Kultur statt Kaserne
Alt und Neu, Ziegel und Metall, Historie und Moderne – im "Le Grand Palais", einem neuen Kulturbau im historischen Zentrum von Cahors, treffen viele Gegensätze aufeinander. Das Architekturbüro Antonio Virga verwandelte den ungenutzten Raum auf einem ehemaligen Militärgelände in einen öffentlichen Treffpunkt mit Kino und Museum. Sie entwickelten einen Bau, der sich inmitten der französischen Stadt behutsam in die Umgebung einfügt und sich gleichzeitig von ihr abhebt.
Alt und Neu, Ziegel und Metall, Historie und Moderne – im „Le Grand Palais“, einem neuen Kulturbau im historischen Zentrum von Cahors, treffen viele Gegensätze aufeinander. Das Architekturbüro Antonio Virga verwandelte den ungenutzten Raum auf einem ehemaligen Militärgelände in einen öffentlichen Treffpunkt mit Kino und Museum. Sie entwickelten einen Bau, der sich inmitten der französischen Stadt behutsam in die Umgebung einfügt und sich gleichzeitig von ihr abhebt.
Das Areal in der nördlichen Altstadt von Cahors in Frankreich ist gezeichnet von seiner bewegten Geschichte. Ein Kongress- und ein Sportzentrum sowie eine Polizeistation ordnen sich rund um den Place Bessières, eine große Freifläche an. Während die angrenzenden Komplexe noch an die vormalige Nutzung als Kloster und später als Kaserne erinnern, stand der Platz im Zentrum des Ensembles seit Jahren leer. Das Gebäude, das sich hier einst befand, fiel 1943 einem Feuer zum Opfer. Was übrig blieb, war ein undefinierter Zwischenraum, der lediglich als Parkplatz diente. In Kooperation mit der Société Cadurcienne d’Exploitation Cinématographique plante die Stadt schließlich, den Platz zu revitalisieren. Der Ort sollte zu einem urbanen, fußgängerfreundlichen Treffpunkt werden und dabei den geschichtsträchtigen Bestand miteinbeziehen.
Architekt Antonio Virga und sein Team orientierten sich für den Entwurf nicht nur am Maßstab der übrig gebliebenen, monolithischen Militärgebäude, sondern auch an deren strenger Ordnung. Anstatt diese einfach nachzubauen, entschieden sie sich für einen dualen Ansatz, der sämtlichen Anforderungen gerecht wurde. Das Ergebnis war ein von einfachen Formen und starken Geometrien geprägter Kulturbau. Dieser sorgt in Kombination mit traditionellen Materialien und großzügigen Außenflächen für eine harmonische Ergänzung des Areals.
Der Kino- und Museumsbau setzt sich aus zwei nach außen hermetisch abgeschlossenen Gebäuderiegeln zusammen. Während der größere, dem öffentlichen Platz zugewandte Trakt zur Gänze aus Ziegel gefertigt ist, umhüllt den zweiten Teil eine goldene Fassade aus pulverbeschichtetem Aluminiumblech. Als Unterkonstruktion dient ein Stahlbetonbau. Die beigen Klinker des Ziegelteils spiegeln die Farbgebung der historischen Steinbauten Cahors wider und übersetzen die historische Bauweise der Umgebung in eine zeitgemäße Architektursprache. Durch ihr flaches, kleinteiliges Format verleihen die Ziegelsteine dem Grand Palais trotz seiner Größe eine gewisse Leichtigkeit. Neben den Seitenflächen setzt sich das Material auch auf dem Dach fort.
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Fensteröffnungen gibt es in den beiden Gebäudehüllen keine. Stattdessen entschieden sich die Architekten für einen Wechsel zwischen Baumasse und Transparenz. Inspiriert von Maschrabiyya, luftigen Gitterkonstruktionen islamischer Bauten, erscheinen die Fassaden des Ziegeltraktes innerhalb einiger rechteckiger Abschnitte porös. Dieser Effekt entsteht durch Hohlräume zwischen den einzelnen Steinen. Auch die Wände des zweiten Trakts überraschen mit spannender Durchsichtigkeit. Die durchlöcherten Metallpaneele überziehen feine Punktewolken. Unterschiedlich große Ausnehmungen zeichnen ein rautenförmiges Muster auf die Ansichten und das Dach. Durch die perforierten Flächen gelangt dosiert Tageslicht ins Innere des Kulturbaus. Die verschiedenen Ausnehmungen sorgen für ein abwechslungsreiches Lichtspiel in den Räumen. Bei Nacht werden die beiden Volumen zum diffusen Leuchtmittel und ziehen sämtliche Blicke auf sich. Dadurch gelang es den Planern, das Kino zu einem neuen Wahrzeichen der Stadt zu machen.
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Eine runde, grün bepflanzte Pergola wird zum kommunikativen Herzstück des großen Vorplatzes. Hier können Alt und Jung nebeneinander entspannen und spielen. Die Haupterschließung des Grand Palais erfolgt von der neu gestalteten Außenfläche aus. Im Erdgeschoss springt der Baukörper leicht zurück und spannt einen geschützten Eingangsbereich auf. In auffälliges Gold gekleidet, lädt er Besucher in den Kino- und Museumsbau ein. Das Raumprogramm erstreckt sich im Inneren über drei Stockwerke. Ein zweigeschossiges Foyer mit anschließendem Café fasst die unterschiedlichen Nutzungen zusammen und führt weiter in die übrigen Niveaus. Sieben Kinosäle in verschiedenen Größen verteilen sich mit ihren insgesamt 1.501 Sitzplätzen im ganzen Gebäude. Den Abschluss bildet das städtische Widerstandsmuseum in der obersten Etage. Dieses kann getrennt von den Räumlichkeiten des Kinos betreten werden. Der Zugang erfolgt über ein separates Treppenhaus, welches an der Querseite des Metallvolumens positioniert ist.
Das Design der Innenräume ist schlicht, mit einigen kräftigen Akzenten. Goldene Details in Form von Fensterrahmen und Geländern greifen die farbliche Gestaltung der Fassade wieder auf. Dazu kombinierten die Architekten weiße Oberflächen und Holzelemente. Die Zugänge zu den Kinosälen markiert ein kräftiges Blau. Derselbe Farbton bestimmt auch das Innere aller Vorstellungsräume. Ein einheitliches grafisches Konzept rundet den Kulturbau stimmig ab. Als Leitsystem unterstützt es die interne Organisation und die Orientierung der Besucher. An der Fassade macht es mit plakativen, vergoldeten Lettern bereits von weitem auf den „Le Grand Palais“ aufmerksam.
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Das Projekt schafft mit seinem dezenten und doch kraftvollen Material- und Farbmix den Spagat zwischen Historie und Moderne. Wo einst Autos dominierten, spazieren heute Fußgänger und beleben den urbanen Raum. Der ungenutzte Platz wurde dank der Revitalisierung zu einem sozialen Anlaufpunkt und Ort der Kultur inmitten der Stadt, an dem Alt und Jung zusammenkommen. Mit dem „Le Grand Palais“ zeigten Antonio Virga und sein Team auf eindrucksvolle Art und Weise, wie aus traditioneller Bauweise mit raffinierter Planung ein zeitgemäßer Neubau werden kann. Der Kino- und Museumsbau fügt sich mit seiner klassischen Ästhetik als urbanes Bindeglied in die Bebauung ein und fungiert als Vorbild für zukünftige städtebauliche Konzepte.
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Le Grand Palais
Cahors, Frankreich
Bauherr: Stadt Cahors & Société Cadurcienne d’Exploitation Cinématographique
Planung: Antonio Virga Architecte
Landschaftsarchitektur: Grue
Statik: Projex
Akustik: Diagobat
Lichtplanung: PhA
Grafikdesign: Stefania Corrado
Grundstücksfläche: 3.653 m2
Bebaute Fläche: 1.640 m2
Planungsbeginn: 02/2017
Bauzeit: 18 Monate
Fertigstellung: 12/2019
Kosten: 6,4 Mio.€ (+2,2 Mio.€ Außenflächen)
www.antoniovirgaarchitecte.com
Text: Edina Obermoser Fotos: Luc Boegly