als Kunst im freien Raum fungiert. Eine eigens entwickelte App soll zusätzlich das Verabreden, Buchen, Kommunizieren und Konfigurieren ermöglichen.

 

 

Zukunftsmusik

Auf lange Sicht sieht Katharina Volgger die technischen Fortschritte im Zusammenhang mit dem Element Wasser als spannenden und okölogisch bedeutenden Zusatz: “Das Floating Furniture könnte beispielsweise die Wasserkraft zur Stromerzeugung nutzen, Sensoren könnten Informationen über den Zustand der Wasserqualität und den Wasserstand liefern.”

 

 

3 Fragen an Katharina Volgger

Gab es einen bestimmten Auslöser oder ein konkretes Vorbild als Idee für das Projekt bzw. was hat Sie zu der Arbeit inspiriert?
Die meisten Gewässer, die durch Städte fließen, bieten keinerlei Zugangs- und Aufenthaltsmöglichkeiten. Selbiges gilt auch für meine bisherigen Wohnorte Innsbruck und Rosenheim. Mir ist das besonders aufgefallen, da Wasser für mich mitunter Erholung und eine persönliche Auszeit bedeutet. Auch das durch die Pandemie entstandene Problem des „social distancing“ war ein Anlass dafür, einen Ort zu schaffen, an dem wieder reale Begegnungen stattfinden können. Aus diesen beiden Aspekten heraus kristallisierte sich die Idee eines schwimmenden Stadtmöbels. Zudem zeigen skandinavische Städte und Studios – wie beispielsweise „BIG“–, wie man den Faktor Wasser in das Stadtleben integrieren kann.

Wie können Stadtmöbel in Ihren Augen also die (urbane) Landschaft gestalterisch prägen und welche Auswirkungen haben solche Treffpunkte für die Gesellschaft und das Miteinander?
Meiner Meinung nach können Stadtmöbel die urbane Landschaft optisch aufwerten und spannender bzw. zugänglicher gestalten. Das gemeinsame Entdecken neuer Orte und Mitgestalten bereits bestehender Stadträume wirkt sich positiv auf unser Miteinander und somit auch auf die gesamte Gesellschaft aus. In einer Zeit, in der alles in Stress und Hektik oder online passiert, verliert das Draußensein zusehends an Bedeutung und wird allzu gerne vernachlässigt.

Wie genau hat sich die Formensprache für Ihr Stadtmöbel entwickelt und welche Rolle spielte dabei das Element Wasser?
Das „Flitschen“, also das Steinewerfen ins Wasser, und die kreisförmigen Wellen, die dabei entstehen, dienten mir als Inspiration. Das Element Wasser ist also letztlich nicht nur raumgebend, sondern auch formgebend für meinen Entwurf.

 

Masterarbeit
circular. connective islands

Thema: Konnektivität. Ein Möbel, das verbindet.
Betreuer: Prof. Anette Ponholzer / Prof. Gabriel Weber
Hochschule: TH Rosenheim
Studienrichtung: Innenarchitektur-Möbeldesign

 

 

Text & Interview: Linda Pezzei