Kühlen und Heizen mit Eis

Für ein Bauherrenpaar hat der Architekt Bastian Bechtloff die Villa Aumühle in der gleichnamigen Gemeinde östlich von Hamburg realisiert. Im Mittelpunkt stand neben der barrierefreien Nutzung der Einsatz von erneuerbaren Energien. Das Ergebnis ist ein altersgerechtes Wohnhaus im Bungalow-Stil mit einem nachhaltigen System, das auf einem Eisspeicher beruht. Dieser sorgt sowohl im Sommer als auch im Winter für ein angenehmes Raumklima. Der Beitrag Kühlen und Heizen mit Eis erschien zuerst auf architektur-online.

Kühlen und Heizen mit Eis

Für ein Bauherrenpaar hat der Architekt Bastian Bechtloff die Villa Aumühle in der gleichnamigen Gemeinde östlich von Hamburg realisiert. Im Mittelpunkt stand neben der barrierefreien Nutzung der Einsatz von erneuerbaren Energien. Das Ergebnis ist ein altersgerechtes Wohnhaus im Bungalow-Stil mit einem nachhaltigen System, das auf einem Eisspeicher beruht. Dieser sorgt sowohl im Sommer als auch im Winter für ein angenehmes Raumklima.

 

Architekt Bastian Bechtloff , Villa Aumühle mit Eisspeicher

 

Im Zickzack entwickelt sich der außergewöhnliche Grundriss des flachen Baus in Aumühle. Die unkonventionelle Z-Form des Hauses ist bedingt durch die Topografie des Grundstücks. Während sich im südlichen Teil die offen gestaltete Küche mit Essbereich, Wohn- und Arbeitszimmer befinden, sind im nach Nordwesten orientierten Trakt die privaten Räume untergebracht. Sie bieten reichlich Platz zum Schlafen, Ankleiden, Baden und Zurückziehen. Unter diesem Bereich des Hauses gibt es außerdem ein Untergeschoss, das sich dank der leichten Hanglage zum Garten hin öffnet. Es umfasst eine Werkstatt, Nebenräume wie Lager und Waschküche und eine kleine 2-Zimmer-Wohnung mit Blick nach draußen. Eine große Garage komplettiert das Raumprogramm der Villa.

 

 

Eine weiße Boden- und eine Deckenplatte aus Stahlbeton umschließen das Haus von oben und unten. Sie fassen die umlaufenden, dunklen Klinkerfassaden ein. Die einzelnen, schmalen Steine sind zum Teil ornamenthaft gesetzt. Sie verleihen den Ansichten eine ganz besondere Optik und betonen die horizontale Ausdehnung des Baukörpers. Das Betondach kragt an manchen Stellen bis zu zwei Meter aus. Es rahmt den Bau und fungiert als schattenspendendes Element im Hochsommer. Luftige Stahllamellen lockern das Vordach auf und kreieren gleichzeitig abwechslungsreiche Schattenspiele. Die Ecken des pavillonartigen Wohnhauses sind abgerundet und geben ihm einen dynamischen Charakter. Durch die großflächigen Verglasungen an der Südwestseite dringt viel Tageslicht ins Haus. Sie lassen die Grenzen zwischen den Innen- und Außenräumen verschwimmen und sind ebenfalls leicht gerundet. Davor laden Terrassenflächen zum Entspannen im Freien mit Ausblick in den umliegenden Garten und die Bäume ein.

 

“Architektur ist für mich Reaktion auf die spezifischen und empfundenen Gegebenheiten des Ortes, mit einem Gespür für das Angemessene und Originalität.”

Bastian Bechtloff

 

 

 

 

 

Sämtliche Bereiche des Wohnhauses sind barrierefrei ausgeführt, um diese bei Bedarf auch im höheren Alter ohne weitere Umbaumaßnahmen problemlos nutzen zu können. Die raumhohen Terrassentüren nach draußen und die Schiebetüren im Inneren, die jederzeit flexibel unterschiedliche Bereiche abtrennen oder verbinden, kommen ganz ohne Schwelle und fast ohne Rahmen aus. Dank des schlicht weißen Finishs von Wänden und Decken erscheinen die Räume hell und geräumig. Parkettböden und Holzelemente versprühen Wärme und schaffen, gemeinsam mit fließenden, grünen Vorhängen ein gemütliches Wohnambiente.

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Trotz der vielen Fenster- und großen Dachflächen wollte der Bauherr des Hauses im Sommer angenehm kühle Räume. Um diesem Wunsch nachkommen zu können, fiel bei der energetischen Planung die Wahl auf einen Eis-Energiespeicher. Dieser regelt sowohl die Klimatisierung als auch die Beheizung des Baus. Der Clou des Konzepts beruht auf der Nutzung der Energie, die beim Gefrieren bzw. Auftauen von Wasser freigesetzt wird, dem sogenannten Phasenwechsel. Diese jahreszeitbedingten Prozesse ergänzen einander, funktionieren nahezu energieautark und völlig emissionsfrei. Sie sorgen im Winter für ein wohlig warmes, im Sommer hingegen für ein erfrischend kühles Raumklima.

Das System setzt sich aus zwei Zisternen, mehreren Flachkollektoren auf dem Dach und einer Sole-Wärmepumpe zusammen, die die beiden Komponenten verbindet. Beide Beton-Behälter sind direkt neben dem Haus im Boden vergraben und fassen jeweils rund zehn Kubikmeter Regenwasser. Ohne Isolierung profitieren sie von der Temperatur des umgebenden Erdreichs. Die Kollektoren auf dem Dach funktionieren ähnlich wie Solarpaneele. Sie sind auf der gesamten Fläche montiert, nehmen die Wärme der Umgebungsluft und der Sonneneinstrahlung auf und geben diese an den Speicher weiter. Als letzte Komponente entnimmt die Pumpe dem Wasser die gewonnene Wärme und speist diese in den Heizkreislauf in der Decke des Gebäudes ein.

 

 

Die Besonderheit des Eispeichers beruht darauf, dass das Wasser durch den Wärmeentzug zunehmend gefriert. Er funktioniert wie ein Puffer, der die Wärme im Sommer sammelt und schließlich im Winter über die Sole-Pumpe zum Heizen des Hauses verwendet. Je mehr Wärme dem Wasser in der Zisterne entzogen wird, desto kälter wird dieses, bis es schließlich gefriert. Bei der Kristallisation wird zusätzliche Energie frei, die wiederum genutzt werden kann – die sogenannte latente Wärme. Sie entsteht beim Wechsel des Aggregatzustandes des Wassers von flüssig zu fest. Der Vereisungsprozess im Winter trägt also ständig zur Energiegewinnung bei. Er produziert auf natürliche Weise die gleiche Menge an Energie, die für die Erhitzung des Wassers von 0 auf 80°C nötig wäre. Sobald es wieder wärmer wird, beginnt das Eis im Frühjahr langsam aufzutauen.

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In der gesamten massiven Betondecke, die selbst als Speichermasse dient, ist das Heiz- und Kühlsystem integriert. Es überträgt nicht nur die gewonnene Energie des Speichers an die Räume und reguliert damit die Temperatur, sondern auch umgekehrt. Die Wärme im Haus gelangt zurück in die Zisterne und hält damit den Vorgang aufrecht, sodass die Klimatisierung auch bei längeren Hitzeperioden passiv weiterläuft. Da das Eis für die Kühlung quasi ein Abfallprodukt ist, handelt es sich um eine simple Form des „Natural Cooling“.

Der Entwurf des Architekturbüros Buero Bechtloff für das pavillonartige Wohnhaus überzeugt nicht nur mit seinen feinen architektonischen Details, sondern vor allem durch das innovative Energiekonzept. Es macht vor, wie natürliche, temperaturbedingte Prozesse intelligent genutzt und Bauten dadurch mit minimalem zusätzlichen Energieaufwand das ganze Jahr über geheizt und gekühlt werden können. Das bedarf zwar anfangs etwas höherer Investitionskosten, führt aber besonders auf lange Sicht zu Einsparungen. Das macht Lust auf Wohnen im Grünen!

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Wohnhaus Aumühle
Aumühle, Deutschland

Bauherr: Privat     
Planung: Buero Bechtloff             
Team: Bastian Bechtloff, Claudius Lange       

Grundstücksfläche: 3.186 m2
Bebaute Fläche: 875 m2
Nutzfläche: 390 m2   
Planungsbeginn: 05/2017
Bauzeit: 12 Monate
Fertigstellung: 07/2019

 

Text: Edina Obermoser
Fotos: Piet Niemann

 

 

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